15.06.2007 · IWW-Abrufnummer 071928
Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 14.01.1998 – 3 Sa 1087/97
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
verkündet am 14.01.1998
Geschäfts-Nr.: 3 Sa 1087/97
2 Ca 2387/96 ArbG Bielefeld
Landesarbeitsgericht Hamm
Im Namen des Volkes
Urteil
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
auf die mündliche Verhandlung vom 14.01.1998
XXX
f ü r R e c h t e r k a n n t :
Die Berufung der Beklagten gegen das am 19.02.1997 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld - 2 Ca 2387/96 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
T a t b e s t a n d
Mit der beim Arbeitsgericht Bielefeld am 19.07.1996 eingereichten Klage wendet sich der Kläger gegen eine ihm gegenüber von der Beklagten am 12.07.1996 ausgesprochene fristlose Kündigung.
Die beklagte Großbank mit Sitz im F............ betreibt u.a. Filialen in B............, G............. und V..... Der am 24.04.1949 geborene, verheiratete Kläger, der einen 14jährigen Sohn hat (Stand: Juli 1996), ist bei der Beklagten ab 01.12.1966 tätig. Während seiner Beschäftigung in der Filiale B............ für die Beklagte wurde der Kläger Mitte 1990 als Leiter der Filiale W........../U........... in die neuen Länder entsandt. Dort wurde er 1991 zum Prokuristen ernannt. Nachdem seine Familie nach U........... umgezogen und der Kläger dort einen Hausstand gegründet hatte, beorderte ihn die Beklagte im Juni 1992 zurück in die Filiale B....-......... Von der Belegschaft in B............ wurde er 1994 zum 1. Ersatzmitglied des dortigen Betriebsrates gewählt, wodurch er vor dem 01.10.1995 wegen des Ausscheidens eines ordentlichen Mitglieds (Ruhestand) an dessen Stelle in den Betriebsrat nachrückte. Ab 01.10.1995 übernahm der Kläger die Leitung der Filiale V.... der Beklagten, deren vier Beschäftigte u.a. mit der Filiale G............... einen eigenen Betriebsrat 1994 neben dem in B...-......... gewählt haben, dessen Wahl nicht angefochten worden ist. Für seine Leitungstätigkeit in V.... erhielt der Kläger zuletzt ein Jahresgehalt von 130.000,00 DM brutto.
Seit Mai 1993 wuchsen die finanziellen Verpflichtungen des Klägers bei der Beklagten. Während diese im Mai 1993 noch 264.000,00 DM (Hauskredit 237.000,00 DM, Effektenvorschuß 5.000,00 DM, Dispositionskredit 22.000,00 DM) ausmachten, stiegen sie bis Juli 1996 auf 424.000,00 DM (Hauskredit 213.000,00 DM, Effektenvorschuß 5.000,00 DM, Dispositionskredit 74.000,00 DM, Darlehen 130.000,00 DM). Über die Zurückführung der Kredite führten die Parteien Gespräche. So lautet eine Gesprächsnotiz vom 08.11.1994 des Personalleiters und Justitiars E....... der Filiale B............ über ein Gespräch mit dem Kläger am 04.11.1994:
?Unterredung mit Herrn W...... am 04.11.1994
Die private Situation von Herrn W...... hat sich inzwischen noch mehr zugespitzt. Nach einem kurzen Aufenthalt in B............ ist seine Frau wieder zur Insel U........... zurückgekehrt. Der Sohn ist beim Vater geblieben und besucht in B............ ein Gymnasium.
Herr W...... lebt in der Vorstellung, seine Ehe retten zu können und hat daher zunächst die Kosten der doppelten Haushaltsführung weiter gezahlt. Der Sollsaldo auf dem lfd. Konto ist daher ca. auf DM 120.000,-- angestiegen.
Den Maklern E.............. und Partner hat er den Auftrag gegeben, das Haus auf U........... zu verkaufen. Der Schätzwert beläuft sich auf TDM 442. Die Erbengemeinschaft, an der Herr W...... zu 1/3 beteiligt ist. würde einen Verkaufserlös von DM 400.000,-- akzeptieren. Dadurch könnten die kurzfristigen Verbindlichkeiten abgelöst werden.
Darüber hinaus sucht Herr W...... in B............ ein kleineres Domizil für seine Familie (u.U. nur für sich und seinen Sohn). Sein Haus in S........ I kann er zum Preis von DM 490.00,-- verkaufen (HFA ca. DM 230.000,--).
Ich habe Herrn W...... dringend geraten, seine privaten Verhältnisse zu ordnen, da seine lfd. Einnahmen seit zwei Jahren nicht mehr ausreichen, den Lebensstandard zu finanzieren. Das geschaffene Vermögen reduziert sich rapide.?
Am 01. oder 02.07.1996 erfuhr - nach der Behauptung der Beklagten - Herr E....... von der das Dispositionskonto des Klägers führende Angestellten M...... der Beklagten, daß Schecks des Klägers in den Spielbanken in H.............. und B..... O................. begeben worden waren. Der Kläger stritt in einem Gespräch mit Herrn E....... am 03.07.1996 den Besuch in Spielkasinos ab mit der Begründung, er habe die Schecks nur ausgestellt und einem Bekannten gegeben. Ein weiteres Gespräch, das drei Angestellte mit dem Kläger am 04.07.1996 führten, endete mit der sofortigen Suspendierung des Klägers. Die Gesprächsnotiz darüber lautet:
?Gespräch mit Herrn W...... am 04.07.1996 um 16:00 Uhr i. Hse. Fil. B............
Teilnehmer: Herr von W............., zeitweise Herr Dr. P..... und Unterzeichner
Nach gemeinsamer Beratung (Herren Hahn, R..........., Dr. P..... und Unterzeichner) sollte ein weiterer Versuch unternommen werden, im Gespräch mit Herrn W...... die Situation und die Entwicklung zu plausibilisieren.
Herr W...... eröffnete das Gespräch mit der direkten Frage nach dem Sinn und Zweck dieser Zusammenkunft und ob es denn bereits eine Entscheidung gäbe, die man ihm zum Schluß verkünden wolle. Er hebe Herrn E....... am Vortag bereits erklärt, er sei nicht in der Spielbank gewesen.
Wir haben erläutert, daß die Kontoentwicklung und die Art der Umsätze viele Fragen aufwerfen, ferner sich uns das ergebende Gesamtbild so eindeutig präsentiere, da ß es schon weiterer Informationen bedürfe, um ihm seine Version abnehmen zu können.
Herr W...... wollte ganz offensichtlich zur Sache keine Aussage ma-chen und entgegnete, daß er sich uns unterlegen fühle und wohl Unterstützung durch einen Rechtsbeistand benötige.
Auf unsere Frage, daß es ungewöhnlich sei, wenn Mitarbeiter auf Fragen von Vorgesetzten mit einem Anwalt reagieren und er ja auch die Möglichkeit habe, ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen, nahm er diesen Gedanken auf und man verständigte sich darauf, für den 05.07. einen neuen Termin zu vereinbaren, da man zu dem Zeitpunkt niemanden mehr hätte hinzuziehen können.
Unter Würdigung der Gesamtumstände teilte Herr von W............. Herrn W...... mit, daß unabhängig vom geplanten nächsten Gesprächstermin er zunächst mit sofortiger Wirkung suspendiert sei.
Herr W...... reagierte sehr direkt. Der Zeitpunkt sei gekommen, daß er nun doch einen Rechtsbeistand benötige.
Unsere Frage, ob das für den 05.07. geplante Gespräch stattfinden wird, verneinte er.
Herr W...... bat darum, ihm die Suspendierung schriftlich zu bestätigen.?
In einem dritten Gespräch am 09.07.1996 gab der Kläger Besuche in den beiden Spielbanken seit 1995 zu. Unter dem 09.07.1996 schrieb daraufhin die Beklagte dem Betriebsrat der Filiale G...............:
?An den
Betriebsrat
der Filiale G...............
Postfach .. ..
........... G...............
Außerordentliche Kündigung des Herrn H....-J........ W......, C....-Z.....-Str. .., ....... B............
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit geben wir Ihnen davon Kenntnis, daß wir beabsichtigen, das mit Herrn H....-J........ W...... bestehende Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen.
Die Kündigung wird aus wichtigem Grund nach § 626 BGB erfolgen, weil Herr W...... Kreditmittel der Bank in erheblichem Umfang in Spielbanken (H............../B..... O.................) ausgegeben hat, um sich aus seiner finanziellen Notlage zu befreien.
Herrn W...... stand auf seinem laufenden Konto ein Kreditrahmen von DM 15.000,-- zur Verfügung. Per 03.07. weist das genannte Konto jedoch einen Sollsaldo von DM 74.466,-- auf. Herr W...... hat die Verfügungen in diesem Umfange letztlich mit seinem erhöhten Mittelbedarf für die doppelte Haushaltsführung (U.........../B............) sowie mit bestehenden Eheproblemen begründet. Die Kreditmittel standen ihm deshalb ausschließlich zur Finanzierung notwendiger Anschaffungen für Familie, Hausstand sowie auf die doppelte Haushaltsführung zurückzuführende erhöhte Lebenshaltungskosten zur Verfügung. Wie wir erst jetzt erfahren haben, hat er diese Gelder jedoch entgegen der vorgenannten Zweckbindung in erheblichem Umfange in Spielbanken eingesetzt, um seine finanzielle Situation zu verbessern. Damit hat er das ihm von der Bank entgegengebrachte Vertrauen in schwerster Weise verletzt, so daß uns ein weiteres Festhalten an dem bestehenden Arbeitsverhältnis nicht zugemutet werden kann und die außerordentliche Kündigung begründet ist.
Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil sich Herr W...... bis zu sei-ner Ablösung am 04.07.1996 in einer Vertrauensstellung befand, in der er nach den ihm eingeräumten Zuständigkeiten unser Haus mit erheblichen finanziellen Folgen verpflichten konnte und tatsächliche Zugriffsmöglichkeiten auf wesentliche Teile des Bankvermögens hatte.
Herr W...... hat mit der vorbeschriebenen Handlungsweise gezeigt, daß er aufgrund seiner finanziellen Notlage bereit ist, ihm allenfalls zur Bestreitung des Lebensunterhalts seiner Familie überlassene Mittel durch risikoreiche Spielbankgeschäfte einer unvertretbar hohen Gefährdung auszusetzen. Aufgrund dieser Tatsache ist nicht auszuschließen, daß er - ohne seine Ablösung - möglicherweise weitere, das Bankvermögen gefährdende Handlungen vorgenommen hätte, um sich aus seiner Verschuldung herauszuhelfen.
Schließlich müssen wir aufgrund unserer bisherigen Feststellungen annehmen, daß Herr W...... in mehreren Fällen Beträge bis zu DM 4.000,-- per Eurocard unter Inkaufnahme hoher Auszahlungsgebühren abgehoben hat, um sich durch die sofortige Einzahlung dieser Mittel auf seinem laufenden Konto einen zusätzlichen Kreditspielraum für ca. 1 Monat zu verschaffen; denn die Belastung des Kontos erfolgte erst nach Ablauf von ca. 1 Monat im Zuge der üblichen Eurocard-Abrechnung. Auch hierdurch hat Herr W...... der Bank unter
Vorspiegelung falscher Tatsachen seine Vermögenslage positiver dargestellt als sie in Wirklichkeit war und damit unser Haus getäuscht.
Die Spielbankbesuche und die dabei erlittenen erheblichen Verluste hat Herr W...... erst im Verlaufe einer heutigen Unterredung (09.07.) eingeräumt, nachdem er diese Tatsachen in zwei zuvor geführten Gesprächen (03.07. und 04.07) in Abrede gestellt hatte.
Zu weiteren Erläuterungen stehen wir jederzeit gern zur Verfügung.?
Der Betriebsrat antwortete der Beklagten unter dem 11.07.1996:
?Außerordentliche Kündigung des Herrn H.....-J...... W......
Ihr Schreiben vom 09.07.1996
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit teilen wir Ihnen nachstehend unsere Bedenken gegen die von Ihnen beabsichtigte fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Herrn H....-J....... W...... mit.
Nach der von Ihnen genannten Begründung halten wir eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses für unangemessen. Trotz der schwierigen finanziellen Situation des Herrn W...... ist der Bank durch sein Verhalten kein Schaden entstanden. Nach unserer Meinung haben Sie durch Tolerierung der Überziehung von immerhin ca. TDM 60 über einen längeren Zeitraum bei einem Limit von lediglich TDM 15 zu dieser Situation beigetragen.
Herr W...... hat gegenüber dem Rechtsunterzeichner überzeugend geäußert, daß er gewillt ist, alles zu unternehmen, um seine Verbindlichkeiten zu reduzieren. Erste Schritte wurden von ihm angabegemäß bereits eingeleitet, in dem er einen Makler mit dem Verkauf seines Wohnhauses beauftragt hat. Wir bitten Sie, Herrn W...... in Diensten der D............... B....... eine Chance zu geben, seine finanzielle Lage zu verbessern. Vor diesem Hintergrund weisen wir auf seine 30-jährige Betriebszugehörigkeit hin, in der er sich um Wohle der Bank eingesetzt hat.
Auch wenn durch Ihre - nach unserer Meinung voreiligen - Freistellung und der entsprechend an die Kunden der Filiale V.... gegebenen Informationen eine Rückkehr des Herrn W...... als Filialleiter nach V.... sehr schwierig sein dürfte, gibt es sicherlich genügend Möglichkeiten für einen Einsatz des Herrn W...... in der D............... B......., innerhalb dessen er seinen Willen zur Verbesserung seiner finanziellen Situation unter Beweis stellen können.
Aus den v.g. Gründen können wir eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Herrn W...... nicht gutheißen.?
Mit Schreiben vom 12.07.1996, das dem Kläger an demselben Tage durch Boten zugestellt wurde, kündigte ihm die Beklagte fristlos.
Der Kläger meint, die Kündigung sei mangels Anhörung des richtigen Betriebsrates unwirksam, da der Betriebsrat in B............ die Zustimmung gemäß § 103 BetrVG zu der Kündigung hätte erteilen müssen. Der Kläger hat behauptet, bei ihm bestehe keine Spielsucht. Nach der Freistellung habe er keine Spielkasinos mehr aufgesucht. Er habe nur einige Male die beiden Spielbanken besucht und an deren Automaten mit Hartgeld gespielt. Verschwiegen habe die Beklagte auch gegenüber dem Betriebsrat, daß er hohe Bargeldeinzahlungen auf sein Konto getätigt habe, z.B. 1993 12.900,00 DM, 1994 82.600,00 DM, 1995 118.200,00 DM und 1996 81.450,00 DM. Er sei nicht überschuldet. Den Verbindlichkeiten ständen Sicherheiten durch seine Liegenschaften gegenüber. Die Beklagte habe die Kreditmittel an ihn ohne jede Zweckbindung gegeben. Auch seien dem Betriebsrat seine mitgeteilten Sozialdaten unbekannt. Die von V.... weit entfernten Spielbanken habe er nur privat aufgesucht, ohne daß dies in V.... bekannt geworden sei.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 12.07.1996 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, wie sie nach Abschluß des Anhörungsverfahrens und der Kündigung festgestellt habe, habe der Kläger 1993 die beiden Kasinos 10mal, 1994 44mal, 1995 29mal und 1996 bis Juni 22mal besucht. Dabei habe er insgesamt 419 Schecks mit dem Gesamtbetrag von 167.600,00 DM begeben. Sicherheitsbedenken folgten daraus, weil er als Filialleiter die Kreditkompetenz von 200.000,00 DM gehabt habe. Ein Bankangestellter müsse geordnete Vermögensverhältnisse haben, wie sich aus den Ergänzungsbestimmungen Ziffer 13 zum Anstellungsvertrage mit dem Kläger ergebe.
Ziffer 13 Abs. 2 dieser Ergänzungsbestimmungen lautet:
?Eine auf schuldhaftes Verhalten zurückzuführende Überschuldung des Angestellten gilt als wichtiger Grund zur Auflösung des Angestelltenverhältnisses und berechtigt die Bank zur außerordentlichen Kündigung.?
Durch Urteil vom 19.02.1997 hat das Arbeitsgericht entsprechend dem Antrage des Klägers entschieden. Das Arbeitsgericht hat dazu u.a. ausgeführt, die Klage sei begründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien sei durch die außerordentliche Kündigung vom 12.07.1996 nicht aufgelöst worden. Die Beklagte berufe sich im Anhörungsschreiben vom 09.07.1996 auf folgende Kündigungsgründe:
1. Ausgeben von Kreditmitteln in erheblichem Umfang in Spielbanken, um sich aus einer finanziellen Notlage zu befreien
2. Ausgeben der Kreditmittel unter Verstoß gegen eine Zweckbindung
3. Ungeeignet für Vertrauensstellung wegen Zugriffsmöglichkeit auf wesentliche Teile des Bankvermögens (Sicherheitsbedenken)
4. Einzahlung von Eurocard-Beträgen zur Täuschung.
5. anfängliches Leugnen der Spielbankbesuche
Nur diese Kündigungsgründe könnten hier von Belang sein. Es fehle dafür jedoch an einem wichtigen Grund nach § 626 Abs. 2 BGB bzw. an einer hinreichenden Betriebsratsanhörung.
Auf die Kündigungsgründe zu 1., 3. und 4. könne die Beklagte sich nicht erfolgreich berufen, weil sie den Betriebsrat insoweit nicht ordnungsgemäß angehört habe. Dahinstehen könne, ob der für den Kläger zuständige Betriebsrat angerufen worden sei.
Eine Kündigung sei nicht nur dann unwirksam gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, wenn eine Anhörung des Betriebsrats zu der beabsichtigten Kündigung überhaupt nicht erfolgt, sondern auch dann, wenn die Anhörung des Betriebsrates nicht ordnungsgemäß sei. Das entspreche im Grundsatz der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur. Von der Beklagten seien nicht einmal die wesentlichen Sozialdaten des Klägers dem Betriebsrat vorgetragen worden. Bereits deswegen erscheine die Betriebsratsanhörung - sogar im Hinblick auf alle angeführten Kündigungsgründe - als unzureichend.
Im Zeitpunkt der Einleitung des Anhörungsverfahrens sei der Beklagten aufgrund einer damals nur stichprobenartigen Überprüfung der Ausgabenseite des in der Personalabteilung geführten Kontos des Klägers bekannt gewesen, daß er bestimmte, dem Gericht nicht nach Zeitpunkt, Art und Umfang konkret bezeichnete Ausgaben in Spielbanken getätigt habe. Hierauf habe die Beklagte im damaligen Zeitpunkt geschlußfolgert, daß tatsächlich im erheblichen Umfange aus jenen, dem Kläger gewährten Kredit, Gelder in Spielbanken verspielt worden seien. Erst nach Erklärung der Kündigung seien der Beklagten aufgrund umfangreicher, gründlicher Recherchen der tatsächliche Umfang der Spielbankbesuche, der in Spielbank begebenen Schecks und der Abhebungen an spielbanknahen EC-Automaten bekannt geworden. Im Schriftsatz vom 05.12.1996 trage die Beklagte dazu vor, hier sei die genaue Höhe der in Spielkasinos eingesetzten Mittel sowie der zeitliche Umfang der Spielbankbesuche im Zeitpunkt des Anhörungsverfahrens nicht bekannt gewesen. Zudem seien der Beklagten die Schönungen des Kontostandes durch Gebrauch der Eurocard bekannt gewesen. Aufgrund ihrer damaligen Tatsachenkenntnisse und Schlußfolgerungen ginge die Beklagte vom Vorliegen eines verhaltensbedingten Kündigungsgrundes und von der fehlenden Eignung des Klägers aus.
Dem Betriebsrat sei lediglich pauschal ohne Offenlegung der damals nur auf Stichproben beruhenden Annahmen zu Begründung der beabsichtigten Kündigung mitgeteilt worden, der Kläger habe Kreditmittel der Bank in erheblichem Umfange in Spielbanken ausgegeben, um sich aus seiner finanziellen Notlage zu befreien. An anderer Stelle heiße es ebenso pauschal: ?Wie wir erst jetzt erfahren haben, hat er diese Gelder jedoch entgegen der vorgenannten Zweckbindung in erheblichem Umfange in Spielbanken eingesetzt, um seine finanzielle Situation zu verbessern.? Zu den Schönungen des Kontostandes fehlten jegliche konkretisierende Angaben nach Datum von Abhebung und Einzahlung.
Damit seien dem Betriebsrat die Gründe nur pauschal mitgeteilt worden. Es sei gerade nicht nach dem damaligen Stand der Recherchen offengelegt worden, wann Schecks in welcher Höhe in Spielbanken begeben und Gelder an spielbanknahen EC-Automaten abgehoben worden seien. Entsprechendes gelte für die Kontostandsschönung. Ohne eigene Nachforschung sei der Betriebsrat nicht in der Lage gewesen, die Stichhaltigkeit der Kündigungsbegründung zu prüfen. Er habe sich nicht zur Plausibilität und Kündigungsrelevanz des Schlusses der Beklagten von den damals festgestellten Abhebungen bzw. Scheckbegebungen in Spielbanken auf die Ausgabe von Kreditmitteln in erheblichen Umfange ein Urteil bilden können, zumal von der Beklagten nicht näher angegeben worden sei, was sie unter Kreditmittel eines erheblichen Umfanges verstehe. Der Betriebsrat habe sich auch kein Bild vom Umfang und Bedeutung der Kontostandsschönung machen können. Dem Betriebsrat sei keine angemessene Einschätzung der Eignung des Verhaltens als Kündigungsgrund mögliche gewesen.
Es müsse des weiteren als Verstoß gegen die vertrauensvolle Zusammenarbeit gewertet werden, wenn die Beklagte im Anhörungsschreiben eine finanzielle Notlage des Klägers anspreche und dies im Zusammenhang mit ?das Bankvermögen gefährdende Handlung? bringe. Wenn von einer wirtschaftlichen Notlage gesprochen werde, so meine dies in der Regel eine dramatische Überschuldung, damit das nach betriebswirtschaftlichen Regeln durch eine Vermögensbilanz zu ermittelnde Überwiegen der Passiven über die Aktiven, so daß kein für die Befriedigung der Gläubiger ausreichender Haftungsstock verbleibe. Das BAG habe in anderem Zusammenhang eine Notlage als eine wirtschaftliche Situation angesehen, die über einen nur ungewöhnlich schlechte wirtschaftliche Lage hinausgehe (vgl. auch die Regelung Nr. 13 der Ergänzungsbestimmung zum Anstellungsvertrag des Klägers).
Wenn die Beklagte nun im Anhörungsschreiben die angebliche finanzielle Notlage des Klägers anspreche, diese sogar mit der gesteigerten Gefahr unredlicher Handlung des Klägers zu Lasten des Beklagtenvermögens in Verbindung bringe, ohne dem Betriebsrat auf den ihr bekannten und zur Absicherung des Personalkredits allemal ausreichenden Immobilienbesitz des Klägers hinzuweisen, so verschweige sie eine für die Gesamtwürdigung wesentliche Tatsache. Die Beklagtenvertreter hätten im Kammertermin eingeräumt, daß die Beklagte die - wenn auch nicht fristgerechte - Rückzahlung des Kredits nicht als gefährdend ansehen. Dieses Wissen über die Vermögenssituation und diese ihrer Einschätzung hätte die Beklagte dem Betriebsrat aber aufgrund des Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht verschweigen dürfen.
Die Kündigungsbegründung zu 2. lasse keinen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB erkennen. Es fehle an einem substantiierten Vortrag, wann zwischen welchen Personen eine Vereinbarung über die Zweckbindung der Kreditmittel erfolgt sei.
Schließlich sei auch in dem anfänglichen Leugnen der Spielbankbesuche kein wichtiger Grund zu sehen. Der Arbeitnehmer sei nicht verpflichtet, außergerichtliche Erklärung zu möglichen Kündigungsgründen abzugeben, soweit nicht besondere rechtliche Grundlagen dafür beständen.
Im übrigen wird auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht einschließlich der Begründung Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt.
Die Beklagte und Berufungsklägerin meint weiterhin unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, die Kündigung sei wirksam. Die Zweckbindung der Kredite folge konkludent aus dem mit dem Kläger geführten Gesprächen bei der Kreditgewährung. Sie behauptet, am 09.07.1996 seien ihr sieben Fälle bekannt gewesen, in denen der Kläger mit der Eurocard insgesamt 18.500,00 DM abgehoben habe. Die Sozialdaten des Klägers habe sie dem Betriebsrat schon bei dessen Versetzung nach V.... mitgeteilt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 19.02.1997 (Geschäfts-Nr.: 2 Ca 2387/96) abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte behauptet weiterhin, er habe nach dem letzten Gespräch mit der Beklagten im Juli 1996 kein Spielkasino mehr aufgesucht. Wenige Tage nach seiner Freistellung im Juli 1996 habe die Beklagte in der Filiale V.... eine Kreditrevision und eine allgemeine Revision durchführen lassen, die keinerlei Fehler von ihm ergeben habe, geschweige denn irgendwelche Unregelmäßigkeiten oder Schäden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Akteninhalt verwesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I
Die nach §§ 66 Abs. 1, 64 ArbGG, 516 ff. ZPO an sich statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist unbegründet.
II
Die nach §§ 4, 7 KSchG i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG zulässige Feststellungsklage ist in voller Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Gericht begründet, denn die gegenüber dem Kläger am 12.07.1996 ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
1. Gegenüber dem Kläger konnte nur, wie geschehen, gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden. Durch den Wechsel des Klägers am 01.10.1995 von B............ nach V.... endete durch Ausscheiden sein aktives Betriebsratsamt in B............ und begann der nachwirkende einjährige Kündigungsschutz für inaktive Betriebsratsmitglieder. Für die Belegschaft in V.... ist nämlich aufgrund des Bestandsschutzes der nicht angefochtenen Wahl der in G............... angesiedelte Betriebsrat zuständig. Eine Umdeutung der Kündigung in eine fristgemäße scheitert deshalb an dem gesetzlichen Verbot in § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG.
2.
a) Für die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes im Nachschutz muß zwar nicht die Zustimmung des Betriebsrates bzw. dessen gerichtliche Ersetzung nach § 103 BetrVG vorliegen, denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf aktive Betriebsratsmitglieder (Fitting/Kaiser/Heiter/Engels, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 18. Auflage, § 103 Rz. 33 m.w.N.), aber der zuständige Betriebsrat (hier der Betriebsrat in G...............) ist ordnungsgemäß und vollständig nach § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung anzuhören, sonst ist die Kündigung gemäß §§ 134 BGB, 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nichtig.
b) Diese Nichtigkeit der Kündigung mangels ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung ist vorliegend gegeben, denn die Beklagte hat mit dem Anhörungsschreiben vom 09.07.1996 den Betriebsrat falsch und nicht vollständig über den Kündigungssachverhalt unterrichtet. Insoweit bezieht sich zur Begründung das Berufungsgericht auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichtes in dessen Entscheidungsgründen (§§ 64 Abs. 6 ArbGG, 543 ZPO), wobei der Vorwurf der nicht mitgeteilten Sozialdaten rausgenommen wird, da dem Betriebsrat diese aufgrund des Versetzungsverfahrens bekannt gewesen sein könnten.
Es bleibt jedoch, daß dem Betriebsrat für eine fristlose Tatsachenkündigung nur falsche Pauschalvorwürfe mitgeteilt worden sind. Falsch ist der Vorwurf der Notlage, wenigstens mußte der der Beklagten bekannte Liegenschaftenbesitz des Klägers, wodurch die Kredite gesichert waren, dem Betriebsrat im einzelnen mit Wertangaben angegeben werden. Falsch ist, dies hat die Beklagte zweitinstanzlich eingeräumt, daß die dem Kläger gewährten Kreditmittel ausschließlich zu einer bestimmten Finanzierung gewährt waren. In dem zweit-instanzlich eingereichten Kreditvertrage über die 130.000,00 DM steht davon nichts. Wieso sich dieses konkludent für den Kläger ergeben sollte, ist unverständlich. Schließlich waren die Verhandlungpartner des Klägers dabei erfahrene Bankangestellte und hätten deshalb diesen Zweck, wenn er gewollt wäre, klar vereinbaren müssen. Das Schlagwort ?risikoreiche Spielbankbesuche? bleibt unausgefüllt. Gleiches gilt für die Behaupteten erheblichen Verluste bei den Spielbankbesuchen.
3.
a) Wegen der Wortgleichheit ?wichtiger Grund? in § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG müssen im übrigen auch für die fristlose Kündigung eines inaktiven Mitgliedes, wie dem Kläger, zu deren Wirksamkeit die Voraussetzung des § 626 BGB vorliegen.
b) Selbst wenn die Beklagte im Betriebsrat über den ihr bekannten Kündigungssachverhalt ordnungsgemäß unterrichtet hätte, würde die erkennende Kammer bei diesem im Zeitpunkt der Kündigung (12.07.1996) keinen wichtigen Grund als gegeben annehmen, nicht einmal ein Grund für eine fristgemäße Kündigung eines durch das Kündigungsschutzgesetz geschützten Arbeitnehmer.
aa) Als Kündigungssachverhalt verbleiben lediglich der Vorwurf der Spielbankbesuche und das Verschweigen bzw. ableugnen dieser Besuche in den Gesprächen am 03.07.1996 und 04.07.1996. Eine Überschuldung durch die Besuche verbunden mit einem Kreditrisiko ist für die Beklagte nicht eingetreten, wie sie selbst dem erstinstanzlichen Gericht im Kammertermin nach dessen Entscheidungsgründen Seite 13 wegen des Immobilienbesitzes des Klägers damit erklärt hat, daß sie die Rückzahlung des Kredites nicht als gefährdet ansehe. Deshalb entfallen auch die Voraussetzungen von Ziffer 13 Abs. 2 der Ergänzungsbestimmungen zum Arbeitsvertrag des Klägers. Die Spielbankbesuche haben das Arbeitsverhältnis der Parteien überhaupt nicht konkret tangiert. Unwidersprochen hat dazu der Kläger vorgetragen, die Beklagte habe sofort nach seiner Freistellung eine Kreditrevision und eine allgemeine Revision in der Filiale durchgeführt und keine Beanstandungen von ihm feststellen können. Kunden der Beklagten sind die weit entfernt von V.... stattgefundenen Spielbankbesuche des Klägers nicht aufgefallen. Wenigstens fehlt dazu ein entsprechender Vortrag der Beklagten.
bb) Ein außerdienstliches Verhalten, das die Spielbankbesuche des Klägers darstellen, können sogar eine ordentliche Kündigung nur dann sozial im Sinne von § 1 Abs. 1 KSchG rechtfertigen, wenn durch das Verhalten das Arbeitsverhältnis konkret berührt wird (KR-Etzel, 4. Auflage, § 1 KSchG Rz. 433 m.w.N. der Rechtspr. d. BAG), was, wie aufgezeigt, vorliegend nicht geschehen ist.
Das Leugnen der Spielbankbesuche in den beiden Gesprächen ist deshalb kein Kündigungsgrund, weil die Fragen der Beklagten danach den Privatbereich des Klägers betreffen und aufgrund des Schutzes des Persönlichkeitsrechtes (Art. 1 GG) des Klägers unzulässig waren. Ausnahmen von dieser Fragebeschränkung der Beklagten sind nur dann zu machen, wenn die Eigenart der zu leistenden Arbeit die Frage geradezu rechtfertigt (vgl. dazu Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Auflage, § 26 III 2 b, c m.w.N.). Da keine Kredit- und Leistungsgefährung vorhanden waren, scheidet eine Ausnahmesituation für die Befragung der Beklagten aus. Damit durfte der Kläger die unzulässigen Fragen der Beklagten ohne Rechtsnachteil für ihn wahrheitswidrig beantworten (Schaub, a.a.O., § 26 III 2 c m.w.N. d. BAG-Rechtspr. und § 26 III 3 mit den dort aufgeführten Entscheidungsbeispielen).
III
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
IV
Mangels der Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG - es handelt sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung, die sich an der aufgeführten BAG-Rechtsprechung orientiert - hat das Berufungsgericht die Revision nicht zugelassen.
V
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil findet mangels Zulassung die Revision nicht statt (§ 72 Abs. 1 ArbGG).
Wegen der Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht (Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel-Wilhelmshöhe) anzufechten, wird auf die Vorschriften des § 72 a ArbGG verwiesen.