· Fachbeitrag · Sonderthema: Personenbedingte Kündigung
Kündigung wegen Sicherheitsbedenken
| Gelegentlich möchten ArbG ihr Arbeitsverhältnis mit einem ArbN beenden, weil sie gegen dessen Person Sicherheitsbedenken haben, ohne dass jedoch konkrete Verdachtsmomente oder gar konkrete Hinweise auf vertragswidrige Verletzung der Integrität des Beschäftigungsunternehmens vorliegen, die ggf. eine verhaltensbedingte Kündigung oder zumindest eine Verdachtskündigung begründen könnten. Diese ArbG werden dann eine personenbedingte „Kündigung wegen Sicherheitsbedenken“ in Erwägung ziehen. Der Beitrag zeigt, worauf dabei geachtet werden muss. |
1. Begriff der „Sicherheitsbedenken“
Der Begriff der „Sicherheitsbedenken“ wird in der Praxis eher schlagwortartig ohne nähere Definition verwandt. Das erschwert eine Auseinandersetzung mit dieser Kündigungskategorie. Man könnte den Begriff wohl näher umschreiben mit „Sabotageverdacht“, Verdacht des Verrats oder Missbrauchs von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen zu eigenem und/oder fremden Nutzen. Auch die Weitergabe von Geschäfts- oder Produktionsdaten zum Zwecke der Produktpiraterie („Wirtschaftsspionage“) zählt hierzu. Dabei ist zu differenzieren, ob die „Sicherheitsbedenken“ im öffentlichen Dienst, z.B. beim Verteidigungsministerium, bei dem besondere Sicherheitsvorschriften gelten, oder in der Privatwirtschaft bestehen. Dies macht deutlich, dass es sich um einen die verschiedensten Fallgestaltungen umfassenden Blankettbegriff handelt. Betroffen ist aber immer ein besonderes Interesse des ArbG, sich von als „gefährlich“ eingestuften Mitarbeitern zu trennen.
2. Einführung der „Sicherheitsbedenken“ in den Prozess
In der Beratungspraxis muss darauf hingewiesen werden, dass die prozessualen Hürden für eine solche Kündigung außerordentlich hoch liegen. Es gibt wenig Rechtsprechung zu dieser Fallgestaltung, weil die praktische Durchsetzung einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken außerordentlich schwierig ist. Im Prozess genügt keinesfalls der bloße Hinweis des ArbG darauf, man befürchte, dass ein bestimmter ArbN erhebliche Sicherheitsinteressen des Unternehmens verletzen könnte. Der ArbG muss seine Befürchtungen vielmehr durch konkrete Tatsachen nachvollziehbar begründen. Das ist i.d.R. problematisch, weil dem ArbN meist schädigende Handlungen gerade nicht nachzuweisen sind. Deswegen muss sich eine solche Kündigung auf Umstände in der Person des betreffenden ArbN stützen, die die Gefahr schädigender Handlungen gleichsam indizieren. Diese verobjektivierten Sicherheitsbedenken stellen ggf. einen kündigungsrelvanten Eignungsmangel dar.
Eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken kann daher nur personenbedingt sein. Lassen sich dem ArbN betriebsschädigende Handlungen nachweisen, ist die Grenze zur verhaltensbedingten Tatkündigung und damit zu einer anderen Kündigungskategorie bereits überschritten.
Checkliste / Einzelfälle aus der Praxis |
Die bislang entschiedenen Fälle sind durchweg Einzelfälle, die sich nur schwer verallgemeinern lassen. Sie betreffen u.a. folgende Fallgestaltungen:
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3. Grundsätze einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken
Auch wenn maßgebliche Interessen der Unternehmens- und Betriebsführung des ArbG betroffen sind, können allein subjektiv begründete Befürchtungen kündigungsrechtlich nicht hinreichend sein. Erforderlich ist die Darlegung von Tatsachen, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als unmöglich oder zumindest als unzumutbar erscheinen lassen. Subjektive Beweggründe können deshalb Kündigungen nicht begründen.
Auch die Verdachtskündigung, die einen deutlichen subjektiven Einschlag hat, setzt die Darlegung hinreichender Tatsachen voraus, die die Begründetheit des Verdachts auch für das Arbeitsgericht nachvollziehbar erscheinen lassen. Es ist folgerichtig, dass der ArbG die Tatsachen, auf die er seine Sicherheitsbedenken stützt, substanziiert und objektiv nachvollziehbar darlegen und ggf. unter Beweis stellen muss. Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist als personenbedingte Kündigung nur in Ausnahmefällen zulässig.
4. Bedenken führen zu einer verschärften Sicherheitskontrolle
Subjektive Sicherheitsbedenken des ArbG bleiben in der Praxis natürlich nicht ohne Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis. ArbG, die aufgrund bestimmter Umstände befürchten, dass ein ArbN ihre Vermögens- oder sonstigen Interessen gefährden oder verletzen könnte, werden die Aktivitäten des betreffenden ArbN regelmäßig intensiver beobachten, als dies normalerweise der Fall ist. Insofern können auch subjektive Sicherheitsbedenken gleichsam indirekt kündigungsrechtliche Relevanz erlangen. Eine Kündigung verspricht jedoch erst Erfolg, wenn ansatzweise Tatsachen dargelegt werden können, die eine Vermögens- oder sonstige Interessengefährdung als konkret möglich erscheinen lassen.
5. Beteiligung des Betriebsrats
Erforderlich ist zudem die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebs- oder Personalrats nach § 102 BetrVG bzw. § 79 Abs. 1 BPersVG und den Personalvertretungsgesetzen der Länder. Der ArbG darf sich dabei nicht auf die Mitteilung beschränken, dass eine Kündigung „wegen Sicherheitsbedenken“ beabsichtig sei. Vielmehr müssen alle tatsächlichen Umstände, aus denen er seine Sicherheitsbedenken herleitet, mitgeteilt werden. Insoweit entspricht die Mitteilungspflicht des ArbG im Wesentlichen seiner Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess.
PRAXISHINWEIS | Eine nur schlagwortartige Unterrichtung genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebs- bzw. Personalrats nicht. Der ArbG muss dem Betriebs- bzw. Personalrat insoweit „greifbare Tatsachen“ vortragen. Kommt der ArbG dieser substanziierten Unterrichtungspflicht nicht nach, ist die Kündigung schon wegen mangelhafter Beteiligung des Betriebs- bzw. Personalrats unwirksam (instruktiv LAG Köln PersR 96, 166; BAG 21.3.96, 2 AZR 479/95, Abruf-Nr. 071926). |
6. Darlegungs- und Beweislast
Der ArbG kann sich bei einer Kündigung nicht darauf beschränken, seine subjektiven Sicherheitsbedenken geltend zu machen. Ihm obliegt es vielmehr, konkrete Tatsachen darzulegen, aus denen solche Sicherheitsbedenken hergeleitet werden könnten. Er muss die Prognosegrundlage dafür liefern, dass eine Schädigungshandlung des ArbN mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
Dann muss das Arbeitsgericht auf der Grundlage des vom ArbG vorgetragenen Sachverhalts entscheiden, ob die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken sozial gerechtfertigt ist oder nicht (BAG 21.3.96, 2 AZR 479/95, Abruf-Nr. 071926). Rein subjektive Befürchtungen des ArbG genügen in keinem Fall, die Kündigung zu rechtfertigen. Dreh- und Angelpunkt der gerichtlichen Beurteilung ist das Beweismaß, das das Gericht vom ArbG fordert. Als Anhaltspunkt kann u.a. die Höhe des zu befürchtenden Schadens dienen: Je höher er ist, umso niedriger dürfte die Schwelle des erforderlichen Beweismaßes sein.
Checkliste / Kündigung wegen Sicherheitsbedenken |
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Weiterführende Hinweise
- Im nächsten Beitrag zum Sonderthema „Personenbedingte Kündigung“ beleuchten wir den Aspekt des Wegfalls der Sozialversicherungsfreiheit.
- Mit dem nächsten Beitrag endet das Sonderthema „Personenbedingte Kündigung“. Im Newsletter MK Mietrecht kompakt bereiten wir im Anschluss hieran das Sonderthema „Kündigung des Mietverhältnisses“ auf. Wir würden uns freuen, wenn Sie sich bei Interesse auch für diesen IWW Newsletter anmelden würden (mk.iww.de).