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  • · Fachbeitrag · Wohngebäudeversicherung

    Frostschäden an der Fassade kein Sturmschaden

    von RiOLG Dr. Dirk Halbach, Köln

    Bei Frostschäden an der Verblendfassade durch Eindringen von Wasser kann es am Nachweis der unmittelbaren Einwirkung von Sturm fehlen (LG Flensburg 14.3.14, 4 O 124/12, Abruf-Nr. 141902).

     

    Sachverhalt

    In der Wohngebäudeversicherung (VGB 2008) des VN heißt es u.a.:

     

    • „§ 4 VGB 2008
    • 1.Der VR leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die zerstört oder beschädigt werden oder abhandenkommen

     

      • a) durch unmittelbare Einwirkung des Sturms oder Hagels auf versicherte Sachen oder Gebäude, in denen sich versicherte Sachen befinden. …
      • ...
    • 2.Sturm ist eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort (Windgeschwindigkeit mindestens 63 km/h)“
     

    Zum Jahreswechsel 2010/2011 entstand bei Frost ein Schaden in Form von Abplatzungen am Verblendmauerwerk des Gebäudes. Der VN behauptet, der Schaden sei infolge von Stürmen, die geherrscht hätten, eingetreten. Das in das Verblendmauerwerk eingedrungene Wasser habe aufgrund des Sturms nicht abfließen bzw. austreten können. Wegen der Frosttemperaturen sei es dadurch zu Frostschäden im Verblendstein gekommen. Der Sturm sei die zeitlich letzte Ursache für den Schadenseintritt. Der VN fordert vom VR die Kosten für die Schadensbeseitigung. Das Gericht hat nach Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten die Klage abgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Dem VN steht nach Ansicht des LG kein Anspruch auf Ersatz seines Schadens zu. Voraussetzung für einen Leistungsanspruch ist ein Versicherungsfall. Ein solcher liegt aber nicht vor. Er wäre nur gegeben, wenn die versicherte Sache durch unmittelbare Einwirkung von Sturm oder Hagel zerstört oder beschädigt wird. Eine unmittelbare Einwirkung liegt vor, wenn der Sturm die zeitlich letzte Ursache des Sachschadens ist. Dem hierfür beweispflichtigen VN ist dieser Nachweis nicht gelungen. Vielmehr war die letzte Ursache für den Schadenseintritt der Frost.

     

    Der Sachverständige hat festgestellt, dass an den unbeschädigten Bereichen der Westwand vor allem die Stoßfugen offen seien. Zumindest sei aber kein Fugenmörtel mehr vorhanden. Er hat eine Bauteilöffnung in der Westwand in einem nicht geschädigten Bereich/an einem nicht geschädigten Stein vorgenommen. Dabei hat er festgestellt, dass der Stein völlig durchgefeuchtet sei. Der Mauerwerkmörtel sei gleichfalls völlig nass und sehr porös gewesen. Er habe sich nicht in Stücken oder „im Ganzen“ herauslösen lassen, sondern habe fast die Konsistenz eines Mauermörtels bei der Vermauerung gehabt. Der Stein sei als Lochstein zu bezeichnen. An der Süd-Ostwand hat er festgestellt, dass der Mauerwerksanker extrem angerostet und schon fast als durchgerostet zu diagnostizieren sei. Zudem hat er festgestellt, dass es im Fugenbild an der Westseite im Gegensatz zu den anderen Fassadenseiten mehr Einlaufstellen gebe. Dort sei der Mörtel gefühlt durchnässter, als an den anderen Seiten. Die vom Sachverständigen veranlasste Untersuchung der von ihm entnommen Ziegelsteinproben durch die Materialprüfungsanstalt habe ergeben, dass diese nicht frostbeständig seien.

     

    Der Sachverständige hat erklärt, die Ursache des überproportionalen Eindringens von liquidem Wasser in die Verblendung sei die nicht ordnungsgemäße Verfugung allgemein und die Vielzahl der (fast) offenen Stoßfugen, sowie teilweise auch der Lagerfugen mit dem dann frei liegenden Mauerwerksmörtel. Dieser sei wegen der sehr hohen maximalen Wasseraufnahme als extrem saugfähig einzuschätzen. Gleichzeitig werde das eindringende Wasser durch den hohen Lochanteil der Verblendsteine auch in die Bereiche geleitet, die an der äußeren Oberfläche noch ein offensichtlich intaktes Fugen- und Steinoberflächenbild hätten. Die gelochten Ziegel wirken wie eine Drainageleitung direkt in die darunterliegenden Bereiche. An den sogenannten Wetterseiten sei dieser Vorgang evtl. geringfügig unterstützt durch eine gleichzeitig größere Windbeanspruchung, wesentlich öfter anzusetzen als an den anderen Hausseiten. Selbst an den anderen Seiten, ohne die an der Westseite etwas öfter und etwas länger anhaltenden Regenbeanspruchungen mit gleichzeitiger Windunterstützung, sei das Wasser auch in den Fugenmörtel und das Steinmaterial der anderen Steine eingedrungen. Der verrostete, fast völlig durchgerostete Verblendanker sei ein deutlicher Hinweis auf diese häufigeren Vorgänge. Die Hauptursache für die Entstehung des Schadens sei die Verwendung von nicht frostsicheren Steinen.

     

    Selbst wenn es an einem Tag auch gestürmt habe, habe dieser Wind keinen Einfluss gehabt, wenn es gleichzeitig auch gefroren habe. Auch erzeuge der Wind, der in dieser Zeit geherrscht habe, nicht den Eisdruck. Der Wind könne bei Dauerregen noch zusätzlich Feuchtigkeit in den Stein drücken. Wind würde das Austrocknen eher unterstützen, so wie die Wäsche „auf der Leine“ viel schneller bei stetigem Wind als bei Windstille zu einem geringeren Widerstand des Mauerwerks führe.

     

    Praxishinweis

    Die in letzter Zeit gehäuft auftretenden Hagel- und Sturmschäden sowie Starkregen beschäftigen zunehmend die Gerichte. Insbesondere bei der Frage der Unmittelbarkeit der Einwirkung durch Sturm kommt es vielfach zum Streit. Nicht alle adäquaten Folgen eines Sturms sind versichert, sondern nur diejenigen Schäden, die durch einen der in den AVB abschließend aufgeführten Kausalverläufe entstanden sind. Abzustellen ist darauf, ob der Sturm die zeitlich letzte Ursache des Sachschadens ist (OLG Hamm VK 14, 70; OLG Saarbrücken VersR 06, 1635; VersR 10, 624; OLG Köln r+s 03, 65). Es genügt eine Mitursächlichkeit.

     

    Der VN trägt die volle Darlegungs- und Beweislast für die Mitverursachung. Die Beweiserleichterungen in § 11 Nr. 2 S. 2 VGB 2008 betreffen nur den Nachweis von mindestens Windstärke 8. In den meisten Fällen wird ein Gutachten einzuholen sein. Das LG war hier davon ausgegangen, dass sich die Ziegel bedingt durch Baumängel mit Wasser vollgesogen haben, bis sie gesättigt waren. Durch die Frosttemperaturen sei es dann zu einer Eisbildung in den Ziegeln gekommen mit der Folge eines Sprengdrucks, der zu den Abplatzungen führte. Aus diesem Grund hat das Gericht auch eine Beweiserhebung zu den Winddaten nicht für erforderlich gehalten.

     

    Dass allein der Frost sich vorliegend als die letzte Ursache darstellt, kann zweifelhaft sein. Eine etwaige Mitursächlichkeit des Sturms mit der Folge des Eindringens von Wasser ist möglich. Das OLG Saarbrücken (VersR 06, 1635) hat Mitursächlichkeit eines Sturms bei Putzschäden bejaht, wenn der Sturm letztlich zur Ablösung von Teilen des, wenn auch ohnehin nicht mehr fest an dem Unterputz haftenden, Oberputzes geführt hat. Dazu muss entsprechend vorgetragen und unter Beweis gestellt werden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zum Beweis der Windstärke 8: OLG Naumburg VK 14, 50
    • Zur Beschädigung eines Wohnwagens durch Sturm: OLG Hamm VK 14, 70 mit Übersicht
    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 119 | ID 42745745