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  • · Fachbeitrag · Gesetzesänderung

    PKH- und VKH-Reform: Das müssen Sie wissen

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    | Zum 1.1.14 sind durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31.8.13 (BGBl. I 13, 3533) Neuregelungen im Prozesskostenhilfe (PKH)- und Verfahrenskostenhilfe (VKH)-Recht in Kraft getreten. Sie haben Auswirkungen auf die Anwaltspraxis. Der Beitrag zeigt mit Praxishinweisen, was im Bewilligungsverfahren zu beachten ist. |

    1. Geänderte Vorraussetzungen einer Bewilligung

    Statt, wie ursprünglich geplant, die Freibeträge herabzusetzen, hat der Gesetzgeber gesonderte Mehrbedarfe nach § 21 SGB II für Schwangere, Alleinerziehende, Kranke und Behinderte eingeführt. Diese sind vom Einkommen abzusetzen, § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 ZPO.

     

    Völlig neu geregelt wurde die Ratenberechnung. Die Tabelle zu § 115 ZPO a.F. ist entfallen. Vielmehr regelt § 115 Abs. 2 S. 1 ZPO, dass von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen sind. Sie sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 EUR, ist von einer Festsetzung abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 EUR beträgt die Monatsrate 300 EUR zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 EUR übersteigt.

     

    • Beispiel

    Das monatliche Nettoeinkommen beträgt 2.500 EUR. In Abzug zu bringen sind:

    Erwerbsfreibetrag, § 115 Abs. 1 Nr. 1b ZPO

    201 EUR

    Freibetrag der Partei, § 115 Abs. 1 Nr. 2a ZPO

    442 EUR

    Freibetrag für Ehegatte/Lebenspartner

    442 EUR

    Freibetrag für erstes Kind

    257 EUR

    Zwischensumme

    1.158 EUR

    angemessene Unterkunftskosten mit Heizung, § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO

    600 EUR

    angemessene besondere Belastungen, § 115 Abs. 1 Nr. 5 ZPO

    250 EUR

    einzusetzendes Einkommen

    308 EUR

    zu zahlende Monatsrate

    154 EUR

    Nach altem Recht waren monatlich 115 EUR zu zahlen.

     

     

    Sind bei gleichem monatlichen Nettoeinkommen die Kosten für eine angemessene Unterkunft und die angemessenen besonderen Belastungen niedriger, steigt der Betrag des einzusetzenden Einkommens und die zu zahlende Monatsrate.

     

    • Abwandlung

    Die Partei hat ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 2.500 EUR. Hiervon sind folgende Beträge in Abzug zu bringen:

    Erwerbsfreibetrag, § 115 Abs. 1 Nr. 1b ZPO

    201 EUR

    Freibetrag der Partei, § 115 Abs. 1 Nr. 2a ZPO

    442 EUR

    Freibetrag für Ehegatte/Lebenspartner, § 115 Abs. 1 Nr. 2a ZPO

    442 EUR

    Freibetrag für erstes Kind

    257 EUR

    Zwischensumme

    1.158 EUR

    angemessene Kosten der Unterkunft inklusive Heizung, § 115 Abs. 1 Nr. 3 ZPO

    400 EUR

    angemessene besondere Belastungen, § 115 Abs. 1 Nr. 5 ZPO

    100 EUR

    einzusetzendes Einkommen

    658 EUR

    zu zahlende Monatsrate

    358 EUR

    Nach altem Recht waren monatlich 275 EUR zu zahlen.

     

    2. Änderungen im Ablauf des Bewilligungsverfahrens

    Der Antragsteller ist nun gesetzlich verpflichtet, im Prüfungsverfahren selbst bei der Aufklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mitzuwirken. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann das Gericht die Bewilligung von PKH ablehnen (BGH 10.10.12, IV ZB 16/12, PA 13, 11, Abruf-Nr. 123476).

     

    a) Darlegungspflicht der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse

    Bei Prüfung der Voraussetzungen der PKH kann das Gericht verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht. Insbesondere durch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt, § 118 Abs. 2 S. 1 ZPO.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Rechtsanwalt der bedürftigen Partei sollte diese bei Übersendung des Formulars zur Darstellung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse fürsorglich auf die Konsequenzen falscher Angaben hinweisen. Er sollte unterstreichen, dass dem Mandanten die Pflicht auferlegt werden kann, alle Kosten des Rechtsstreits gegebenenfalls selbst tragen zu müssen.

    Um unnötige Verzögerungen zu vermeiden, empfiehlt es sich daher, eine Glaubhaftmachung der Angaben bereits dem Antrag beizufügen.

     

    Das Gericht kann aber auch Erhebungen anstellen, insbesondere das Vorlegen von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen (§ 118 Abs. 2 S. 2 ZPO).

     

    Achtung | In diesem Zusammenhang kann unter anderem vom Antragsteller die Vorlage von ungeschwärzten Kontoauszügen für einen bestimmten Zeitraum verlangt werden. Somit kann das Gericht überprüfen, ob die auf der Einnahmenseite verbuchten Beträge tatsächlich aus den vom Antragsteller angegebenen Einkommensquellen stammen. Es kann überprüft werden, ob sich aus den Kontoauszügen regelmäßige zur Kapitalansammlung bestimmte vermögensbildende Aufwendungen ‒ etwa für Kapitallebensversicherungen, Bausparverträge oder Bank- und Fondssparpläne ‒ ergeben. Es kann aufgeklärt werden, ob das zutrifft, obwohl die Frage nach sonstigen Vermögenswerten verneint worden ist (OLG Celle FamRZ 10, 1751; OLG Schleswig FF 11, 260). Kommt der Antragsteller einer solchen Auflage nicht nach, kann die Bewilligung von PKH verweigert werden ‒ auch wenn letztlich keine konkreten Anhaltspunkte für Falschangaben vorliegen.

     

    PRAXISHINWEIS | Es ist Aufgabe des Rechtsanwalts, den Mandanten darauf hinzuweisen, dass das Gericht die Bewilligung von PKH ablehnt, wenn der Antragsteller innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet hat. In allen Fällen sollte dem Antragsteller aber klar sein, dass unvollständige oder gar unrichtige Angaben bei der Bewilligung zu einer späteren rückwirkenden Entziehung der PKH führen.

     

    b) Neu: Äußerungsrecht des Verfahrensgegners

    Dem Verfahrensgegner ist nach neuer Rechtslage regelmäßig vor einer Bewilligungsentscheidung Gelegenheit zur Äußerung ‒ nicht nur zur Erfolgsaussicht des Antrags, sondern auch über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers ‒ zu geben (§ 118 Abs. 1 S. 1 ZPO).

     

    Eine Ausnahme besteht, wenn dies aus besonderen Gründen als unzweckmäßig erscheint. Dies ist regelmäßig gegeben:

     

    • wenn der Gegner erkennbar keine Kenntnis über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers hat und daher nur Vermutungen ohne belastbare Anhaltspunkte anstellen könnte,

     

    • in Eilverfahren, um dem Gegner keine Möglichkeit für eine Verfahrensverzögerung zu geben.

     

    § 117 Abs. 2 S. 2 ZPO regelt, dass die Erklärung und die Belege dem Gegner zwar nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden dürfen.

     

    Eine Ausnahme besteht aber, wenn der Gegner gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers hat.

     

    c) Besonderheiten in familienrechtlichen Verfahren

    Gerade in Familiensachen ist das von erheblicher Bedeutung. Hier ist es oft so, dass der Antragsgegner gegen den Antragsteller einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers nach § 1361 Abs. 4 S. 4, § 1580, § 1605 Abs. 1 S. 1 BGB hat (OLG Koblenz FamRZ 11, 389). Die Regelung soll dazu dienen, eine größere Gewähr für die Richtigkeit der Angaben zu erreichen, weil der andere Beteiligte falsche oder fehlende Angaben aufdecken wird (BT-Drucks. 16/6308, 325). Ein solcher Auskunftsanspruch muss nicht konkret fällig sein, sodass weder ein vorheriges Auskunftsverlangen des Auskunftsberechtigten (§ 1605 Abs. 1 S. 1 BGB) noch die gerichtliche Durchsetzung verlangt werden muss.

     

    Merke | Dem Antragsteller ist vor Übersendung der Unterlagen an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung zu unterrichten (§ 76 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit § 117 Abs. 2 S. 3, 4 ZPO; Vogel, FPR 09, 381, 384).

     

    PRAXISHINWEIS | In familienrechtlichen Verfahren kann diese Verfahrensweise für den Mandanten als Antragsteller von VKH sehr brisant sein. Stellen sich nämlich die Angaben im Nachhinein als unwahr oder fehlerhaft heraus, kann neben dem Widerruf der VKH (§ 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) unter Umständen eine Abgabe der Akte an die Staatsanwaltschaft erfolgen. Insofern muss gerade bei Unterhalts- und Zugewinnausgleichsverfahren darauf geachtet werden, dass sich keine Abweichungen zwischen den Angaben zur VKH und den Ausführungen zum Unterhaltsanspruch beziehungsweise zu dem Zugewinn ergeben (Geißler, Handbuch FAFamR, 8. Aufl., Kap. 16 Rn. 117).

     

     

    Weiterhin ist zu beachten, dass das Gericht in Unterhaltsverfahren in der Sache selbst Auskünfte auch von Dritten (z.B. Arbeitgeber, Sozialversicherungsträger, Finanzamt) einholen kann (§§ 235, 236 FamFG).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Fortsetzung in der folgenden Ausgabe: Verfahren nach erfolgter PKH-Bewilligung
    • Zum 2. KostRMoG 2013 siehe Sonderausgabe RVG professionell 8/13
    • Zum Übergangsrecht nach dem 2. KostRMoG 2013 siehe Schwerpunktausgabe RVG professionell 11/13
    • Zur RVG- und VLH-Reform im Familienrecht siehe Sonderausgabe Familienrecht kompakt 9/13
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 42 | ID 42482321