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  • · Fachbeitrag · Berufsunfähigkeitszusatzversicherung

    Gesundheitsfragen: Eine MPU ist keine Beratung wegen Drogenkonsums

    von RA Christian Spreckelsen, Kanzlei Wittig Ünalp PartGmbB, Bremen

    | Verneint der VN die Gesundheitsfragen nach einer Beratung wegen Alkohol- oder Drogenkonsums im Versicherungsantrag, obwohl er im abgefragten Zeitraum an einer MPU teilgenommen hat, begründet dies für sich genommen keine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung. Das folgt aus einer Entscheidung des LG Itzehoe. |

     

    Sachverhalt

    Der VN verneinte die Gesundheitsfrage „Werden oder wurden Sie innerhalb der letzten 10 Jahre wegen Medikamentenmissbrauch, des Konsums von Alkohol, von Betäubungsmitteln oder von Drogen beraten oder behandelt?“. In dem relevanten Zehnjahreszeitraum hatte er zweimal an einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung teilgenommen. Der VR wertete dies als unrichtige Beantwortung seiner Frage. Er erklärte gemäß § 19 Abs. 2 VVG den Rücktritt vom Versicherungsvertrag.

     

    Der VN hat den tatsächlichen Ablauf der beiden MPUen in der mündlichen Verhandlung geschildert. Aus der Schilderung ergab sich, dass in diesem Rahmen keine therapeutische Beratung im Hinblick auf den BTM-Konsum stattgefunden hat. Der VN hat auch an keiner ärztlich oder psychologisch begleiteten Vorbereitungsmaßnahme zur MPU teilgenommen.

     

    Entscheidungsgründe

    Das LG Itzehoe hat den Begriff der Beratung als unbestimmten Rechtsbegriff ausgelegt (26.6.19, 3 O 235/17, Abruf-Nr. 210759). Aus dem systematischen Zusammenhang mit dem Begriff „Behandlung“ ergebe sich eine therapiebezogene Bedeutung des Beratungsbegriffs. Beratung in diesem Sinne setze eine heilungsbezogene informatorische Aufklärung voraus. Die MPU diene hingegen der Beurteilung der Fahrtauglichkeit des Betroffenen im örtlichen Straßenverkehr. Sie habe daher lediglich eine sicherheitsrechtliche aber keine therapeutische Zielsetzung. Einem durchschnittlichen VN sei bei der konkreten Formulierung der Frage jedenfalls nicht erkennbar, dass der VR auch eine verkehrsrechtliche MPU abfragen wolle. Die Unklarheiten in der Formulierung der Gesundheitsfragen gingen zulasten des VR als deren Verwender.

     

    Relevanz für die Praxis

    Zu der Frage, ob im Rahmen der Gesundheitsangaben gegebenenfalls auch eine MPU anzugeben ist, wird, soweit ersichtlich, in der Literatur bisher lediglich das Urteil OLG Koblenz vom 3.7.05 (10 U 939/04, VersR 05, 1671) angeführt ‒ noch dazu falsch wiedergegeben. Der in VersR 05, 1671 abgedruckte Orientierungssatz („Die Frage „Nehmen oder nahmen Sie in den letzten 10 Jahren Drogen, Medikamente, Betäubungs- oder Rauschmittel? Wurden Sie wegen der Folgen von Alkoholgenuss in den letzten 10 Jahren beraten oder behandelt?“ erfasst auch eine ärztliche Beratung, die im Zusammenhang mit einer medizinisch psychologischen Untersuchung (MPU) aufgrund eines Entzugs der Fahrerlaubnis steht“) findet in dem Urteil des OLG Koblenz keine rechtlichen und tatsächlichen Anknüpfungspunkte. Tatsächlich hat sich das OLG Koblenz mit der Fragestellung, ob eine MPU eine Beratung im Sinne der Antragsfragen ist, überhaupt nicht befasst. Der dortige Kläger hatte falsche Angaben zu seinem Alkoholkonsum und zu den daraus folgenden umfangreichen ärztlichen Behandlungen gemacht. Darin lag im Koblenzer Urteil die entscheidungserhebliche falsche Angabe. Dennoch wird das Urteil in der Literatur einhellig im Sinne dieses Orientierungssatzes zitiert.

     

    Mit dem Urteil des LG Itzehoe liegt nun eine Entscheidung vor, in der die Frage, ob die Teilnahme an einer MPU offenbarungspflichtig ist, auch tatsächlich entscheidungserheblich gewesen ist. Der beklagte VR hatte sich in dem Verfahren vor dem LG Itzehoe auf das Urteil des OLG Koblenz berufen. Das LG Itzehoe hat sich nicht von dem fehlerhaft zitierten Orientierungssatz zu dem Urteil des OLG Koblenz leiten lassen. Es hat die Antragsfragen vielmehr eigenständig ausgelegt.

     

    Im Prozess kann dem VR, der auf das Urteil des OLG Koblenz verweist, nun das Urteil des LG Itzehoe entgegengehalten werden: Der VN, der die Teilnahme an einer MPU nicht angibt, verschweigt nach dem Urteil des LG Itzehoe keinen gefahrerheblichen Umstand. Das gilt jedenfalls in dem Fall, in dem nicht ausnahmsweise im Rahmen der MPU auch eine erkennbar heilungsbezogene informatorische Aufklärung stattgefunden hat ‒ Letzteres musste das LG Itzehoe nicht entscheiden. Infolgedessen kann sich der VR nicht nach § 19 Abs. 2 VVG von dem Vertrag lösen.

     

     

    MERKE | Das LG Itzehoe konnte vorliegend offenlassen, ob MPU-Vorbereitungskurse, die möglicherweise ärztlich oder psychologisch begleitet werden, eine Beratung im Sinne der Antragsfragen darstellen.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2019 | Seite 165 | ID 46091990