15.06.2007 · IWW-Abrufnummer 071927
Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 03.06.2004 – 11 Sa 704/03
Unwirksamkeit einer ordentlichen Kündigung wegen Verbüßung einer Haftstrafe, weil der Arbeitgeber nach Treu und Glauben verpflichet war, bei der Erlangung des Freigängerstatuts des Arbeitnehmers mitzuwirken.
Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 11 Sa 704/03
16 Ca 5671/02 Arbeitsgericht Frankfurt am Main
Verkündet laut Protokoll am 03. Juni 2004
Im Namen des Volkes!
Urteil
In dem Berufungsverfahren XXX
hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 11, in Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung vom 03. Juni 2004 durch XXX für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Dezember 2002 (Az.: 16Ca 5671/02) abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt,
den Kläger als Arbeiter im Nachtdienst in der Abteilung Kommissionierung/Großbehälterfertigung Export« zu beschäftigen;
an den Kläger ? 26.921,70 brutto (i.W.: Sechsundzwanzigtausendneunhunderteinundzwanzig 70/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus Euro 16.153,02 (i.W. Sechzehntausendeinhundertdreiundfünfzig 02/100 Euro) seit dem 21. Juni 2002 und aus Euro 10.768,68 (i.W.: ZehntausendsiebenhundertachtundsechzIg 68/100 Euro) seit dem 31. Oktober 2003 zu zahlen;
an den Kläger Euro 55.163,60 brutto (i.W.: Fünfundfünfzigtausendeinhundertdreiundsechzig 60/100 Euro) abzüglich Euro 8.972,12 netto (i.W.: Achttausendneunhundertzweiundsiebzig 12/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiswert seit 16. April 2004 zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten 1. Instanz hat der Kläger 6 %, die Beklagte 94 % zu tragen,
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, über die Verpflichtung der Beklagten den Kläger zu beschäftigen sowie über die Verpflichtung der Beklagten dem Kläger Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu leisten.
Der 32-jährige Kläger ist bei der Beklagten seit dem 20.11.1990 als Arbeiter, zuletzt in der Niederlassung XXX beschäftigt. Sein durchschnittliches monatliches Bruttogehalt betrug zuletzt ? 2.692,17.
Der Kläger wurde am 18.12.2000 wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz vorläufig festgenommen. Am 19.12.2000 wurde die Untersuchungshaft angeordnet. Durch Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 02.07.2001 wurde der Kläger wegen Handels mit Kokain in 4 Fällen, davon in 3 Fällen in nicht geringer Menge, zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Das Urteil wurde sofort rechtskräftig, der Kläger kam am 02.07.2001 auf freien Fuß. Am 04.07.2000 nahm der Kläger bei der Beklagten die Arbeit auf und arbeitete dort bis Ende August. Mit Schreiben vom 17.07.2001 teilte der Verteidiger des Klägers, Rechtsanwalt XXX der Beklagten mit, dass der Kläger am 02.07.2001 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden ist. Der Kläger trat die Strafe am 10.09.2000 an. Am 11.09.2000 wurde er zur Prüfung über die Geeignetheit für den offenen Vollzug in die JVA XXX verlegt. Die Beklagte gewährte dem Kläger deshalb unbezahlten Sonderurlaub für den Zeitraum vom 01. - 31.10.2001. Der Kläger überreichte der bei der Beklagten beschäftigten Frau M das für die Bewilligung des Freigangs erforderliche Bestätigungsformular des Arbeitgebers, in dem die Absicht der Beschäftigung erklärt wird, und bat sie, es ausgefüllt an die JVA XXX zu schicken. Am 24.10.2001 erhielt die Beklagte das Strafurteil einschließlich der Begründung. Mit Schreiben vom 19.12.2001 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass man nicht beabsichtige, den Kläger im Rahmen des Freigangs zu beschäftigen.
Mit Schreiben vom 04.04.2002 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an. Auf den Inhalt des Schreibens wird verwiesen.
Mit Schreiben vom 16.05.2002 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2002. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Betriebsratsanhörung sei bereits deshalb fehlerhaft, weil die Beklagte dem Betriebsrat nicht mitgeteilt habe, dass die JVA·XXX bereit gewesen sei, den Kläger bei der Beklagten im offenen Vollzug weiter arbeiten zu lassen. Außerdem sei der Betriebsrat nicht darüber informiert worden, dass der Kläger vom 04.07. - 07.09.2001 an seinem bisherigen Arbeitsplatz weiter beschäftigt worden sei. Der Kläger hat behauptet, er hätte den Freigängerstatus erhalten, wenn die Beklagte die erwähnte Bescheinigung erteilt hätte. Er hat die Auffassung vertreten, aufgrund ihrer Fürsorgepflicht hätte ihn die Beklagte in seinem Bemühen um den Freigängerstatus durch Erteilung der erbetenen Bescheinigung unterstützen müssen. Daher sei sie wegen ihrer Weigerung gehindert, sich auf die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf haftbedinqte lange Nichterfüllung der Arbeitsleistung" zu berufen. Sicherheitsrelevante Gründe hätten nicht vorgelegen. Seine Tätigkeit bestehe lediglich darin, nach Ländern sortierte Kisten mit Briefen vom Förderband abzuheben und sie in einen Rollbehälter zu stellen, wobei er die Zahl der Kisten in einen Computer eingebe. Er habe auch mit geschlossenen Briefbeuteln zu tun, die mit einem Lkw antransportiert würden. Andere Arbeitnehmer laden diese Briefbeutel ab und brächten sie mit Rollbehältern in die Abteilung 31, wo er arbeite. Er selbst sortiere sie dann nach Ländern, wiege sie, stelle sie in einen Rollbehälter und schiebe diese schließlich an die Wand.
Er registriere auch Beutel mit Einschreibsendungen. Er habe keinen direkten Kontakt mit den Fahrern der Speditionen. Er habe auch keinen Kontakt mit geöffneten Sendungen aus dem Ausland, da er nicht im Zollbereich tätig sei.
Der Kläger' hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung; der. Beklagten. vom 16.05.2002 nicht aufgelöst worden ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, gegenüber der Justizvollzugsanstalt III in Frankfurt am Main die Erklärung abzugeben, dass sie bereit ist, den Kläger im Wege des Freigangs gem. § 11 StVollzG zu beschäftigen;.
3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Nachtarbeiter im Nachtdienst in der Abteilung .Kommissionierung/Großbehälterfertigung Export" zu beschäftigen;
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ? 26.921,70 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus ?16.153,02 seit dem 21.06.2002 und aus ? 10.768,68 seit dem 31.10.2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, eine Weiterbeschäftigung sei aufgrund der Vertrauensstellung, die am Arbeitsplatz des Klägers erforderlich sei, nicht mehr möglich. Zum einen bestehe direkter Kontakt mit den Fahrern der Speditionen des In- und Auslandes, ebenso bestehe direkter Zugang zum Flughafen-Sicherungsbereich. Weiterhin habe der Kläger direkten Zugang zu allen sicherheitsrelevanten Bereichen im Hause (Codecard). Es bestehe ein direkter Umgang mit Sendungen des In- und Auslandes an seinem Arbeitsplatz, wodurch unbemerkt Drogen ein- und ausgeführt werden könnten. Eingehende Sendungen könnten ohne Zollbestellungen weitergeleitet werden, Hinweise an Absender oder Empfänger der Sendung könnten weitergegeben werden. Im Zollbereich bestehe Kontakt mit geöffneten Sendungen aus dem Ausland. Letztlich habe die Beklagte auch eine Verantwortung gegenüber der F AG. und ihren Kunden. Es bestehe die Gefahr, Kunden zu verlieren, wenn bekannt werde, dass in ihrem Betrieb Beschäftigte arbeiteten, die wegen Drogenhandels verurteilt worden seien. Es könne nicht außer Acht gelassen werden, dass in diesem Zusammenhang auch durch die Presse dem Image der Beklagten großen Schaden zugefügt werden könne. Die Beklagte hat behauptet, der Arbeitsplatz des Klägers habe aufgrund der langen Haftstrafe umgehend dauerhaft neu besetzt werden müssen.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 16.05.2002 nicht aufgelöst worden ist und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
Gegen das ihm am 16.04.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.05.2003 Berufung eingelegt und diese am 16,06.2003 begründet.
Gegen das ihr am 14.04.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.05.2003 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 16.07.2003 die Berufung mit an diesem Tage eingegangenem Schriftsatz begründet.
Der Kläger vertieft sein Vorbringen erster Instanz und macht geltend, die Beklagte habe ihn im Juli und August zwei Monate weiter beschäftigt, ohne dass Sicherheitsbedenken geltend gemacht worden seien. Auch nach Kenntnis des schriftlichen Urteils habe die Beklagte bis 02.04.2002, d.h.5 Monate lang gewartet, bis sie das Kündigungsverfahren eingeleitet habe. Zu diesem Zeitpunkt sei ihr auch das Haftende 26.05.2004 bekannt gewesen und sie habe damit rechnen können, dass der Kläger als Ersttäter "nach Verbüßung von 2/3 seiner Haftstrafe am 26.04.2003 wieder entlassen werden würde.
Der Kläger hat beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 02. Dezember 2002 abzuändern:
1. Die Beklagte wird über die Feststellung in Ziffer 1. des Urteils hinaus verurteilt, den Kläger als Arbeiter im Nachtdienst in der Abteilung "Kommissionierung/Großbehälterfertigung . Export" zu beschäftigen;
2. an den Kläger ? 26.921,70 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus ? 16.153,02 seit dem 21.06.2002 und aus ? 10.768,68 seit 31. Oktober 2002 zu zahlen;
3. an den Kläger ? 55.163,60 brutto abzüglich ? 8.972,12 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 08.04.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
1. der Beklagten gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren;
2. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 02.12.2002 die Klage insgesamt abzuweisen;
3. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie vertieft ihr Vorbringen erster Instanz und behauptet, die JVA W sei nicht bereit gewesen,den Kläger während der Nachtschicht im offenen Vollzug einzusetzen. Sie macht weiter geltend, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt, weil die Straftat und deren Bekanntwerden bei Mitarbeitern und Geschäftspartnern für die Beklagte zu nachteiligen Reaktionen führen könnten. Der Vertragspartner der Beklagten, die F AG, die am Flughafen besondere Sicherheitsstandards einführe und Wert darauf lege, dass In dem sensiblen Bereich des Flughafens keine Mitarbeiter beschäftigt würden, die aufgrund der Verurteilung wegen Drogenhandels nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit besäßen, könnte Anstoß nehmen. Bei einer Beschäftigung des Klägers sei zu befürchten, dass er durch den direkten Kontakt mit den Fahrern .der Spedition des In- und Auslandes, durch den direkten Zugang zum Flughafen-Sicherungsbereich sowie durch die Codecard zu allen sicherheitsrelevanten Bereichen im Hause unbemerkt wiederum der Versuchung nicht widerstehen könnte, im Bereich des Drogenhandels oder in anderen Bereichen tätig zu werden. Der Kläger habe während seiner Arbeitszeit (Nachtschicht) einen unkontrollierten Zugang und Zugriff zu eingehenden Sendungen im Zollbereich. In der Bunde- und Beutelöffnung ständen bereits vorbereitete Behälter, die im Frühdienst dem Zollbereich über die Fördertechnik zugeführt würden. Weiterhin lagerten im Erdgeschoss, also im unmittelbaren Arbeitsbereich des Klägers, Wagen mit Sendungen für die Zollfahndung. Der Kläger habe während seiner Arbeitszeit unkontrollierten Zugang und Zugriff zu bereit gestellten eingehenden Flugfeldwagen. Der Import/Export-Speicher grenze nur von einer Straße getrennt an das Gebäude der Niederlassung der Beklagten. Dort ständen beladene Flugfeldwagen zur weiteren Bearbeitung bereit. Der Kläger könne jederzeit in Ausführung seiner Arbeit die Niederlassung durch eines der Ladetore zu den Straßentransporten oder durch das Büro des Lademeisters verlassen. Dies sei insbesondere in seiner 60-minütigen Pause möglich. Weitere Kontrollen und Erlaubnisse der F AG seien hierzu nicht erforderlich.
Zur Ergänzung des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf die von den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze verwiesen .
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Vollzugsbeamten XXX als Zeugen. Hinsichtlich der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der Sitzung vom 03.06.2004 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die nach dem Wert des Streitgegenstandes statthafte Berufung des KIägers ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden.
In der Sache selbst ist die,Berufung des Klägers begründet.
Die nach dem Wert des Streitgegenstandes statthafte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Zwar ist auf der Zustellungsurkunde selbst als Datum der Zustellung der 12.04.2003 angegeben. Auf dem Umschlag ist als Zustellungsdatum aber der 14.04.2003 mitgeteilt. Ist letzteres Datum als das richtige Datum der Zustellung anzusehen,ist die Berufung rechtzeitig eingelegt Ist das Datum auf der Zustellungsurkunde als richtiges Datum anzusehen, ist der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,da sie wegen der verschiedenen Angaben über den Tag der Zustellung ohne Verschulden gehindert war, das tatsächlich richtige Zustellungsdatum zu erkennen (§ 203 ZPO).
In der Sache selbst ist die Berufung der Beklagten nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien vom 16.05.2002 das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Auch das Berufungsvorbringen der Parteien und das Ergebnis der Beweisaufnahme rechtfertigen keine andere Beurteilung.
Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger nicht sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Die Beklagte hat keine ausreichenden Gründe vorgetragen, die aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers die Kündigung als berechtigt hätten erscheinen lassen.
Die Beklagte kann sich weder darauf berufen, die lange Dauer der Strafhaft habe sie nicht durch zumutbare Maßnahme überbrücken können, noch darauf, dass durch die Art der Straftat Beeinträchtigungen ihre berechtigten Interessen zu erwarten seien.
Es ist vom Grundsatz auszugehen, dass die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung für nicht unerhebliche Zeit infolge der Verbüßung einer Strafhaft an sich geeignet ist, eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen, wenn für den Arbeitgeber zumutbare Überbrückungsmöglichkeiten nicht bestehen und sich die Arbeitsverhinderung. konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirkt, weil sie zu Störungen des Betriebsablaufs führt. Dabei sind dem Arbeitgeber allerdings zur Überbrückung des Ausfalls des Arbeitnehmers geringere Anstrengungen und Belastungen zuzumuten als bei einer krankheitsbedingten Kündigung. Eine Freiheitsstrafe von über 3 Jahren und die damit verbundene Abwesenheit ist als erheblich anzusehen (vgl. BAG AP Nr. 123 zu § 626 BGB).
Um derartige Störungen des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden, ist der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht, die aIs Ausfluss des in § 242 BGB niedergelegten Gedankens von Treu und Glauben den Inhalt eines Schuldverhältnisses bestimmt, gehalten, bei der Erlangung des Freigängerstatus mitzuwirken.
Die Beklagte hat nicht den Nachweis erbracht, dass dem Kläger die Erlangung des Freigängerstatus objektiv unmöglich war, etwa weil ein offener Vollzug für Arbeiten während der Nachtzeit grundsätzlich nicht möglich ist. Aus den. gesetzlichen Vorschriften über den offenen Vollzug lässt sich eine. derartige Beschränkung nicht entnehmen. Der Zeuge J hat ausgesagt, eine Entscheidung der Justizvollzugsanstalt in Wi sei nicht getroffen worden, da der Arbeitgeber wohl erklärt habe, das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen zu wollen.
Bei der Beantwortung der Frage, was Treu und Glauben im Einzelfall dem Arbeitgeber gebieten, ist eine sorgfältige Abwägung der beiderseitigen Interessen erforderlich, wobei auch auf die in den Grundrechten zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidungen der Verfassung Bedacht zu nehmen ist. Den konkurrierenden Rechtspositionen der Parteien haben die Gerichte ausgewogen Rechnung zu tragen. Im Fall der Arbeitgeberkündigung steht der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers einschließlich der Entscheidung darüber, weiche Arbeitnehmer er wie lange beschäftigen will, das auch die Beibehaltung des gewählten Arbeitsplatzes umfassende Freiheitsrecht des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG gegenüber. Letzteres überwiegt, wenn die der Haft zugrunde liegende Straftat keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis hatte und wenn der Arbeitgeber Störungen der betrieblichen Belange dadurch ausschließen' kann, dass er den Arbeitnehmer zum Freigang verhilft. Sind Befürchtungen des Arbeitgebers, die Straftat des Arbeitnehmers und seine Verurteilung zur Strafhaft könnten bei anderen Mitarbeitern oder den Geschäftspartnern bekannt werden und zudem Arbeitgeber nachteiligen Reaktionen führen, nicht von der Hand zu weisen, so überwiegt in der Regel das Interesse des Arbeitgebers. Eine Risiko behaftete Mitwirkung ist ihm grundsätzlich nicht zuzumuten, und zwar nicht erst dann, wenn .die Befürchtungen so nahe liegend sind, dass sie der Straftat selbst das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben. Letztlich kommt es insoweit auf den Grad der Wahrscheinlichkeit von künftigen Störungen des Arbeitsverhältnisses und deren Schwere .an. Nur wenn eine objektive Prognose Störungen des Betriebsfriedens oder des Betriebsablaufs als ganz fern liegend bzw. geringfügig erweist, kann von dem Arbeitgeber nach Treu und Glauben erwartet werden,dass er dem Arbeitnehmer zum Freigängerstatus verhilft und damit die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung als Kündigungsgrund ausräumt (vgl. BAG, a.a.O.).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall führt zu dem Ergebnis, dass die Straftat des Klägers keinen unmittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis mit der Beklagten hatte. Sie war nicht gegen das Eigentum oder das Vermögen noch gegen die wirtschaftlichen oder immateriellen Interessen der Beklagten gerichtet. Im Streitfall konnte auch nicht angenommen werden, dass eine objektive Prognose Störungen des Betriebsablaufs als nicht ganz geringfügig oder nicht ganz fern liegend ergab. Trotz der erheblichen Schwere der Straftat gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die in der Straftat gezeigte kriminelle Energie während seiner Tätigkeit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gegen die Beklagte richten könnte, indem er z.B. Eigentumsdelikte an Postsendungen begehen könnte. Auch ist eine Wiederaufnahme des Drogenhandels nunmehr sogar in der Betriebsstätte der Beklagten als ausgeschlossen anzusehen. Ein Drogenhandel gibt es am gesamten Frankfurter Flughafen nicht. Dafür, dass sich der Kläger aufgrund von Erfahrungen aus der Zeit des Drogenhandels und durch Ausnutzen entsprechenden Kontakten nunmehr auf dem Gebiet des Drogeneinfuhrschmuggels betätigen könnte, sind Anhaltspunkte nicht erkennbar. Päckchen aus kritischen Ländern werden durch den Zoll besonders überprüft. Inwiefern der Kläger Gelegenheit haben sollte, für ihn bestimmte Päckchen vor Überprüfung durch den Zoll abzufangen, hat die Beklagte nicht dargelegt. Der Kläger hat keinen unkontrollierten Zugang und Zugriff zu eingehenden Sendungen im Zollbereich. Inwiefern sich eine nicht nur theoretische Möglichkeit, Drogen zu schmuggeln, ergeben könnte, da der Kläger nach den Darlegungen der Beklagten Zugang zu den Flugfeldwagen haben soll, ist nicht schlüssig dargetan worden. Auch die Gefahr nachteiliger Reaktionen Dritter, z.B. Geschäftspartnern wie der F AG, sind nicht ausreichend konkret dargelegt worden. Ihren Vortrag, die Weiterbeschäftigung des Klägers habe der Vertragspartner F, AG als Vertragsverletzung angesehen, hat die Beklagte nicht näher konkretisiert, was auch deshalb notwendig gewesen wäre, weil der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, er dürfe mit seinem Postausweis nur das Briefzentrum betreten, er habe keinen F-Ausweis. Eine negative Reaktion der Öffentlichkeit, insbesondere von Postkunden ,dürfte bei sachgemäßer Information - für den Fall, dass dies erforderlich sein sollte - ausgeschlossen sein. Für ein Ausschlachten der Fakten durch die sog. Yellow-Press erscheint der Fall nicht bedeutungsvoll genug.
Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, befand sich die Beklagte ab 02.01.2002 in Annahmeverzug, so dass der Kläger Anspruch auf Fortzahlung seines Arbeitsentgelts, wie beantragt, hat.
Darüber hinaus kann der Kläger auch seine Weiterbeschäftigung verlangen. Der Kläger hat den geltend gemachten Weiterbeschäftigungsantrag nicht gesondert begründet. Die Kammer ist daher davon ausgegangen, dass sich der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Weiterbeschäftigungsanspruch nach obsiegendem Kündigungsschutzurteil stützt. Zwischen den Parteien war auch die Frage, wie der Kläger im Falle eines obsiegenden Urteils zu beschäftigen ist, nie streitig. Mit dem - dem klägerischen Antrag stattgebenden Urteil - ist daher die vertragsgemäße Beschäftigung des Klägers angeordnet werden, ohne das der Beklagten zustehende Direktionsrecht zu beschränken und alle anderen vertragsgemäßen Einsatzmöglichkeiten auszuschließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ,Abs. 1, § 97 ZPO ..
Gründe für die Zulassung der Revision waren nicht ersichtlich (§ 72 Abs. 2 ArbGG).