Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.03.2012 · IWW-Abrufnummer 120678

    Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 29.11.2011 – 9 U 75/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Köln

    9 U 75/11
    Tenor:

    Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.3.2011 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 439/10 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtstreits werden der Klägerin auferlegt.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    f ü r R e c h t e r k a n n t :
    Auf die Berufung der Beklagten wird das am 24.3.2011 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 439/10 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
    Die Klage wird abgewiesen.
    Die Kosten des Rechtstreits werden der Klägerin auferlegt.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
    Die Revision wird nicht zugelassen.
    G r ü n d e :
    I. Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege der sog. Einziehungsklage aus gepfändetem und überwiesenem Recht als Berufshaftpflichtversicherer des früheren Rechtsanwalts N. aus Q. in Anspruch. Diesem ist erstinstanzlich der Streit verkündet worden.
    Die Parteien streiten darüber, ob der Deckungsanspruch besteht und ob Leistungsfreiheit der Beklagten wegen wissentlicher Pflichtverletzung des Streitverkündeten anzunehmen ist.
    Im Haftungsprozess vor dem Landgericht Potsdam – 12 O 291/08 – wurde der Streitverkündete durch Versäumnisurteil vom 3.4.2009, Bl. 8, und durch Urteil vom 8.9.2009, Bl. 9, nach näherer Maßgabe zur Zahlung an die Klägerin verurteilt. Gegenstand des Haftungsprozesses waren anwaltliche Pflichtverletzungen des Streitverkündeten (Rechtsanwalt N.) im Zusammenhang mit der Prozessführung in einem vor dem Amtsgericht Potsdam geführten Rechtsstreit – 23 C 165/06 -, in dem die Klägerin von dem damaligen Treuhänder über das Vermögen ihres ehemaligen Lebensgefährten, M. L., auf Zahlung von 18.000,00 € in Anspruch genommen wurde. Im Ausgangsprozess ging es um Zahlung eines Entschädigungsbetrages für die Errichtung eines Carports nach Beendigung des Mietverhältnisses zwischen der hiesigen Klägerin als Vermieterin und Herrn L. als Mieter. Die hiesige Klägerin hatte behauptet, Herr L. habe eine Zusatzvereinbarung über die Entschädigung (§ 24 des Mietvertrages) nachträglich eigenmächtig in den Mietvertrag eingesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte Amtsgericht Potsdam 23 C 165/06 Bezug genommen.
    Im Haftungsprozess gegen den Streitverkündeten ist u.a. folgendes festgestellt:
    „Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Potsdam vom 24.1.2007 ist ein Beweisbeschluss erlassen worden, wonach die Zeugen L., A. und X. zu der Behauptung des Klägers des Ausgangsprozesses, dass sich im unterschriebenen Mietvertrag bereits die streitentscheidende Klausel befand, gehört werden sollten. Zu diesem Termin erschien auch die damalige Beklagte und hiesige Klägerin sowie ihr damaliger Prozessbevollmächtigte, der Beklagte. Der Zeuge A. bestätigte im Rahmen der Beweisaufnahme, dass das unterschriebene Vertragsexemplar die streitgegenständliche Klausel bereit enthielt. Auch im Fortsetzungstermin vom 25.4.2007 erschien der hiesige Beklagte. Im Rahmen der Beweisaufnahme bestätigte auch der Zeuge L., dass der Mietvertrag bei Unterschriftsleistung vollständig war..... Die von der damaligen Beklagten und hiesigen Klägerin benannte Zeugin X. war nicht erschienen. Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme wurde daraufhin anberaumt auf den 10.5.2007. Der Beklagte erschien zu diesem Termin ebenso wie die geladene Zeugin X. nicht. Auf Antrag des Klägervertreters ist sodann ein erstes Versäumnisurteil gegen die damalige Beklagte und jetzige Klägerin erlassen worden. Gegen das Versäumnisurteil legte der jetzige Beklagte mit Schriftsatz vom 16.5.2007 Einspruch mit der Begründung ein, es habe sich um einen Beweisaufnahmetermin gehandelt, zu dem er nicht habe erscheinen müssen, da es ein Fortsetzungstermin gewesen sei und die Anträge bereits gestellt worden seien. Termin über den Einspruch und Hauptsache wurde hiernach anberaumt auf den 13.6.2007. Zu diesem wurde der Beklagte ordnungsgemäß geladen. Er ist nicht erschienen. Im Termin wurde zunächst die Zeugin X. vernommen. Sodann beantragte der damalige Klägervertreter den Erlass eines Zweiten Versäumnisurteils, hilfsweise Aufrechterhaltung des Ersten Versäumnisurteils. Das Amtsgericht erließ darauf erneut ein erstes Versäumnisurteil gegen die damalige Beklagte, mit dem das Versäumnisurteil vom 10.5.2007 aufrechterhalten wurde. Gegen dieses Versäumnisurteil legte der Beklagte am 11.7.2007 Einspruch ein. Termin über den Einspruch und Hauptsache wurde daraufhin anberaumt auf den 5.9.2007. Zu diesem Termin wurde der Beklagte abermals geladen und er erschien erneut nicht. Hierauf erließ das Amtsgericht ein zweites Versäumnisurteil, das dem Beklagten am 14.9.2007 zugestellt worden ist. Hiergegen wurden keine Rechtsmittel eingelegt. Der Beklagte informierte die Klägerin zu keiner Zeit über den Verfahrensstand......“
    Die Klägerin erfuhr von den Versäumnisurteilen erst, als der Gerichtsvollzieher sich am 25.3.2008 bei ihr meldete. Im Haftungsprozess hielt das Landgericht Potsdam die Klage auf Schadensersatz wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages in Höhe von insgesamt 22.469,28 € für begründet. Es führte aus, der Beklagte habe seine anwaltlichen Pflichten zum einen dadurch verletzt, dass er insgesamt zu drei Terminen im Ausgangsverfahren trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen sei, so dass gegen die Klägerin Versäumnisurteile ergangen seien, zum anderen, dass er die hiesige Klägerin nicht über den Fortgang des Verfahrens und die Urteile informiert habe. Der Klägerin sei auch ein kausaler Schaden entstanden. Denn bei ordnungsgemäßer Vertretung im Ausgangsprozess hätte die Klägerin diesen gewonnen. Das Landgericht Potsdam führte u.a. aus, dass die Klage jedenfalls bei ordnungsgemäßer Vertretung der hiesigen Klägerin hätte abgewiesen werden müssen, weil der Kläger im Ausgangsverfahren nicht hinreichend substantiiert dargetan habe, dass die hiesige Klägerin und damalige Beklagte den Rückbau des Carports bereits endgültig verweigert hatte, mit der Folge, dass infolge des einfachen Bestreitens dieser Behauptung durch die damalige Beklagte und hiesige Klägerin die Klage abzuweisen gewesen wäre.
    Der Streitverkündete trug im Haftungsprozess vor (Bl. 99 ff BA), dass ein streitiges Urteil dazu geführt hätte, dass festgestellt worden wäre, dass die Klage begründet sei, und weitere Kosten entstanden wären.
    Zwischen dem Streitverkündeten und der Beklagten bestand eine Berufshaftpflichtversicherung auf Grundlage der AVB-WSR (im einzelnen Bl. 84 ff, 181 ff). In § 4 Nr. 5 der Bedingungen ist bestimmt, dass sich der Versicherungsschutz nicht bezieht auf Haftpflichtansprüche wegen Schadensverursachung durch wissentliche Pflichtverletzung.
    Die Klägerin erwirkte gegen den Streitverkündeten einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss – 48 M 158/10 – des AG Potsdam (Bl. 20), in dem die Forderungen der Klägerin nach näherer Maßgabe gepfändet und überwiesen wurden.
    Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Ansicht vertreten, der Streitverkündete habe aus seiner Sicht alles richtig gemacht. Soweit er nicht gesehen habe, dass die Klage im Ausgangsverfahren nach Ansicht des Haftpflichtgerichtes hätte abgewiesen werden müssen, sei dies allenfalls fahrlässig.
    Die Klägerin hat beantragt,
    1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 23.572,78 € nebst Zinsen
    in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
    aus 20.555,65 e seit dem 22.5.2008, aus weiteren 919,98 € seit dem
    15.8.2008, aus weiteren 1.103,50 € seit dem 15.8.2008 und aus
    weiteren 993,95 € seit dem 8.7.2008 zu zahlen,
    2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.073,53 € nebst Zinsen
    in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
    dem 5.10.2009 zu zahlen,
    3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 346,28 € nebst
    Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen
    Basiszinssatz seit dem 21.5.2010 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
    Die Beklagte hat beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Die Beklagte hat sich auf den Leistungsausschluss wegen wissentlicher Pflichtverletzung berufen. Zudem bestehe Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzungen sowie wegen Folgeprämienverzuges. Außerdem sei kein Schaden der Klägerin – jedenfalls wie das LG Potsdam festgestellt habe, ersichtlich.
    Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat u.a. ausgeführt, der Klägerin stehe aus dem Deckungsanspruch des Streitverkündeten ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu. Ein Deckungsausschluss wegen wissentlicher Pflichtverletzung sei nicht gegeben. Die Beklagte sei insoweit beweisfällig geblieben. Zwar bestehe die Pflicht eines Anwalts, zu jedem Termin zu erscheinen. Die Kammer sei jedoch nicht davon überzeugt, dass der Streitverkündete wissentlich gegen sein Anwaltspflichten verstoßen habe. Es bestehe die nicht fern liegende Möglichkeit, dass der Streitverkündete zwar erkannt habe, dass er grundsätzlich verpflichtet gewesen sei, zu gerichtlichen Terminen zu erscheinen und eine Sache nicht ohne Rücksprache mit seiner Mandantin verloren zu geben, dass er sich jedoch in einem die wissentliche Pflichtverletzung ausschließenden Rechtsirrtum befunden habe. Von Kardinalpflichten sei zwar vorliegend auch auszugehen. Es habe aber nicht klar auf der Hand gelegen, dass hinsichtlich der Klage ungeachtet der für die Klägerin ungünstig verlaufenden Beweisaufnahme von einer Klageabweisungsreife auszugehen sei. Die objektive Schadensentstehung durch den Streitverkündeten stehe zwar für das Deckungsverfahren bindend fest, jedoch sei eigenständig zu prüfen, wie die Willensrichtung des Streitverkündeten beschaffen gewesen sei. Die Auffassung des Haftpflichtgerichts habe sich dem Anwalt nicht aufdrängen müssen. Es sei eher zu erwarten gewesen, dass das Amtsgericht die Klage sogleich abgewiesen hätte, wenn es die Rechtslage auch so gesehen hätte. Von daher bleibe unentschieden, ob der konkret denkbare Irrtum des Streitverkündeten, die Sache sei objektiv ohnehin verloren, nur die Frage betreffe, ob seine erkannten Pflichtverstöße schadensursächlich werden würden oder er gedacht habe, eine Pflicht zum Erscheinen bestehe bereits dann nicht, wenn er eine im Ergebnis aussichtslose Sache vertrete. Die übrigen Einwendungen der Beklagtenseite seien neben der Sache.
    Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie Rechtsverletzung rügt. Sie macht unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages im wesentlichen geltend, es bestehe Leistungsfreiheit wegen wissentlicher Pflichtverletzung. Es sei davon auszugehen, dass bei Verstößen gegen Vorschriften, die speziell die berufliche Tätigkeit betreffen, dem Versicherungsnehmer diese Regeln geläufig seien. Hier handele es sich um eine elementare Pflicht. Fehlerhaft sei das Landgericht davon ausgegangen, die Annahme des Anwalts, sein Auftreten sei ohnehin sinnlos, würde eine wissentliche Pflichtverletzung ausschließen. Dass ihm die Pflicht, Gerichtstermine wahrzunehmen, nicht bekannt gewesen sei, werde vom Streitverkündeten selbst nicht geltend gemacht. Das Landgericht habe zutreffend konstatiert, dass auch dann eine wissentliche Pflichtverletzung vorliege, wenn der konkret denkbare Irrtum des Streitverkündeten, die Sache sei objektiv ohnehin verloren, letztlich nur die Frage betreffe, ob seine als solche erkannten Pflichtverstöße nicht schadensursächlich werden würden.
    Die Beklagte beantragt,
    unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
    Die Klägerin beantragt,
    die Berufung zurückzuweisen.
    Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, die Beklagte habe den zutreffenden Versicherungsschein nicht vorgelegt, so dass die Einbeziehung der AVB-WSR nicht belegt sei. Im übrigen habe die Beklagte nicht bewiesen, dass der Streitverkündete wissentlich seine Pflichten verletzt habe. Deckungslücken und Obliegenheitsverletzungen seien nicht gegeben.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
    Die zu Informationszwecken beigezogenen Akten 23 C 165/06 Amtsgericht Potsdam und 12 O 291/08 Landgericht Potsdam sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
    II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist begründet.
    1. Der Klägerin steht der im Wege der Einziehungsklage geltend gemachte Entschädigungsanspruch nach den §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 der zwischen dem Streitverkündeten und der Beklagten abgeschlossenen Vermögensschadenhaftpflichtversicherung (AVB-WSR – GKA VH 558:1 2003.1 ) nicht zu.
    2. Durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Potsdam – 48 M 158/10 - hat der Gläubiger die Einziehungsbefugnis erlangt und kann den Anspruch gegen den Drittschuldner geltend machen (vgl. Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 836 Rn 3).
    3. Der Anspruch des Streitverkündeten gegen die Beklagte ist nach § 4 Nr. 5 AVB - WSR ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schadenverursachung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.
    Dass das Regelwerk mit dem Leistungsausschluss wegen wissentlicher Pflichtverletzung zwischen dem Streitverkündeten und der Beklagten vereinbart war, hat das Landgericht seiner Entscheidung als unstreitig zugrunde gelegt. Davon hat der Senat auszugehen, §§ 314, 529 Abs.1 Nr.1 ZPO. Die Klägerin hat erstinstanzlich auch nicht geltend gemacht, dass die von der Beklagten eingereichten AVB – WSR nicht Vertragsbestandteil geworden seien. Mit ihrem jetzigen Bestreiten muss die Klägerin an der Novensperre des § 531 Abs. 2 ZPO scheitern.
    Dass der Versicherungsschein für den maßgebenden Zeitraum nicht vorgelegt worden ist, ist nicht entscheidend.
    a) Wissentlich handelt derjenige Versicherungsnehmer, der die verletzten Pflichten positiv kennt. Es muss feststehen, dass der Versicherungsnehmer die Pflichten gekannt und sich bewusst darüber hinweggesetzt hat (vgl. BGH VersR 2006, 106; VersR 1991, 176; VersR 1986, 647; Senat VersR 2009, 250; Senat Beschl. v. 12.5.2009 – 9 U 19/09; VersR 2002, 1371; OLG Hamm OLGR 2000, 9; OLG Saarbrücken ZfS 2008, 219).
    b) Aus dem rechtskräftigen Haftpflichturteil ergibt sich eine Bindungswirkung hinsichtlich der Pflichtverletzung, soweit es um den Haftungstatbestand geht.
    Es handelt sich um eine notwendige Ergänzung des bei der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzips. Danach ist grundsätzlich im Haftungsprozess zu entscheiden, ob und in welcher Höhe der Versicherungsnehmer dem Geschädigten haftet. Damit wird verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und die zugrunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut in Frage gestellt werden können (vgl. BGH VersR 2011, 203; VersR 2001, 1103; BGHZ 119, 276). Eine Bindung ist auch gegeben, wenn daneben noch andere Pflichtverletzungen bestehen mögen. Der Haftpflichtversicherer darf sich zur Begründung des Leistungsausschlusses nicht auf andere als die festgestellten Pflichtverletzungen berufen (BGH VersR 2011, 203 m.w.N).
    Die Bindungswirkung geht aber nicht weiter, als eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage sich auch im Haftpflichtprozess nach dem vom Haftpflichtgericht gewählten rechtlichen Begründungsansatz bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung als entscheidungserheblich erweist, also Voraussetzungsidentität vorliegt. Die Begrenzung der Bindungswirkung auf die Voraussetzungsidentität ist insbesondere deshalb geboten, weil der Versicherungsnehmer und der Versicherer keinen Einfluss darauf haben, dass der Haftpflichtrichter überschießende, nicht entscheidungserhebliche Feststellungen oder Rechtsausführungen macht (vgl. BGH VersR 2011, 203; OLG Saarbrücken ZfS 2007, 522).
    c) Danach ergibt sich aus dem Haftpflichturteil des Landgerichts Potsdam, dass der Streitverkündete zu den Verhandlungs- und Beweisaufnahmeterminen am 10.5.2007, 13.6.2007 und 5.9.2007 nicht erschienen ist. Ein Rechtsmittel gegen das zweite Versäumnisurteil wurde nicht eingelegt, und der Streitverkündete informierte die Klägerin zu keiner Zeit über den Gang des Prozesses. Der Streitverkündete verletzte nach den Feststellungen des Landgerichts Potsdam im Haftungsprozess seine anwaltlichen Pflichten zum einen dadurch, dass er zu insgesamt drei Terminen im Ausgangsverfahren trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschien und die Mandantin über den Fortgang des Verfahrens und die ergangenen Urteile nicht informierte.
    Das Haftpflichtgericht stellte zudem mit Bindungswirkung fest, dass durch diese Pflichtverletzungen auch ein kausaler Schaden entstanden ist, weil bei ordnungsgemäßer Vertretung im Ausgangsprozess die Klägerin diesen gewonnen hätte.
    d) Die Wissentlichkeit, also die Frage des Verschuldens, wird von der Bindungswirkung nicht erfasst. Im Deckungsprozess ist die Wissentlichkeit selbständig zu beurteilen (vgl. BGH VersR 1986, 647; OLG Saarbrücken ZfS 2007, 398; ZfS 2008, 219). Bei der Bewertung sind die Gesamtumstände des anwaltlichen Mandats, der Inhalt des Pflichtenkreises und die Motivation hinsichtlich des wissentlichen Pflichtverstoßes zu berücksichtigen (vgl. BGH VersR 2006, 106; Senat VersR 2009, 250).
    Wie auch im Bereich anderer Berufshaftpflichtversicherungen ist anzunehmen, dass der Versicherungsnehmer die geläufigen Vorschriften und Pflichten kennt (vgl. Senat VersR 1990, 193; VersR 2009, 58; Lücke in Prölss/Martin, 28. Aufl., zu BBR Arch A. Nr. 4 Rn 13 ff (Seite 1658).
    Kenntnis und Wille, die Pflichten nicht zu beachten, sind innere Tatsachen, auf die auf Grund von Indizien geschlossen werden kann. Es gilt zwar nicht der Anscheinsbeweis, aber es kann aus dem äußeren Geschehen und der Fundamentalität der Pflichtverletzung von einer wissentlichen Pflichtverletzung ausgegangen werden (vgl. OLG Saarbrücken, ZfS 2007, 522).
    Man muss in diesem Zusammenhang vom Versicherungsnehmer – bzw. von der im Rechtsstreit an seine Stelle getretenen Klägerin - verlangen (sekundäre Darlegungslast), dass er bei Verletzung von Elementarwissen plausibel macht und darlegt, aus welchen Gründen es zum Verstoß gekommen ist (vgl. OLG Saarbrücken, ZfS 2007, 522; ZfS 2008, 219; OLG Frankfurt, NVersZ 2000, 439; OLG Hamm VersR 2000, 483; OLG Köln VersR 1990, 193; Lücke, a.a.O., Rn 13; Fahrendorf u.a., Die Haftung des Rechtsanwalts, 4. Aufl., Rn 2322 f). Danach ist im vorliegenden Fall von einer wissentlichen Verletzung anwaltlicher Pflichten auszugehen.
    Die Pflicht, einen Gerichtstermin wahrzunehmen und ein Versäumnisurteil zu verhindern, jedenfalls in diesem Zusammenhang Schaden von dem Mandanten abzuwenden, gehört zu den Grundpflichten des Anwalts (vgl. dazu Zugehör u.a., Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn 752; OLG Köln, 20. Zivilsenat VersR 2009, 58). Es handelt sich um eine elementare Berufspflicht.
    Vorliegend ist der wissentliche Pflichtenverstoß des Streitverkündeten darin zu sehen, dass er – jedenfalls nach Erlass des ersten Versäumnisurteils - bewusst seine Mandantin nicht unterrichtet und eine Weisung eingeholt hat. Er hätte - ohne Rücksprache – auf jeden Fall den Gerichtstermin wahrnehmen müssen, um ein zweites Versäumnisurteil zu vermeiden (vgl. Mennemeyer in Fahrendorf, a.a.O., Rn 2324 bei Abweichungen von Weisungen des Auftraggebers; vgl. BGH NJW 2002, 2453 bei Flucht in die Säumnis; vgl. OLG Köln, 20. Zivilsenat, VersR 2009, 58). Über diese fundamentale Pflicht hat er sich bewusst hinweggesetzt. Seine Darlegung der Motivation ist nicht plausibel.
    Danach kommt es nicht darauf an, dass der Streitverkündete hinsichtlich der materiellen Rechtslage des Ausgangsverfahrens eine unrichtige Ansicht vertreten und gemeint hat, das Amtsgericht hätte nur festgestellt, dass die Klage begründet sei und er müsse in einer aussichtslosen Sache nicht erscheinen. Zudem war diese Einschätzung nach den bindenden Feststellungen des Haftpflichtgerichts auch falsch, denn danach hätte die Klage bei ordnungsgemäßer Vertretung der hiesigen Klägerin abgewiesen werden müssen. Der Streitverkündete hat jedenfalls bewusst die Mandantin nicht informiert und Weisung eingeholt. In einem solchen Fall ist eine wissentliche Pflichtverletzung gegeben.
    4. Die Frage, ob Leistungsfreiheit aus anderen Gründen besteht, konnte demnach offen bleiben.
    5. Ein Anspruch auf Ersatz von Prozesskostenkosten und Zwangsvollstreckungskosten besteht mangels Deckungspflicht der Beklagten nicht.
    III. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
    Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung hat keine über den Einzelfall mit seien Besonderheiten hinausgehende Bedeutung. Auch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.
    Streitwert für das Berufungsverfahren: 26.992,57 €