· Schwierige Mandanten Teil 1
So unterstützen Persönlichkeitsmodelle die gelungene Kommunikation mit Mandanten

von Dr. Doortje Cramer-Scharnagl, Edewecht
| Die Beziehungen zu Mandanten sind für Sie von zentraler Bedeutung. Um Schwierigkeiten im Umgang zu vermeiden, können Mandantentypisierungen helfen. Obwohl alle Typisierungen auf Vereinfachungen basieren, bieten sie doch wertvolle Ansatzpunkte, wie Sie Ihre Kommunikation effizienter und zielführender gestalten können. In dieser zehnteiligen Beitragsserie stellen wir Ihnen verschiedene „schwierige Mandantentypen“ vor und geben Tipps, wie Sie sie erkennen und mit ihnen umgehen können. Im ersten Teil stellen wir verschiedene Persönlichkeitsmodelle als Grundlage vor. |
PRAXISTIPP | In der Anwalt-Mandanten-Beziehung kommen schon beim Erstgespräch in kürzester Zeit wichtige zusätzliche Wahrnehmungen hinzu. All diese Eindrücke und Wahrnehmungen zusammengenommen erlauben es ‒ bei aller Vorsicht ‒, individuelle Eigenheiten zu registrieren und seine Vorgehensweise darauf abzustimmen. So können Sie schnell ein Vertrauensverhältnis auch zu Ihren Mandanten aufbauen. Typisierungen haben Grenzen und sollten nicht starr angewendet werden. Beziehen Sie immer individuelle Umstände und Erfahrungen ein. |
Hilfreiche Typisierungen beruhen auf anerkannten Persönlichkeitsmodellen
Zu den bekanntesten modernen Modellen gehören die „Big Five“, das Myers-Briggs-Typenindikatorsystem (MBTI) sowie verschiedene Typenlehren:
- „Big Five“: Dieses Persönlichkeitsmodell identifiziert fünf Dimensionen der Persönlichkeit: Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion (nach außen gewandt), Verträglichkeit und Neurotizismus (Intensität und Kontrolle von Emotionen). Diese Dimensionen bieten eine umfassende Grundlage für das Verständnis von Verhalten und Interaktion im beruflichen Umfeld. Ein schüchterner Mandant könnte z. B. eine hohe Ausprägung in Neurotizismus und eine niedrige in Extraversion aufweisen.
- Psychologische Typenlehren: Typenlehren betrachten Persönlichkeit als ein Zusammenspiel mehrerer Aspekte, die in unterschiedlichen Kontexten zutage treten. Auch hier spielen Extraversion und Introversion eine wichtige Rolle, dazu Bewusstseinsfunktionen, wie Denken, Fühlen, Empfinden und Intuieren. Diese Lehren helfen, Motive und Verhaltensweisen zu verstehen sowie einzuschätzen, wie das Gegenüber reagieren könnte.
- Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI): Persönlichkeiten werden in 16 Typen eingeteilt, die auf vier ambivalenten Kategorien beruhen: Extraversion/Introversion (extrovertiert/introvertiert), Sensing/Intuition (sensorisch/intuition), Thinking/Feeling (Denken/Fühlen) und Judging/Perceiving (Urteilen/Wahrnehmen). Der Besserwisser könnte z. B. stärker auf Informationsaufbereitung (Sensing) und logisches Denken (Thinking) fokussiert sein.
PRAXISTIPP | Mit den Mandantentypisierungen im Rechtswesen verknüpfen sich spezifische Eigenschaften, die typischerweise in den Persönlichkeitsmodellen zu finden sind. Solche Zuordnungen bieten Ansatzpunkte, wie Sie im Alltag effizient arbeiten und kommunizieren können. |
Mandantentypen sind vielschichtig
Typische Verhaltensweisen können sich im Alltag vermischen. So kann ein Mandant Merkmale mehrerer Typen aufweisen, die in unterschiedlichen Situationen zum Vorschein kommen. Zum Beispiel kann ein hilflos Überforderter in einem wichtigen Moment auch Aggressivität zeigen, wenn sich die Unsicherheit gerade sehr stark bemerkbar macht. Ein Besserwisser kann bei komplexen Gesprächen durchaus auch Züge eines Redseligen entwickeln. Diese Vielschichtigkeit der Persönlichkeiten erfordert von Ihnen als Rechtsanwalt Aufmerksamkeit, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.
PRAXISTIPP | Variationen können auch auf situativen Stress oder persönliche Lebensumstände zurückzuführen sein. Typisierungen bieten also vor allem einen Rahmen, innerhalb dessen Sie das Verhalten eines Mandanten besser verstehen und darauf reagieren können. |
Mandantentypisierungen helfen Ihnen im Kanzleialltag
Der Vorteil der Klassifizierung in unterschiedliche Typen liegt in der Möglichkeit, die Interaktion gezielt auf die individuellen Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Mandanten zuzuschneiden. Typisierungen können Ihre Kommunikation auf unterschiedliche Weise vereinfachen und unterstützen.
Klare Schwerpunkte erlauben produktiveres Arbeiten
Wenn Sie den Typus eines Mandanten erkennen, können Sie die Schwerpunkte Ihrer Zusammenarbeit besser setzen und damit effektiver arbeiten. Sie wissen, dass der Aufdringliche durch strukturierte Gespräche im Zaum gehalten werden kann, während der Unzuverlässige möglicherweise verantwortungsvoller mitarbeitet, wenn Sie von Anfang an klare Erwartungen kommunizieren.
Sie gehen gut vorbereitet und damit stressfreier in Gespräche
Typisierungen helfen Ihnen, den Verlauf von Gesprächen vorherzusehen, was insbesondere bei Typen wie etwa dem Aggressiven oder dem hilflos Überforderten hilfreich ist. Diese Vorhersehbarkeit kann zu einer geringeren emotionalen Belastung für Sie als Anwalt führen und Ihre Stressbewältigung im Umgang mit herausfordernden Mandanten verbessern.
Das Verhältnis zu Ihren Mandanten wird besser und vertrauensvoller
Jeder Mandantentyp erfordert unterschiedliche Kommunikationsansätze. Bei schüchternen Mandanten ist eine einfühlsame Ansprache nötig, während aggressive Klienten effektiver mit klaren, strukturierten Äußerungen angesprochen werden können. Diese Differenzierung ist essenziell für eine mandantengerechte Kommunikation.
Sie erkennen Mandantenbedürfnisse leichter
Wenn Sie den Typ Ihres Mandanten kennen, können Sie gezielt auf seine spezifischen Bedürfnisse eingehen. Dadurch gibt es weniger Missverständnisse und Sie können schneller (gemeinsam) Lösungen finden. Schnelle Problemlösungen wiederum sind ein klares Plus und sprechen für die Beauftragung Ihrer Kanzlei. Zudem sparen sie Ihnen kostbare Zeit.
PRAXISTIPP | Mandantentypisierungen erlauben nicht nur ein zielgerichteteres, mandantengerechteres Arbeiten. Auch Sie selbst können profitieren, indem Sie Ihre eigenen Reaktionen und Verhaltensweisen im Umgang mit den verschiedenen Typen reflektieren. Welche Ihrer persönlichen Vorlieben und Abneigungen beeinflussen Ihre Kommunikation? Wäre es sinnvoll, daran zu arbeiten, etwas zu ändern? Solche Überlegungen können die persönliche und berufliche Weiterentwicklung fördern. |
Weiterführender Hinweis
- In den weiteren Teilen dieser Beitragsserie stellen wir Ihnen einige häufig in Kanzleien vorkommende „schwierige Mandantentypen“ vor. In Teil 2 geht es mit dem Typ des Erfolgsmenschen weiter.