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  • · Nachricht · Kanzleiorganisation

    beA streikt, Software bockt: Anwälte sind in Erklärungspflicht

    | Wurden Fristen wegen technischer Probleme versäumt, sollten Sie als Grund nicht pauschal nur „Softwarefehler“ oder „Abstürze“ nennen. Elektronische Übermittlungen sind nicht gleich unmöglich, nur weil die Kanzleisoftware streikt. Anwälte können jederzeit auf die beA-Webanwendung ausweichen und müssen auch wissen, wie das funktioniert, sagt das LAG Baden-Württemberg (10.4.25, 2 Sa 8/25, Abruf-Nr. 247717 ). |

     

    Im vorliegenden Fall scheiterte die Übermittlung einer Berufungsschrift an einem Freitag (letzter Tag der Frist) an Fehlermeldungen des genutzten Anwaltsprogramms. Der IT-Administrator der Kanzlei konnte das notwendige Update erst nach dem Wochenende installieren. Bei dem Versuch, die Berufung alternativ über die beA-Webanwendung zu versenden, sei dann die gesamte Kanzlei-EDV zusammengebrochen („Totalabsturz“). Dieser Vortrag war dem LAG zu dünn: Wird ein Antrag auf Wiedereinsetzung auf einen vorübergehenden „Computer-Defekt“, „Computer-Absturz“ oder „technische Probleme“ gestützt, muss der Anwalt Angaben zu deren Art und den konkreten Umständen machen (BGH 1.3.23, XII ZB 228/22, Abruf-Nr. 234608).

     

    Weder hatte der Anwalt geschildert, wie sich der Systemabsturz genau abspielte, noch wie die Kanzlei versuchte, das System zum Laufen zu bringen. Er gab nur pauschal „schwerwiegende[n] technische[n] Probleme[n]“ an und dass die „Software aufgrund eines Fehlers nicht korrekt ausgeführt“ wurde. Zudem zeigte sich die Kanzlei zu passiv: Außer einem versuchten zweiten Anruf beim Administrator unternahm man nichts. Warum schließlich auch der Versuch über die beA-Webanwendung scheiterte, blieb auch unklar.

     

    Fällt nur die Kanzleisoftware aus, muss der Anwalt auf die beA-Webanwendung zugreifen. Zwar muss kein zweiter elektronischer Übermittlungsweg vorgehalten werden. Sind aber weitere tatsächlich eingerichtete Übermittlungswege vorhanden, muss der Anwalt diese auch ausschöpfen, bevor er ersatzweise einreicht. Da der Anwalt zum „Totalabsturz“ der Kanzlei-IT ungenügende Angaben machte, war es für das Gericht auch denkbar, dass er selbst an den misslungenen Sendeversuchen über die Webanwendung schuld war.

     

    PRAXISTIPP | Streikt die Anwaltssoftware, bedeutet das nicht gleich eine „vorübergehende technische Unmöglichkeit“ für elektronische beA-Sendungen an Gerichte. Den Umgang mit der beA-Webanwendung müssen Sie beherrschen, selbst wenn Sie diese seltener nutzen. Ob dies auch für die beA-App auf Ihren mobilen Endgeräten gilt, hat das LAG offengelassen. Arbeiten Sie zudem mit einem „Fax over IP“ (FoIP), müssen Sie eine Ersatzeinreichung auf diese Weise vorrangig versuchen. Vorsicht, wenn Sie eidesstattliche Versicherungen (hier: IT-Administrator) an das Gericht senden: Diese sind als elektronisches Dokument qualifiziert signiert bzw. einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg einzureichen ‒ und nicht als einfache Anlage (§ 46c Abs. 3 S. 3 ArbGG).

     

    (mitgeteilt von Christian Noe B. A., Göttingen)

    Weiterführende Hinweise

    • Anwaltssoftware: „Grünes Häkchen“ ersetzt nicht zwingende Prüfmerkmale, AK 24, 114
    • Signierender Anwalt muss umgewandelte PDF-Datei kontrollieren, ID 50311168
    Quelle: Ausgabe 07 / 2025 | Seite 111 | ID 50407665