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  • · Fachbeitrag · Raub

    Hausratversicherung: Kein Versicherungsschutz bei Wegreißen einer Halskette

    von RiOLG a.D. und RA Dr. Dirk Halbach, Köln

    | Allgemeine Versicherungsbedingungen einer Hausratversicherung können wirksam bestimmen, dass ein Raub außerhalb des Versicherungsorts nicht versichert ist, wenn Sachen „ohne Überwindung eines bewussten Widerstands entwendet werden“. Reißt der Täter dem VN eine Schmuckkette vom Hals und nutzt dabei lediglich das Überraschungsmoment dieser Handlung, besteht dann kein Versicherungsschutz. So entschied es das OLG Hamm. |

     

    Sachverhalt

    Der VN verlangt aufgrund einer bei dem VR abgeschlossenen Hausratversicherung Entschädigung wegen eines Raubüberfalls, bei dem ihm eine Schmuckkette vom Hals gerissen wurde. Das LG wies die Klage ab.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung des VN hatte vor dem OLG Hamm keinen Erfolg (4.6.20 / 30.4.20, 20 U 4/20, Abruf-Nr. 218030).

     

    Der geltend gemachte Schaden, der dem VN durch Entwendung der Halskette entstanden sein soll, ist nicht versichert. Bei dem vom VN behaupteten Entwendungsgeschehen handelt es sich nicht um einen ‒ versicherten ‒ Raub im Sinne von § 9 Nr. 9.4.1 i. V. m. § 3 Nr. 3.1 der vereinbarten AVB. Das behauptete Abreißen der Halskette ist keine „Gewalt“ im Sinne von § 3 Nr. 3.1 der vereinbarten AVB.

     

    Durch § 3 Nr. 3.1 Abs. 2 der vereinbarten AVB wird klargestellt, dass Anwendung von Gewalt nicht vorliegt, „wenn versicherte Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstands entwendet werden“. So lag es hier:

     

    • Der VN hat ‒ auch nach seinem Vortrag ‒ keinen bewussten Widerstand gegen die Wegnahme/das Abreißen der Kette geleistet.

     

    • Entgegen seiner Ansicht hat er auch nicht bereits durch das Anlegen und Verschließen der Halskette einen „gewissen vorbeugenden“ Widerstand geleistet. Dies erfolgte lediglich aus dem Grunde, um zu verhindern, dass die Kette abfällt.

     

    • Die Diebin hat sich lediglich durch Abreißen in den Gewahrsam der Kette gesetzt und hierbei das Überraschungsmoment ausgenutzt. In einem solchen Fall liegt kein Raub im Sinne der Bedingungen vor.

     

    Mit der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung erachtet der Senat eine solche Abgrenzung (Überwindung eines bewussten Widerstands) für wirksam.

     

    In dem abschließenden Beschluss hat das OLG ergänzend darauf abgestellt, an der Bewertung ändere der Umstand nichts, dass die Kette nur durch eine Substanzverletzung habe entrissen werden können. Es fehle vorliegend nicht an der Anwendung von Gewalt, sondern an der Überwindung eines bewussten Widerstands. Es bleibe daher dabei, dass dann, wenn die Gewalt ausschließlich dazu eingesetzt werde, um die Sache unter Ausnutzung des „Überraschungsmoments“ von dem Körper zu „reißen“, kein versicherter Raub vorliege.

     

    Hierbei sei irrelevant, ob es sich um eine Halskette, um eine Uhr oder um eine sonstige am Körper getragene Sache handelt. Ob die Auffassung, wonach auch bei einem „Hochziehen des Armes“ bzw. „Zurückreißen der Hand“ kein bewusster Widerstand geleistet werde, zutreffe, bedürfe keiner Entscheidung. Der VN sei nicht ‒ und sei es nur auch reflexartig ‒ zurückgewichen oder habe seinen Nacken „angespannt“, um die Wegnahme zu verhindern. Er habe nach seinen eigenen Angaben im „ersten Moment“ gar nicht gemerkt, dass seine Kette „weg“ sei.

     

    Unerheblich sei auch, ob der VN gesundheitlich überhaupt dazu in der Lage gewesen sei, körperliche Angriffe „abzuwehren“.

     

    MERKE | Ohnehin setze ein bewusster Widerstand nicht die „Abwehr“ eines körperlichen Angriffs voraus. Bewusster Widerstand wäre hier schon geleistet worden, wenn der VN beispielsweise einen Schritt zurückgewichen wäre.

     

    Relevanz für die Praxis

    Das Eingreifen der „Raubklausel“ in den unterschiedlichen AVB der Hausratversicherung ist häufig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten gewesen. Es ist anerkannt, dass es sich dabei nicht um eine überraschende Klausel handelt.

     

     

    Im Vordergrund der Rechtssteitigkeiten steht meist die Abgrenzung zum Diebstahl. Dazu die folgende Rechtsprechungsübersicht.

     

    • Rechtsprechungsübersicht: Abgrenzung Raub und Diebstahl

    KG VersR 20, 417

    Ist in den AVB der Hausratversicherung bei der Definition des versicherten Raubes („wenn gegen den VN Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten”) ferner bestimmt, dass Gewalt nicht vorliegt, „wenn versicherte Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstands entwendet werden (einfacher Diebstahl/Trickdiebstahl)”, so ist eine solche Begrenzung des versicherungsrechtlichen Raubtatbestands wirksam.

     

    Die Voraussetzungen eines versicherten Raubes liegen demzufolge nicht vor, wenn der VN beim abendlichen Flanieren zunächst nur ein Ziehen am Arm spürt und ihm erst beim Weglaufen der Täter bewusst wird, dass seine Armbanduhr Objekt des Zugriffs war.

    OLG Köln NJW-RR 19, 1371

    Der Begriff der „Androhung einer Gewalttat mit Gefahr für Leib und Leben, die an Ort und Stelle verübt werden soll“ als Voraussetzung für den Versicherungsfall „Raub“ im Sinne der Nr. 5.4 Hausratversicherung (AHR-MPM 2009 Fassung 4.2011) ist abzugrenzen zu einem nicht versicherten einfachen Diebstahl/Trickdiebstahl. Zur AGB-rechtlichen Wirksamkeit der Klausel gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 und § 305c Abs. 1 BGB.

     

    OLG Köln VK 17, 184

    Eine Beraubung im Sinne von § 5 Nr. 3 a) VHB 2005 ist nur dann versichert, wenn gegen den VN Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten, wobei Gewalt nicht gegeben ist, wenn die Sachen ohne Überwindung eines bewussten Widerstands entwendet werden (hier: Täuschung durch „BKA ‒ Trick“ ). Die Klausel in § 5 Nr. 3 a) 2. Hs. VHB 2005 ist weder wegen Intransparenz (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) noch als Überraschungsklausel § 305 c) Abs. 1 BGB unwirksam.

     

    OLG Karlsruhe VersR 09, 1360

    Ein versicherter Raub im Sinne von § 5 Nr. 3a VHB 2002 liegt nur dann vor, wenn gegen den VN Gewalt angewendet wird, um dessen Widerstand gegen die Wegnahme versicherter Sachen auszuschalten. Entscheidend ist der Zusammenhang zwischen Handlungen des Täters und Verhalten des Opfers. Sofern der Täter mit seiner Handlung (auch) einen vom Opfer bewusst ausgeübten Widerstand überwindet oder ausschaltet, liegt Gewalt vor. Hingegen genügt es für einen versicherten Raub nicht, wenn der Täter die entwendete Sache (Armbanduhr) mit einem Kraftaufwand an sich reißt und dabei nur das Überraschungsmoment ausnutzt.

     

    OLG Düsseldorf VK 16, 48

    Raub im Sinne des Versicherungsrechts liegt nur vor, wenn der Täter einen bewussten Widerstand überwindet.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Wann ist ein Diebstahl im Freibad von der Versicherung gedeckt? VK 15, 142
    • Raub einer wertvollen Uhr in Neapel: OLG Köln VK 07, 95
    Quelle: Ausgabe 11 / 2020 | Seite 187 | ID 46956111