Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.10.2025 · IWW-Abrufnummer 250453

    Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 10.07.2025 – 8 SLa 582/24

    1. Auch schuldrechtliche Vereinbarungen sind, wenn sie zum Bereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zählen, im Rahmen eines Streiks erkämpfbar.

    2. Der gemeinsame Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 Abs. 1 TVG kann ein zulässiges Streikziel sein.

    3. Der Zurechnung eines Schadens, der durch einen Streik entstanden ist, kann der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegenstehen.


    Tenor: 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31. Oktober 2024, Az. 12 Ca 479/24 wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen. 3. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten um Schadenersatzansprüche wegen eines von der Beklagten initiierten Unterstützungsstreiks in einem Betrieb der Beklagten in K "S O".

    Die Klägerin ist ein Unternehmen der R-Gruppe. Sie betreibt u.a. einen Auslieferservice für Endkunden an ihrem Standort "S O" in K mit ca. 406 Mitarbeitenden, dessen Geschäftstätigkeit wegen der Ausrichtung auf das Endkundengeschäft dem Einzel- und Versandhandel zuzuordnen ist. Sie ist kein Mitglied in einem Arbeitgeberverband; die Arbeitsverträge ihrer Arbeitnehmer an dem Standort K enthalten keine Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge der Beklagten. Innerhalb der R-Gruppe sind Betriebsratsstrukturen gem. § 3 BetrVG eingerichtet; der Standort K gehört zum Regionalbetriebsrat West II.

    Die Beklagte ist eine Gewerkschaft. Sie führte im Rahmen längerer Tarifauseinandersetzungen u.a. folgende Hauptarbeitskämpfe bei der R-Gruppe durch: vom 16. Mai 2023, 0:00 Uhr bis 17. Mai 2023, 24:00 Uhr bei der R M GmbH am Standort K-L, einem Logistikstandort; vom 16. Mai 2023, 10:00 Uhr bis zum 17. Mai 2023, 24:00 Uhr, in D bei der R D F GmbH; bei der R D S KG in D am 17. Mai 2023 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr. Die bestreikten Standorte sind sämtlich dem tarifvertraglichen Bereich des Groß- und Außenhandel zuzuordnen. Es besteht dort jeweils eine Tarifbindung an die Tarifverträge der Beklagten mit dem Arbeitgeberverband.

    Wörtlich hieß es im Streikaufruf, der für den Streik bei der Klägerin maßgeblich war:

    Aufruf zum Solidaritätsstreik für die Beschäftigten

    Zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfes streiken wir mit den Beschäftigten und unterstützen die Forderungen ver.di fordert für die Groß- und Außenhandelsbeschäftigten: [...]

    Gemeinsame Beantragung der Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifverträge des Groß- und Außenhandels NRW

    Die Klägerin macht vorliegend Schadensersatzansprüche wegen eines 24-stündigen Unterstützungsstreiks am 17. Mai 2023 im ihrem Betrieb "S O" geltend.

    Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Streik sei u.a. rechtswidrig, da es sich bei der Streikforderung des gemeinsamen Antrags auf Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 TVG um kein erstreikbares Ziel handele und damit der gesamte Streik rechtswidrig sei. Der Unterstützungsstreik sei zudem unverhältnismäßig wegen der verursachten Streikfolgen und der fehlenden Nähe zum Hauptarbeitskampf.

    Die Klägerin hat einen streikbedingten Schaden von 301.686,21 EUR behauptet. Die Schäden resultierten im Wesentlichen daraus, dass zahlreiche Kundenaufträge streikbedingt storniert werden mussten, was insbesondere an dem Zeitpunkt des Streiks sowie an der hohen Streikbeteiligungsquote gelegen habe. Wegen der Berechnung des Schadens wird auf die Darstellung der Klägerin (Bl. 17 ff GA-ArbG) verwiesen.

    Die Klägerin hat beantragt,

    1. die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 301.686,21 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;2. es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr infolge des Streiks der Beklagten vom 17. Mai 2023 entstanden sind und/oder zukünftig noch entstehen werden.

    Beklagte hat beantragt,

    die Klage wird abgewiesen.

    Sie hat die Ansicht vertreten, der Unterstützungsstreik sei wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtungen durch Vertrags- und Lieferbeziehungen in der Konzernstruktur rechtmäßig. Sie hält den gemeinsamen Antrag auf eine Allgemeinverbindlicherklärung für ein rechtmäßiges Streikziel. Zumindest sei, da es sich um eine höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfragen handele, kein Verschulden anzunehmen. Schließlich hält sie die Schadensberechnung für nicht nachvollziehbar.

    Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 31.01.2024 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, ein Unterstützungsstreik als solcher sei grundsätzlich eine zulässige Arbeitskampfmaßnahme, die Forderung nach einer gemeinsamen Beantragung der Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifverträge des Groß- und Außenhandels NRW ein zulässiges Streikziel und der Unterstützungsstreik wäre vorliegend verhältnismäßig. Die Forderung nach einer gemeinsamen Beantragung einer Allgemeinverbindlicherklärung sei ein tarifvertraglich regelbares rechtmäßiges Kampfziel, denn sie betreffe die Regelung einer Arbeits- und Wirtschaftsbedingung im Sinne von Art. 9 Abs. 3 GG.

    Die Klägerin hat gegen das ihr am 08.11.2024 zugestellte Urteil am 12.11.2024 Berufung eingelegt und dieses nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.02.2025 am 03.02.2025 begründet.

    Zur Begründung vertieft sie ihre erstinstanzlich geäußerten Rechtsansichten.

    Der gemeinsame Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung (im folgenden: AVE) sei nicht erstreikbar, da es sich nicht um Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen handele, sondern sich diese allenfalls darauf beziehe. Im Übrigen beschränke Art. 9 Abs. 3 GG die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien auf ihre eigenen Mitglieder und damit auf eigene Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Zudem seien nicht alle Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen erstreikbar. Die Streikforderung AVE sei schuldrechtlicher Natur und sei nur einer freiwilligen schuldrechtlichen Regelung zugänglich. Die Erzwingung der gemeinsamen Beantragung der AVE sei zudem unzulässig, weil es die positive Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG in ihrem Kernbereich verletze, weil sie insbesondere die Attraktivität der Tarifbindung reduziere und damit die Existenzgrundlage der Koalition gefährde. Zudem betreffe das Regelungsziel die verbandliche Selbstbestimmung, die nicht erstreikbar ist. Die Annahme der Erstreikbarkeit der Streikforderung AVE sei schließlich mit der gesetzgeberischen Intention des § 5 Abs. 1 S. 1 TVG unvereinbar. Die nach dem Willen des Gesetzgebers erforderliche Wertungsentscheidung wäre bloße Makulatur, wenn diese erstreikbar wäre. Diese Entscheidung sei dem Arbeitskampf damit zwingend entzogen. Ein rechtswidriges Streikziel führe zur Rechtswidrigkeit des gesamten Streiks.

    Die Annahme der Verhältnismäßigkeit des Unterstützerstreiks verkenne, dass es an einem branchenmäßigen Näheverhältnis fehle. Der Unterstützerstreik sei zudem nicht angemessen, weil allein die Stärkung der Kampfbereitschaft nicht ausreiche. Zudem ergebe sich aus den Auswirkungen und der Bedeutung des Unterstützungsstreiks, dass hier der Schwerpunkt des Arbeitskampfes signifikant auf den Unterstützungsstreik verlagert werde und dieser seinen Charakter als Unterstützung eines ernsthaft geführten Hauptarbeitskampfes verliere. So sei durch den Unterstützerstreik ein Schaden in zehnfacher Höhe des Hauptstreiks eingetreten und die Streitbeteiligungsquote beim Unterstützerstreik deutlich höher gewesen. Zudem sei ein Verschulden anzunehmen, da es auf den Zeitpunkt des Streikaufrufs ankomme und insbesondere die Unverhältnismäßigkeit des Unterstützerstreiks offensichtlich gewesen sei.

    Jedenfalls sei ihr Hilfsantrag auf Unterlassung begründet, um den die Klägerin die Berufung mit Schriftsatz vom 30.06.2025 erweitert hat, da die Gefahr bestehe, dass die Beklagte ihr streitgegenständliches Verhalten in der nächsten Tarifrunde im Groß- und Außenhandel NRW wiederholen werde.

    Die Klägerin beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 31. Oktober 2024, Az. 12 Ca 479/24, abzuändern und 1. Die Beklagte zu verurteilen, an die sie EUR 301.686,21 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr infolge des Streiks der Beklagten vom 17. Mai 2023 entstanden sind und/oder zukünftig noch entstehen werden. hilfsweise zu 1. die Beklagte zu verurteilen es zu unterlassen, Arbeitnehmer der Klägerin zu Unterstützungsstreiks aufzurufen und/oder Unterstützungsstreiks am Standort S O durchzuführen, um ihre Streikforderung "gemeinsame Beantragung der Allgemeinverbindlicherklärung der Tarifverträge des Groß- und Außenhandels NRW" durchzusetzen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie stimmt der Klageerweiterung durch den Hilfsantrag nicht zu.

    Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihrer Rechtsansichten. Sie hält die Streikforderung der AVE für erstreikbar und den Unterstützungsstreik für verhältnismäßig. Jedenfalls könne sie sich auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten berufen, da der Streik ohne die Streikforderung AVE rechtmäßig gewesen wäre. Sie hätte den Streik auch ohne die Forderung nach gemeinsamer Beantragung der AVE ganz genauso geführt - dies gilt hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer, Umfang, Intensität etc..

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

    a. Die Berufung ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG).

    b. Auch die Klageerweiterung durch den Hilfsantrag vom 30.06.2025 ist zulässig.

    aa. Eine Einwilligung der Beklagten iSd. § 533 Nr. 1 ZPO liegt zwar nicht vor. Die nachträgliche objektive Klagehäufung ist allerdings sachdienlich iSd. § 533 Nr. 1 ZPO.

    Maßgeblich für die nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende Sachdienlichkeit nach § 533 Nr. 1 ZPO ist der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, für den es entscheidend darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung der Klageänderung zu einer sachgemäßen und endgültigen Beilegung des Streits zwischen den Parteien führt, der den Gegenstand des anhängigen Verfahrens bildet und einem anderenfalls zu erwartenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (BAG 14. Juni 2017 - 10 AZR 308/15 - Rn. 39; ErfK/Koch 22. Aufl. ArbGG § 67 Rn. 7 mwN). Deshalb kommt es für die Beurteilung der Sachdienlichkeit nicht entscheidend darauf an, ob neuer Tatsachenvortrag erforderlich ist. Der Sachdienlichkeit einer Klageänderung stünde nicht einmal entgegen, dass im Fall ihrer Zulassung Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde. Die Sachdienlichkeit kann unter diesem Blickpunkt im Allgemeinen nur dann verneint werden, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozessführung nicht verwertet werden kann. Besteht zwischen mehreren Streitgegenständen ein innerer rechtlicher oder tatsächlicher Zusammenhang, so ist es regelmäßig sachdienlich, diese Streitgegenstände auch in einem Verfahren zu erledigen (BAG 13. April 2016 - 4 AZR 13/13 - Rn. 87 mwN; BAG, Urteil vom 9. Februar 2022 - 5 AZR 347/21 -, Rn. 21, juris). Eine Sachdienlichkeit ist insoweit hier anzunehmen, weil die Frage der Rechtsmäßigkeit der Streikforderung und der Rechtmäßigkeit des Streiks auch für den Hilfsantrag entscheidend ist und für diese Frage der bisherige Streitstoff herangezogen werden kann.

    bb. Des Weiteren muss nach § 533 Nr. 2 ZPO die in der nachträglichen objektiven Klagehäufung liegende Klageänderung in der Berufungsinstanz auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, die also entweder vom Arbeitsgericht festgestellt (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder als neue Tatsachen berücksichtigungsfähig (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) sind (BAG, Urteil vom 9. Februar 2022 - 5 AZR 347/21 -, Rn. 23, juris).

    Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Tatsachen regelt für das Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht § 67 Abs. 4 ArbGG. Danach sind neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel in der Berufung bzw. in der Berufungsbeantwortung vorzubringen. Werden sie später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung oder der Berufungsbeantwortung entstanden sind oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruht (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 31. Oktober 2024 - 8 Sa 641/23 -, Rn. 70 - 71, juris). Insoweit handelt es sich bei der im Rahmen des Unterlassungsantrags zu prüfenden Wiederholungsgefahr zwar um neuen Streitstoff, der jedoch nach Überzeugung der Kammer nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führt, da es hierauf im Ergebnis nicht ankommt.

    II. Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Soweit die Berufung dem Arbeitsgericht den "Verstoß gegen Denkgesetze" vorwirft, ist dieser Vorwurf unzutreffend.

    1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe aus § 823 Abs. 1, 31 BGB.

    a. Ein von einer Gewerkschaft geführter rechtswidriger Streik kann eine Verletzung des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des unmittelbar bestreikten Arbeitgebers darstellen (BAG, Urteil vom 26. Juli 2016 - 1 AZR 160/14 -, BAGE 155, 347-380, Rn. 21).

    Allerdings löst nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts nur ein unmittelbarer Eingriff in den Gewerbebetrieb oder die hinreichende Gefahr eines solchen Ersatz- oder Abwehransprüche aus. Hierzu müssen die Eingriffe "gegen den Betrieb als solchen gerichtet, also betriebsbezogen" sein (vgl. BAG 21. Juni 1988 - 1 AZR 653/86 - zu B II 2 b und c der Gründe mwN, BAGE 59, 48; 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 24, NJW 2009, 1990; BGH 29. Januar 1985 - VI ZR 130/83 - zu II 1 der Gründe, NJW 1985, 1620; 21. April 1998 - VI ZR 196/97 - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 138, 311). Sie müssen ihrer objektiven Stoßrichtung nach gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit gerichtet sein. Auch muss ihnen eine Schadensgefahr eigen sein, die über eine Belästigung oder eine sozialübliche Behinderung hinausgeht und geeignet ist, den Betrieb in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen (BGH 21. April 1998 - VI ZR 196/97 - aaO; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - aaO; noch weitergehend BGH 14. April 2005 - V ZB 16/05 - zu II 2 b cc (2) (b) (aa) der Gründe mwN, BGHZ 163, 9, der sogar Beeinträchtigungen verlangt, die "die Grundlagen des Betriebs bedrohen, den Funktionszusammenhang der Betriebsmittel auf längere Zeit aufheben oder die Tätigkeit des Inhabers als solche in Frage stellen"). Schließlich handelt es sich bei dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb um einen "offenen Tatbestand", dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Interessen- und Güterabwägung mit der im Einzelfall konkret kollidierenden Interessenssphäre ergeben (BGH 21. April 1998 - VI ZR 196/97 - zu II 3 b aa der Gründe mwN, BGHZ 138, 311; BAG 20. Januar 2009 - 1 AZR 515/08 - Rn. 24, NJW 2009, 1990; BAG, Urteil vom 22. September 2009 - 1 AZR 972/08 -, BAGE 132, 140-161, Rn. 22 - 23).

    Vorliegend kann dahinstehen, ob der von der Klägerin behauptete Eingriff diese Schwelle erreicht und geeignet ist, den Betrieb der Klägerin in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen und im Rahmen der Interessenabwägung eine Rechtsgutsverletzung anzunehmen ist. Denn ein möglicher Eingriff ist jedenfalls nicht rechtswidrig.

    b. Nicht rechtswidrig sind Eingriffe in den Gewerbebetrieb, wenn sie als Arbeitskampfmaßnahmen zulässig sind.

    Der Unterstützungsstreik bei der Klägerin am 17.Mai 2023 war nicht rechtswidrig. Die gegen die Rechtmäßigkeit des Streiks von der Klägerin geltend gemachten Gründe greifen nicht durch.

    aa. Der Unterstützungsstreik dient nicht der Durchsetzung eines tariflich nicht regelbaren Ziels.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitskämpfe nur zur Durchsetzung tarifvertraglich regelbarer Ziele geführt werden. Dies folgt aus der Hilfsfunktion des Arbeitskampfes zur Sicherung der Tarifautonomie (vgl. dazu grundlegend BAG GS 21. April 1971 - GS 1/68 - BAGE 23, 292). Zugleich bedeutet dies, dass der Tarifvertrag, der kampfweise durchgesetzt werden soll, einen rechtmäßigen Inhalt haben muss. Ein auf eine gesetzwidrige tarifliche Regelung gerichteter Arbeitskampf ist nicht erlaubt (vgl. BAG, Urteil vom 10. Dezember 2002 - 1 AZR 96/02 -, BAGE 104, 155-174, Rn. 43).

    Unstreitig ergeben sich aus dem Streikaufruf im vorliegenden Fall rechtmäßige Streikziele insbesondere mit der Erhöhung der Entgelte 2023/2024. Aber auch das Streikziel des gemeinsamen Antrags auf Allgemeinverbindlicherklärung ist zulässig.

    bb. Das Streikziel ist nicht deshalb unzulässig, weil es sich um eine schuldrechtliche Verpflichtung der Tarifvertragsparteien handelt. Vielmehr geht, soweit erkennbar, die überwiegende Meinung in der Literatur davon aus, dass dies möglich ist und auch schuldrechtliche Vereinbarungen erkämpfbar sind, jedenfalls, wenn sie zum Bereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zählen (vgl. HWK/Hergenröder, Art. 9 GG, Rn. 280; BKS TVG/Wankel Teil 3 Rn. 24 ff.; Däubler ArbeitskampfR-HdB/Däubler § 13 Rn. 9 ff.; Däubler/Ahrendt § 1 Rn. 1128; Otto ArbeitskampfR § 5 Rn. 19 ff.; Münder RdA 2020, 340; Linsenmaier FS I. Schmidt, 2021, 297; ErfK/Linsenmaier, 25. Aufl. 2025, GG Art. 9 Rn. 114, beck-online, a.A. Höpfner, Schuldrechtliche Koaltionsvereinbarungen RdA 2020, 129 allerdings unter Verweis auf die weit verbreitete Gegenmeinung). Diese Auffassung ist nach Auffassung der Kammer auch vorzugswürdig: Das TVG stellt den schuldrechtlichen Teil gleichrangig neben den normativ wirkenden, ohne irgendwelche Andeutungen über unterschiedliche Arten des Zustandekommens zu machen. Ein Herausnehmen schuldrechtlicher Streikziele, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen umfassen, lässt sich nicht mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbaren: Dies würde darauf hinauslaufen, einen Teil der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen "streikfrei" zu stellen und so bei ihnen einen Ausgleich der beiderseitigen Interessen unmöglich zu machen. Hierin dürfte auch ein ungerechtfertigter Eingriff in die freie Wahl der Gestaltungsmittel liegen, die das Bundesarbeitsgicht ausdrücklich anerkannt hat (BAG v. 21.05.2014- 4 AZR 50/13, NZA 2015, 115 Rn. 31, beck-online) Die Koalitionen wären gezwungen, sich entweder des normativen Teils zu bedienen oder andere Gestaltungsformen wie die Zusage des Arbeitgebers zu wählen, die weniger Verbindlichkeit als eine schuldrechtliche Vereinbarung in einem Tarifvertrag mit sich bringen würden (Däubler, Arbeitskampfrecht, § 13 Zulässige und unzulässige Streikziele Rn. 10, beck-online).

    cc. Es handelt sich um ein zulässiges Streikziel iSd. Art. 9 Abs. 3 GG, da es sich um eine Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen handelt. Insbesondere steht dem nicht entgegen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung sich nicht nur auf eigene Mitglieder der tarifschließenden Parteien bezieht, wie die Klägerin meint. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in der Entscheidung vom 15.07.1980 - 1 BvR 2/74 ausgeführt, dass die Gestaltung von Tarifnormen, die auf eine Einbeziehung von Außenseitern angelegt ist, keine Überschreitung der verfassungsrechtlichen Befugnisse der Koalitionen darstellt (so auch: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Januar 2020 - 1 BvR 4/17 -, Rn. 13, juris). Zum einen erfüllten die Koalitionen mit der Schaffung von Tarifnormen, die der Allgemeinverbindlicherklärung zugänglich sind und deren allgemeine Geltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint (§ 5 Abs 1 Satz Nr 2 TVG in der aktuellen Fassung), in besonderem Maße die ihnen durch Art 9 Abs 3 GG zugewiesene öffentliche Aufgabe die Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen in eigener Verantwortung und im Wesentlichen ohne staatliche Einflussnahme zu gestalten (vgl BVerfGE 44, 322 (340); 50, 290 (367)). Zum anderen setzt die Verbindlichkeit für Außenseiter die staatliche Mitwirkung an der Normsetzung für die Außenseiter voraus (BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1980 - 1 BvR 24/74 -, BVerfGE 55, 7-28, Rn. 44). Die Überlegungen der Klägerseite, dass der Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung damit keine Regelung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen enthalte sondern sich nur auf diese beziehe, ist mit dieser Rechtsprechung nach Auffassung der Kammer nicht vereinbar.

    Die Streikforderung greift auch nicht unzulässig in die positive Koalitionsfreiheit der Klägerin ein. Wenn die Klägerin insoweit ausführt, das Streikziel AVE würde die Existenz der Koalitionen gefährden, da sie die Attraktivität der Tarifbindung reduziere, kann dieses Argument für jedes Streikziel angewendet werden. Jeder Tarifabschluss kann im Ergebnis die Attraktivität der Tarifbindung gefährden, da jedes Zugeständnis im Rahmen von Tarifverhandlungen zu einem Mitgliederverlust bei den Tarifparteien führen kann.

    dd. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 TVG. Insbesondere ergibt sich aus der geforderten gemeinsamen Erklärung nicht, dass diese nicht erstreikbar ist. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der Auslegung der Norm. Die Kammer verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Nürnberg in der Parallelentscheidung 7 SLa 213/24 vom 08.04.2025 und macht sich diese zu Eigen:

    Insbesondere das Argument der Beklagten, die Entscheidung, ob eine Allgemeinverbindlicherklärung erforderlich erscheine, müsse bei den Tarifvertragsparteien verbleiben, überzeugt insoweit nicht: Die Erforderlichkeit ist nach der gesetzlichen Regelung nicht Voraussetzung für die gemeinsame Antragstellung. Vielmehr steht es den Tarifvertragsparteien frei, aus welchen Gründen sie den Antrag stellen oder nicht stellen. Die Entscheidungsmacht über die Allgemeinverbindlicherklärung, obliegt schon aus verfassungsrechtlichen Gründen dem Staat und unterliegt dem Vorbehalt des öffentlichen Interesses (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Januar 2020 - 1 BvR 4/17 -, Rn. 15, juris). Aufgrund der erforderlichen gemeinsamen Antragstellung kann hier eine Tarifvertragspartei aus anderen möglicherweise sogar sachfremden Erwägungen den Antrag nicht stellen, obwohl eine Allgemeinverbindlichkeit iSd. § 5 Abs. 1 S. 2TVG im öffentlichen Interesse geboten wäre. Es ist nicht ersichtlich, dass die gesetzliche Regelung, die, wie ausgeführt, eine Stärkung der Tarifvertragsbindung bezweckt, diese Freiheit vor einer Einschränkung im Rahmen eines Streiks zu schützen beabsichtigt.

    c. Der Unterstützerstreik war auch nicht deshalb unzulässig, weil er unverhältnismäßig war. Gewerkschaftliche Streiks, die der Unterstützung eines in einem anderen räumlichen oder fachlichen Tarifgebiet geführten Hauptarbeitskampfs dienen, unterfallen der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit von Gewerkschaften. Ihre Zulässigkeit richtet sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie sind rechtswidrig, wenn sie zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfes offensichtlich ungeeignet, offensichtlich nicht erforderlich oder unangemessen sind (BAG, Urteil vom 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 -, BAGE 123, 134-152, Rn. 9). Zentraler und angemessener Maßstab für die Beurteilung der unterschiedlichen Erscheinungsformen des Arbeitskampfs ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn (BAG, Urteil vom 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 -, BAGE 123, 134-152, Rn. 22). Bei der Frage der Geeignetheit und der Erforderlichkeit kommt den einen Arbeitskampf führenden Koalitionen eine Einschätzungsprärogative zu. Sie haben einen Beurteilungsspielraum bei der Frage, ob eine Arbeitskampfmaßnahme geeignet ist, Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben und ob sie erforderlich ist. Die Einschätzungsprärogative ist Teil der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Freiheit in der Wahl der Arbeitskampfmittel. Sie betrifft grundsätzlich nicht nur die Frage, welches Kampfmittel eingesetzt wird, sondern auch, wem gegenüber dies geschieht (BAG 18. Februar 2003 - 1 AZR 142/02 - BAGE 105, 5, zu B I der Gründe; vgl. auch Bieback in Däubler Arbeitskampfrecht Rn. 382, 383; BAG, Urteil vom 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 -, BAGE 123, 134-152, Rn. 26). Dass die Beklagte sich vorliegend nicht innerhalb dieser Grenzen gehalten hat, ist nicht ersichtlich.

    Soweit die Klägerin die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne bestreitet, kommt der Beklagten dagegen keine Einschätzungsprärogative zu. Verhältnismäßig im engeren Sinn (proportional) ist ein Arbeitskampfmittel, das sich unter hinreichender Würdigung der grundrechtlich gewährleisteten Betätigungsfreiheit zur Erreichung des angestrebten Kampfziels unter Berücksichtigung der Rechtspositionen der von der Kampfmaßnahme unmittelbar oder mittelbar Betroffenen als angemessen darstellt (BAG, Urteil vom 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 -, BAGE 123, 134-152, Rn. 28). Dabei ist stets zu beachten, dass es gerade das Wesen einer Arbeitskampfmaßnahme ist, durch Zufügung wirtschaftlicher Nachteile Druck zur Erreichung eines legitimen Ziels auszuüben. Unverhältnismäßig ist ein Arbeitskampfmittel daher erst, wenn es sich auch unter Berücksichtigung dieses Zusammenhangs als unangemessene Beeinträchtigung gegenläufiger, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützter Rechtspositionen darstellt (BAG, Urteil vom 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 -, BAGE 123, 134-152, Rn. 28).

    Die Kammer geht vorliegend von der Angemessenheit des Unterstützungsstreiks aus. Die Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Der Umstand, dass der mit dem Unterstützungsstreik überzogene Arbeitgeber die im Hauptarbeitskampf von der Gewerkschaft verfolgte Forderung nicht selbst erfüllen oder in "seinem" Arbeitgeberverband auf die Erfüllung hinwirken kann, bedeutet nicht, dass der Unterstützungsstreik generell ungeeignet wäre, den Druck auf den sozialen Gegenspieler zu verstärken und den Hauptarbeitskampf zu beeinflussen (BAG, Urteil vom 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 -, BAGE 123, 134-152, Rn. 34). Hiervon kann aufgrund der Tatsache ausgegangen werden, dass die Klägerin wie die unmittelbar bestreikten Unternehmen zur R-Gruppe gehört. Die entsprechende Verbindung wird von der Klägerin auch nicht in Abrede gestellt. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schließt entgegen der Darstellung der Klägerin nicht aus, eine wirtschaftliche Nähe zu berücksichtigen. Das Gegenteil ist der Fall: Erhebliche Bedeutung kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dem Umstand zu, ob und in welcher Weise der mit dem Unterstützungsstreik überzogene Arbeitgeber mit dem oder den Adressaten des Hauptarbeitskampfs wirtschaftlich verflochten ist (vgl. schon BAG 20. Dezember 1963 - 1 AZR 157/63 - BAGE 15, 211, zu III 1 der Gründe; ferner 5. März 1985 - 1 AZR 468/83 - BAGE 48, 160, zu II 4 der Gründe; Birk S. 55 ff.; ErfK/Dieterich Art. 9 GG Rn. 116; Otto § 10 Rn. 45) . Solche Verflechtungen sind regelmäßig besonders ausgeprägt in Fällen, in denen der Hauptarbeitskampf und der Unterstützungsstreik Unternehmen desselben Konzerns betreffen (BAG, Urteil vom 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 -, BAGE 123, 134-152, Rn. 46).

    Schließlich steht auch nicht der Umfang des Unterstützerstreiks der Angemessenheit entgegen. Unangemessen kann ein Unterstützungsstreik dann sein, wenn der Schwerpunkt des gesamten Arbeitskampfs signifikant auf den Unterstützungsstreik verlagert wird und dieser seinen Charakter als Unterstützung eines ernsthaft geführten Hauptarbeitskampfs verliert. Grundsätzlich gehört es zum Modell einer funktionierenden Tarifautonomie, dass die Gewerkschaft ihre Kräfte im Tarifgebiet mobilisiert. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn der lediglich der Unterstützung dienende Unterstützungsstreik an die Stelle des Hauptarbeitskampfs träte (BAG, Urteil vom 19. Juni 2007 - 1 AZR 396/06 -, BAGE 123, 134-152, Rn. 49). Die Beklagte hat hier bei der Klägerin zu einem Unterstützerstreik von 24 Stunden aufgerufen im Rahmen einer längeren Tarifauseinandersetzung in mehreren konzernangehörigen Unternehmen, die sich über Monate hingezogen hat. Soweit die Klägerin als offensichtlich bezeichnet, dass die Gesamtdauer für die Verhältnismäßigkeit keine Relevanz hat, ist es das für die Kammer nicht. Es handelte sich bei dem Unterstützungsstreik nicht um einen lang andauernden oder quantitativ umfangreichen Streik. Dass der Streik an die Stelle eines nicht ernsthaft geführten Hauptarbeitskampfes getreten ist, der sich noch über längere Zeit gezogen hat, ist nicht ansatzweise ersichtlich. Das Arbeitsgericht F verkennt in seiner von der Klägerin angeführten Entscheidung vom 28.02.2012 - 9 Ga 25/12 - diesen Maßstab, wenn es davon spricht , dass der Unterstützerstreik das Gewicht des Hauptstreiks erreicht und insoweit auf die Auswirkungen des Streiks abstellt. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Unterstützerstreik an die Stelle des Hauptstreiks tritt, was hier nicht der Fall ist. Schließlich kann die Streikbeteiligungsquote für diese Frage nicht von Bedeutung sein, weil diese vorab kaum zuverlässig zu bestimmen sein dürfte. Auf die Anzahl der Auszahlungen kommt es insoweit auch nicht an. Ebenso wenig kann es auf den Schaden ankommen, da dieser durch Maßnahmen des Arbeitgebers in verschiedener Weise gesteuert oder auch verlagert werden kann. Die Rechtswidrigkeit eines Streiks aufgrund fehlender Verhältnismäßigkeit kann nicht durch Zufälligkeiten oder gar Maßnahmen des Streikgegners beeinflusst werden.

    d. Da eine Rechtsgutsverletzung nicht gegeben ist kam es auf die Frage des Verschuldens nicht an.

    e. Selbst wenn man einen Anspruch dem Grunde nach annehmen würde, wäre jedenfalls der von der Klägerin behauptete Schaden, sein Entstehen unterstellt, nicht zurechenbar. Der Umfang des Schadensersatzes bei rechtswidrigen Arbeitskampfmaßnahmen bestimmt sich nach den § 249 ff. BGB. Zu den allgemeinen Prinzipien des Schadensersatzrechts gehört auch der Grundsatz des rechtmäßigen Alternativverhaltens. Die weiteren Streikforderungen waren ohne Zweifel zulässig, so dass die Beklagte in jedem Fall zu einem zulässigen Streik hätte aufrufen können und dies nach ihrem Vortrag auch gemacht hätte. Ob die Reserveursache beachtlich ist und zu einer Entlastung des Schädigers führt, ist eine Wertungsfrage, die für verschiedene Fallgruppen durchaus unterschiedlich beantwortet wird (BGH v. 7.6.1988 - IX ZR 144/87; NJW 1988, 3265, beck-online).

    Soweit das Bundesarbeitsgericht den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens bei rechtswidrigen Streiks zurückgewiesen hat (s. BAG v. 26.07.2016- 1 AZR 160/14; NZA 2016, 1543 beck-online), gilt dies nach Auffassung der Kammer nicht für die vorliegende Konstellation. Die entschiedenen Fälle bezogen sich stets auf eine Rechtswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen die Friedenspflicht. Dies wird damit begründet, dass die Friedenspflicht darauf gerichtet sei, für die Dauer ihres Bestehens die Schädigung des Arbeitgebers durch einen Streik "als solchen" auszuschließen. Die Gewerkschaft könne daher nicht entlasten, dass ein von ihr getragener Streik ohne friedenspflichtverletzende Forderungen die (genau) gleichen Folgen gehabt hätte. Anderenfalls würde im Rahmen von Zurechnungserwägungen an die Stelle eines aus materiellen Gründen rechtswidrigen Streiks ein Streik mit anderem Inhalt und auf anderer Grundlage gesetzt (BAG v. 26.07.2016- 1 AZR 160/14 Rn. 72; NZA 2016, 1543 Rn. 72, beck-online).

    Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass rechtmäßiges Alternativverhalten grundsätzlich immer dazu führt, dass gedanklich an die Stelle einer rechtswidrigen eine rechtmäßige Handlung mit anderem Inhalt gesetzt wird (Hanau FS Prütting, 2018, 317 (322); Hanau 60 Jahre für ein faires Arbeitsrecht, 2022, S. 220). Dass dieser Einwand aber ausgeschlossen wird, mag für den Fall des Verstoßes gegen die Friedenspflicht anzunehmen sein, denn diese ist dem Tarifvertrag als Friedensordnung immanent und Gegenleistung der Gewerkschaft für die von der Arbeitgeberseite im Rahmen des Tarifvertrags gemachten Zugeständnisse (Rolfs, Haftung trotz hypothetisch rechtmäßigem Verhalten NZA 2025, 894, beck-online). Während der Friedenspflicht ist der Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberverband berechtigt, friedenspflichtwidrige Tarifforderungen rundheraus abzulehnen, ohne sich mit ihnen inhaltlich auseinandersetzen und einen Arbeitskampf befürchten zu müssen. Ein Arbeitskampf nach Ablauf der Friedenspflicht, bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber oder um andere Ziele hat aber einen völlig anderen Charakter (Rolfs, Haftung trotz hypothetisch rechtmäßigem Verhalten NZA 2025, 894, beck-online). Die besondere Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der tarifvertraglichen Friedenspflicht verlangt, dass sie strikt eingehalten wird. Im Hinblick darauf erscheint es nicht unangemessen, dem tarifbrüchigen Vertragspartner mit dem Bundesarbeitsgericht den Gesamtschaden im Fall einer Verletzung der Friedenspflicht zu überbürden, der sich im Gefolge eines Tarifbruchs einstellt. Die Verletzung des Tarifvertrages ist aber mit der Verletzung anderer Pflichten nicht ohne weiteres zu vergleichen (Wiedemann/Thüsing, 9. Aufl. 2023, TVG § 1 Rn. 941, beck-online). Insbesondere im Fall einer unzulässigen Streikforderung bei einem im Übrigen zulässigen Streik ist der Ausschluss des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens nach Auffassung der Kammer nicht geboten. Eine besondere Schutzbedürftigkeit ist hier nicht anzunehmen.

    2. Da der Hauptantrag unbegründet ist, fiel der Hilfsantrag zu Entscheidung an.

    Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB scheidet aber ebenfalls mangels Rechtsgutsverletzung aus.

    III. Als unterliegende Partei hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung zu tragen. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit entsprechend der Parallelentscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg - 7 SLa 213/24 - zuzulassen gemäß § 72 Abs. 1 ArbGG.

    Vorschriften