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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 08.05.1996 – I 88/94

    1. Bildet eine Wärmerückgewinnungsanlage eine technisch-funktionelle Einheit mit einer als Betriebsvorrichtung zu qualifizierenden Betriebsvorrichtung, so ist die Anlage selbst eine Betriebsvorrichtung, auch wenn Sie mit der Kühlzelle keine zulagenrechtliche Einheit bildet.

    2. Dies gilt selbst dann, wenn die Wärmegewinnungsanlage zugleich Heizungs- und Warmwasseraufbereitungsaufgaben erfüllt, solange sie nur überwiegend einem Betriebsvorgang dient.


    Im Namen des Volkes hat der 1. Senat des Thüringer Finanzgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung am 08.05.1996 für Recht erkannt:

    1. Der Investitionszulagebescheid für 1992 vom 20.07.1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.05.1994 wird geändert und die Investitionszulage für 1992 auf 39.750,– DM festgesetzt.

    2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

    3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    4. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Beschluß

    Der Streitwert wird bis zum 08.05.1996 auf 1.532,– DM, danach auf 764,– DM festgesetzt.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten um die Förderbarkeit einer Wärmerückgewinnungsanlage.

    Der Kläger ist Fleischermeister und Inhaber eines Fleischerhandwerksbetriebes. Die Produktionsräume befinden sich auf eigenem Grundstück. Die Verkaufsräume sind gemietet. Im Streitjahr (1992) richtete der Kläger die Produktionsräume auf seinem eigenen Grundstück her und schaffte neue Maschinen, Geräte und Einrichtungsgegenstände an.

    Er beantragte für 1992 – neben weiteren, hier nicht streitigen Wirtschaftsgütern – u. a. Investitionszulage für die Anschaffung einer Wärmerückgewinnungsanlage (Bemessungsgrundlage 9.543,– DM).

    Der Beklagte (das Finanzamt – FA) lehnte dies im Investitionszulagenbescheid vom 20.07.1993 und in seiner Einspruchsentscheidung vom 18.05.1994 ab.

    Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er meint, die Wärmerückgewinnungsanlage habe allein den Sinn, die von den Kühlaggregaten abgegebene Wärme wiederum für die Warmwasseraufbereitung im Produktionsbereich zu nutzen. Damit sei die Wärmerückgewinnungsanlage einseitig auf eine Verbesserung der Produktion ausgerichtet.

    Der Kläger hatte zunächst überdies Investitionszulage für ein Abflußsystem und für ein spezielles Handwaschbecken (Bemessungsgrundlage insgesamt: 9.607,13 DM) beantragt. Er hat seinen Antrag auf Vorschlag des Gerichts entsprechend eingeschränkt.

    Der Kläger beantragt,

    den Investitionszulagenbescheid vom 20.07.1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.05.1994 zu ändern und die Investitionszulage 1992 auf 39.750,– DM festzusetzen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Er meint, bei der Wärmerückgewinnungsanlage handele es sich um einen Gebäudebestandteil.

    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    1. Unzutreffend hat das Finanzamt die Wärmerückgewinnungsanlage nicht als förderbares Wirtschaftsgut (Betriebsvorrichtung), sondern als Gebäudebestandteil behandelt.

    Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes – InvZulG – haben Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes, die im Fördergebiet begünstigte Investitionen im Sinne der §§ 2 und 3 vornehmen, Anspruch auf eine Investitionszulage. Begünstigte Investitionen sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 InvZulG die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Zu den beweglichen Wirtschaftsgütern gehören bewegliche Sachen (§ 90 des bürgerlichen Gesetzbuches), Tiere (§ 90 a des BGB), Betriebsvorrichtungen (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes) sowie Scheinbestandteile (§ 95 BGB). Unbewegliche Wirtschaftsgüter sind z. B. Grund und Boden, Gebäude, Gebäudeteile, Eigentumswohnungen, Teileigentum, Anteile an Kapitalgesellschaften, Forderungen.

    Bei der Wärmerückgewinnungsanlage, um die es hier geht, handelt es sich nicht um einen Gebäudeteil, sondern um eine Betriebsvorrichtung und damit um ein bewegliches Wirtschaftsgut (vgl. BFH-Beschluß vom 26.11.1973 GrS 5/71, BStBl II 1974, 132).

    Betriebsvorrichtungen sind Gegenstände, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben wird. Es genügt nicht, daß die Anlage zu einem gewerblichen Betrieb gehört, oder daß sie für die Ausübung des konkret im Gebäude ausgeübten Gewerbebetriebes nützlich, notwendig oder sogar vorgeschrieben ist. Erforderlich ist vielmehr, daß die Anlage in einer besonderen Beziehung zum gegenwärtig im Gebäude ausgeübten Betrieb steht, d. h. ihr in Bezug auf die Ausübung des Gewerbebetriebes eine ähnliche Funktion wie eine Maschine zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.1991, II R 14/89, BStBl II 1992, 278).

    Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Die Wärmerückgewinnungsanlage, um die es hier geht, bildet eine technisch-funktionelle Einheit mit der Kühlzelle, ohne die es die Rückgewinnungsanlage nicht gäbe. Eine Kühlzelle ist aber eine Betriebsvorrichtung (BFH-Urteil vom 30.01.1991, II R 48/88, BStBl II 1991, 618). Sie steht in einer besonderen Beziehung zum im Gebäude ausgeübten Betrieb. Daher kommt auch der Wärmerückgewinnungsanlage eine in Bezug auf die Ausübung des Gewerbebetriebes ähnliche Funktion wie eine Maschine zu. Sie hat die Aufgabe, die von den Kühlaggregaten abgegebene Wärme wirksam für die Warmwasseraufbereitung im Produktionsbereich zu nutzen. Zwar stellt sie zusammen mit der Kühlzelle keine zulagenrechtliche Einheit dar (vgl. dazu das BFH-Urteil vom 06.10.1995, III R 101/93, BStBl II 1996, 166 ff, m.w.N.). Weil die Wärmerückgewinnungsanlage aber technisch auf die Kühlzelle abgestimmt ist, teilt sie die zulagenrechtliche Qualifikation der Kühlzelle als Betriebsvorrichtung.

    Dies gilt auch dann, wenn und soweit die Wärmerückgewinnungsanlage zugleich der Heizungs- und Warmwasseranlage dient. Zwar bilden Sammelheizungsanlagen, Be- und Entlüftungsanlagen, Klimaanlagen, Warmwasseranlagen und Müllschluckanlagen regelmäßig Teile des Gebäudes (BFH-Urteil vom 07.03.1994,BStBl II 1994, 429). Sie rechnen aber dann zu den Betriebsvorrichtungen, wenn sie ganz oder überwiegend einem Betriebsvorgang dienen, z. B. Klimaanlagen in Chemiefaserfabriken (so die gleichlautenden Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder betreffend Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen vom 31.03.1992, BStBl I 1992, 342, Tz. 30). So verhält es sich im Streitfall; denn die Wärmerückgewinnungsanlage ergänzt die Kühlzelle, indem sie die von den Kühlaggregaten abgegebene Wärme aufbereitet.

    2. Daraus ergibt sich folgende Berechnung der Investitionszulage:

    Investitionszulage 1992 laut Einspruchsentscheidung:38.986,– DM.
    + 8 v.H. von 9.543,– (Wärmerückgewinnungsanlage764,– DM
    Investitionszulage 1992 lt. Urteil39.750,– DM


    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 FGO. Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus den §§ 13 und 25 des Gerichtskostengesetzes.

    Der Senat sieht keinen Anlaß, die Revision zu zulassen.

    VorschriftenInvZulG § 2 Abs. 1 S. 1, InvZulG § 1 Abs. 1 S. 1, BewG § 68 Abs. 2 Nr. 2