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  • 18.11.2015 · IWW-Abrufnummer 145821

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 13.10.2015 – 2 Sa 149/15


    In dem Rechtsstreit
    pp.
    hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 13.10.2015 durch die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter ... und ... als Beisitzer
    fürRechterkannt:

    Tenor:

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 16.04.2015 - 1 Ca 3132/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten über den Zeitpunkt der Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.



    Die Beklagte ist eine Rechtsanwaltskanzlei, die in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben wird. Gesellschafter sind Rechtsanwalt R. und Rechtsanwältin E.. Die Klägerin war dort seit dem 01.09.2014 auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom selben Tag (Anlage K 1, Bl. 6 ff. d. A.) als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte beschäftigt. Gemäß § 1 Ziffer 2. Satz 1 des Arbeitsvertrages gelten die ersten drei Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit. Der Bruttomonatsverdienst der Klägerin betrug bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden 1.560,00 EUR. Der Arbeitsvertrag der Klägerin ist auf Seiten der Arbeitgeberin unterzeichnet durch Herrn Rechtsanwalt R..



    Mit Schreiben vom 30.11.2014 (Anlage K 2, Bl. 8 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 15.12.2014, hilfsweise zum 31.12.2014. Strittig ist, wann das Kündigungsschreiben zugegangen ist.



    Gegen die Kündigung hat die Klägerin sich mit Klage vom 19.12.2014 (Bl. 2 ff. d. A.) gewehrt. Sie hat vorgetragen, sie habe die Kündigung am 03.12.2014 erhalten. Die Kündigung könne das Arbeitsverhältnis frühestens mit Ablauf des 31.12.2014 beenden.



    Die Beklagte hat vorgetragen, die Kündigungserklärung sei der Klägerin am 30.11.2014 durch die Zeugin K. Th. gegen 9:30 Uhr in den Hausbriefkasten an der Hausanschrift der Klägerin eingeworfen worden. Damit sei die Kündigung am 30.11.2014 zugegangen, da Kündigungen auch an einem Sonntag zugehen können und insoweit § 193 BGB unanwendbar sei.



    Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 16.04.2015, auf das sie hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens sowie der Begründung verwiesen wird, festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 15.12.2014 hinaus bis zum 31.12.2014 fortbestanden hat und die weitergehende Klage abgewiesen. Dieses Urteil ist der Beklagten am 28.04.2015 zugestellt worden. Sie hat hier gegen am 15.05.2015 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung am 24.07.2015 begründet.



    Die Beklagte trägt vor, das Arbeitsgericht sei irrig davon ausgegangen, dass die Kündigung unter Annahme gewöhnlicher Verhältnisse nicht am Sonntag habe zugehen können. Die Kündigung sei nicht durch einen Zustelldienst wie Post, sondern durch einen Boten, zugestellt worden. Die Klägerin habe auch mit einer Kündigung am Sonntag, nämlich dem letzten Tag der Probezeit, rechnen müssen. Rechtsanwalt R. arbeite gewöhnlich auch an Sonntagen im Büro. Das habe die Klägerin auch nicht bestritten. Die Klägerin habe auch deshalb mit dem Zugang von Sendungen rechnen müssen, da die Haushalte im Kreis Stormarn regelmäßig über die Briefkästen mit so genannten Wochenblättern versorgt werden. Deren Verteilung erfolge regelmäßig an Samstagen und Sonntagen. Daher sei es üblich, Briefkästen auch an den Wochenenden zu sichten und zu leeren. Die Zeugin Th. sei daher zu vernehmen.



    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 16.04.2015 - 1 CA 3132/14 - abzuändern und die Klage abzuweisen.



    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.



    Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt weiter vor, ihr sei, entgegen der Darstellung der Beklagte, nicht bewusst gewesen, dass eine Kündigung drohe. Die jetzt erhobenen Vorwürfe träfen nicht zu. Es sei auch nicht generell davon auszugehen, dass einem Arbeitnehmer bewusst sei, wann die Probezeit ende. Zudem hätte gerade bei einer Kündigung durch eine Anwaltskanzlei erwartet werden können, dass diese Kündigung ordnungsgemäß innerhalb der Frist erfolge. Dies wäre durch einen rechtzeitig mit der Post versandten Brief oder durch Überbringung mit Boten und direkte Übergabe möglich gewesen.



    Es komme nicht darauf an, ob die Klägerin gewusst habe, dass Rechtsanwalt R. regelmäßig am Sonntag arbeite. Im Büro der Beklagten sei es üblich, dass am Freitag alle Fristen, die am Wochenende ablaufen, abgearbeitet werden.



    Sonntags erfolge keine Postzustellung. Das Wochenblatt "Markt" werde bei ihr an einem Samstag zugestellt. Hierauf komme es aber nicht an, da sie nicht mit einer Zustellung am Sonntag habe rechnen müssen.



    Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen sowie Erklärungen zu Protokoll, verwiesen.



    Entscheidungsgründe



    Die Berufung ist zwar zulässig, hat jedoch in der Sache nicht Erfolg. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.



    Die Angriffe der Berufung führen nicht zu einer anderen Beurteilung. Lediglich ergänzend wird ausgeführt:



    Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch Kündigung innerhalb der bis zum 30.11.2014 vereinbarten Probezeit, § 622 Abs. 3 BGB, mit Ablauf des 15.12.2014 beendet worden. Vielmehr endete sie durch ordentliche Kündigung mit Ablauf des 31.12.2014, § 622 Abs. 1 BGB.



    Die Kündigung ist der Klägerin erst am folgenden Montag, 01.12.2014, jedenfalls aber am 03.12.2014 zugegangen. Damit wird die Kündigungsfrist von 4 Wochen zum Monatsende, 31.12.2014, eingehalten.



    Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob das Kündigungsschreiben bereits am 30.11.2014 im Hausbriefkasten der Klägerin lag. Denn am 30.11.2014, einem Sonntag, musste die Klägerin nicht mit dem Zugang von Postzustellungen rechnen.



    Die Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung entfaltet ihre Wirkung erst mit Zugang beim Empfänger, d.h. der Klägerin, § 130 Abs. 1 BGB. Zugegangen ist die Kündigungserklärung, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser sich unter normalen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis verschaffen kann und wenn die Kenntnisnahme nach den Gepflogenheiten des Verkehrs von ihm erwartet werden muss (statt vieler: LAG München vom 17.12.2002 - 6 Sa 197/02 - [...]). Wird das Kündigungsschreiben in den Briefkasten zu einer Tageszeit eingeworfen, bei der eine Briefkastennachschau verkehrsüblich nicht mehr zu erwarten ist, geht die Kündigungserklärung erst am nächsten Werktag zu (Rolfs in Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 9.A., Arbeitsgerichtsverfahren, Typische Klageziele, Rn. 33).



    Eine Briefkastennachschau an einem Sonntag ist, selbst wenn am Wochenende im Kreis Stormarn sog. Wochenblätter verteilt werden sollten, verkehrsüblich nicht mehr zu erwarten. Der Einwurf von Wochenblättern ist nicht mit dem Zugang von Briefsendungen gleichzusetzen.



    Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BAG vom 13.10.1976 (5 AZR 510/75 - DB 1977, 546) führt hier nicht weiter. Der dort entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Der zitierte Fall behandelt den Zugang von Willenserklärungen in einem Geschäftsbetrieb - Hotel - an den angestellten Leiter durch Übergabe an den Buchhalter. Zustellungen im Geschäftsbetrieb sind mit dem Zugang in privaten Wohnungen nicht gleichzusetzen. Anders als der Bewohner eines Hauses hält der Inhaber eines Geschäftsbetriebs eine Organisation vor, die u.a. sicherstellt, dass eingehende Briefsendungen bearbeitet werden können. Dabei ist, wie in dem zitierten Fall, zu berücksichtigen, dass ein Hotel typischerweise auch an einem Wochenende betrieben wird.



    Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin treuwidrig den Zugang vereitelt hätte, sind nicht gegeben. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin sich bewusst sein musste, dass die Probezeit am 30.11.2015 endete, zumal, wie die Befragung des Beklagtenvertreters in der Berufungsverhandlung ergab, offenbar vor der Erkrankung der Klägerin Beanstandungen nicht geäußert worden waren.



    Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.



    Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

    Verkündet am 13.10.2015

    Vorschriften§ 193 BGB, § 622 Abs. 3 BGB, § 622 Abs. 1 BGB, § 130 Abs. 1 BGB, § 97 ZPO