· Nachricht · Befangenheit bei Richtern
Befangenheit bei versehentlich übersendetem Urteilsentwurf
| Die versehentliche Übersendung eines signierten Urteilsentwurfs mit einem ausformulierten Tenor kann bei der unterlegenen Partei den Eindruck hervorrufen, die Einzelrichterin habe sich in ihrer Entscheidung bereits festgelegt und das weitere Verfahren diene nur dazu, dieses Ergebnis zu begründen (OLG Frankfurt a. M. 4.6.25, 9 W 13/25, Abruf-Nr. 248913 ). |
Die als Einzelrichterin tätige Vorsitzende am LG hatte irrtümlich einen unvollständigen, aber unterschriebenen Urteilsentwurf an die Parteien versendet. Sein Inhalt bestand aus einem vollständigen Tenor zugunsten des Klägers, einem fragmentarischen Tatbestand und ebensolchen Entscheidungsgründen sowie der Kostenentscheidung zulasten der Beklagten. Die Richterin teilte danach mit, dass ein anderer Beschluss mit einem neuen Termin verkündet worden sei und der Entwurf unbeachtlich bleiben solle.
Beim OLG hat der Entwurf den Eindruck erweckt, dass die Richterin sich bereits festgelegt habe. Das könne nicht durch spätere Erklärungen geheilt werden. Dabei stellt das OLG u. a. darauf ab, dass es sich um eine Einzelrichterin gehandelt habe, sodass der Urteilsentwurf auch nicht nur die Funktion eines kammerinternen verfahrensbegleitenden Vorschlags hatte.
M. E. ist die Entscheidung zutreffend. Hätte eine Kammer/ein Senat entscheiden müssen, hätte argumentiert werden können, dass es sich nur um einen kammerinternen Urteilsentwurf gehandelt habe, der eine abschließende Beratung vorbereiten sollte. Unerheblich ist, ob die Richterin oder ihre Geschäftsstelle für die versehentliche Versendung verantwortlich gewesen sei.
(mitgeteilt von RA Detlef Burhoff, RiOLG a. D., Leer/Augsburg)