08.01.2010
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 22.08.2000 – 2 K 1253/99
Bei der Bewertung von Forderungen besteht kein dahingehender Erfahrungssatz, dass bei einem Zahlungsziel von 60 Tagen eines ausländischen Kunden mit schlechter Zahlungsmoral und angespannter Finanzlage mit dem Eingang der Forderungen überhaupt nicht mehr zu rechnen ist.
Tatbestand
Streitig ist die Einzelwertberichtigung einer Forderung.
Mit notarieller Urkunde vom 28. Dezember 1990 wurde die ... gegründet. Gegenstand des Unternehmens war die industrielle Produktion und der Handel mit Abbruch- und Verschrottungsgeräten.
Mit notarieller Urkunde vom 19. Februar 1997 wurde die GmbH unter Auflösung ohne Abwicklung auf die Klägerin verschmolzen. Die Verschmelzung erfolgte im Wege der Aufnahme durch Übertragung des Vermögens als Ganzes ohne Abwicklung auf die übernehmende Gesellschaft gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 4 ff., 39 ff., 46 ff. Umwandlungsgesetz. Die Verschmelzung erfolgte im Innenverhältnis schuldrechtlich mit Wirkung zum 26. Juni 1996. Zum 26. Juli 1996 wurden ... und ... als Geschäftsführer abberufen; zum neuen allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer wurde ... bestellt. Am 28. Februar 1997 wurde die Verschmelzung im Handelsregister eingetragen.
Im Jahr 1997 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung betreffend die ... GmbH für die Jahre 1992 bis 1995 durch. Im Betriebsprüfungsbericht ließ der Prüfer die Einzelwertberichtigung einer Kundenforderung gegenüber der in den USA ansässigen A. D. Inc. in Höhe von 329.312,81 DM im Jahr 1995 nicht zu. Dies begründete er damit, dass die wertberichtigten Forderungen nach Bilanzaufstellung von der A. beglichen wurden und die GmbH mit der A. auch weiterhin Geschäfte getätigt hatte. Des Weiteren ließ der Prüfer eine an W. gezahlte Vergütung für die Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern nicht zum Abzug zu.
Der Beklagte erließ entsprechend dem Betriebsprüfungsbericht geänderte Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 1992 bis 1995, sowie geänderte Bescheide über die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals gemäß § 47 KStG zum 31. 12. 1992 bis 31. 12. 1995, geänderte Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens und Vermögensteuerbescheide auf den 1. 1. 1993 bis 1. 1. 1996. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit ihrer Klage begehrte wie bereits im Einspruchsverfahren die Klägerin die steuerliche Anerkennung der Nutzungsvergütungen für die Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter und der Einzelwertberichtigung auf die Forderung gegenüber der A.
Zur Begründung der Einzelwertberichtigung bei den Forderungen gegenüber der A. trägt sie vor, diese sei gebildet worden, weil dem Unternehmen an den Bilanzstichtagen Umstände bekannt gewesen seien, die den Schluss zugelassen hätten, dass die Forderungen mit über das allgemeine Kreditrisiko hinaus gehenden Risiken behaftet gewesen seien. Indiz für die fehlende Werthaltigkeit der Forderungen seien die schleppenden Zahlungen des Kunden, die fehlenden flüssigen Mittel und die negativen Auskünfte der Hausbank gewesen. Fällige Zahlungen seien zwar häufiger in Aussicht gestellt worden, jedoch sei die tatsächliche Zahlung erst Monate später erfolgt. Bei dem in den USA ansässigen Kunden seien Beitreibungsmaßnahmen, bzw. sonstige Druckmittel nur schwierig durchzuführen gewesen. Die Klägerin hätte theoretisch ihre Lieferungen zurück verlangen können; jedoch habe es sich um Tonnen schwere, in der Regel per Schiff beförderte Güter gehandelt, deren Rücktransport mit erheblichen Kosten verbunden gewesen wäre. Trotz der Schwierigkeiten sei die Klägerin gezwungen gewesen, an dem Kunden fest zu halten, nachdem der inländische und europäische Markt rückläufig gewesen sei. Der Kunde A. sei ausschließlich Händler für Produkte der Klägerin gewesen; bei Nichtmehrbelieferung hätte er keine Umsätze mehr erzielt. Außerdem habe die Klägerin für die Kunden der A. vertragsgemäß den Service aufrecht erhalten müssen. Aus diesen Gründen seien an jedem Bilanzstichtag alle Forderungen, die älter als vier Monate und bis zur Bilanzerstellung nicht bezahlt gewesen seien, in die Wertberichtigung einbezogen worden. Die Vier-Monats-Frist habe man im Hinblick auf die Überschreitung des Zahlungsziels von 60 Tagen um 100 % gewählt. Auf den 31. Dezember 1995 habe sich danach folgende Berechnung ergeben:
Gesamtforderung an A. | 902.294,79 DM |
davon älter als vier Monate | 597.633,32 DM |
abzügl. bis zur Bilanzerstellung geleistete, bzw. avisierte Zahlungen | - 268.320,51 DM |
Wertberichtigungsbedarf | 329.312,81 DM. |
Zum 25. Juni 1996, dem Stichtag der Veräußerung, sei der Kaufpreis vom Erwerber um 246.934,45 DM Einzelwertberichtigung auf Forderungen an A., die damals 871.781,33 DM betrugen, gemindert worden. Dieser Betrag sei nach der selben Methode ermittelt worden. Die Klägerin habe inzwischen die Geschäftsbeziehung zu A. beendet und habe einen endgültigen Forderungsausfall von ca. 200.000 DM gehabt.
Der Beklagte sei zunächst bereit gewesen, eine Einzelwertberichtigung von 246.934,45 DM zuzulassen und erst als die Klägerin die verdeckte Gewinnausschüttung wegen der Vergütung für immaterielle Wirtschaftsgüter nicht habe akzeptieren wollen, auch die Einzelwertberichtigung dem Grunde nach nicht mehr anerkannt.
Die Klägerin beantragt,
den geänderten Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 1995, den geänderten Bescheid über die Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals zum 31. 12. 1995, den geänderten Bescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens und Vermögensteuerbescheid auf den 1. 1. 1996, alle vom 19. März 1998 und den geänderten Gewerbesteuermessbescheid für das Jahr 1995 vom 20. März 1998, alle in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 1999, in der Weise zu ändern, dass die zum 31. Dezember 1995 gebildete Einzelwertberichtigung in Höhe von 329.312,81 DM anerkannt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat erklärt, die Vergütungen für die Überlassung der immateriellen Wirtschaftsgüter anzuerkennen und hält bezüglich der Einzelwertberichtigung an seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Auffassung fest und verweist auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Gründe
Die Klage ist hinsichtlich des verbliebenen Streitpunktes Einzelwertberichtigung nicht begründet.
Forderungen gehören zum Umlaufvermögen und werden nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG grundsätzlich mit ihrem Nennwert angesetzt. Es kann jedoch gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG der niedrigere Teilwert angesetzt werden. Die Ermittlung des Teilwerts richtet sich gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nach dem Betrag, den ein gedachter Erwerber des gesamten Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für die Forderung ansetzen würde. Maßgeblich ist der Bilanzstichtag; Erkenntnisse, die bis zur Bilanzerstellung bekannt werden, können als wertaufhellende Tatsachen berücksichtigt werden.
Zu den Umständen, die eine Einzelwertberichtigung einer Forderung begründen können, gehört die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Voraussetzung ist jedoch, dass der Ausfall der Forderung mit einiger Wahrscheinlichkeit am Bilanzstichtag drohte. Indizien für fehlende Werthaltigkeit können schleppende Zahlungen des Schuldners und bereits eingeleitete Beitreibungsmaßnahmen sein. Ein - widerlegbares - Anzeichen dafür, dass die Forderung am Bilanzstichtag nicht mehr werthaltig war, ist auch der tatsächliche Ausfall der Forderung nach dem Bilanzstichtag.
Der Senat ist aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens nicht zu mit an Sicherheit grenzender wahrscheinlicher Erkenntnis gelangt, dass zum Bilanzstichtag 31. Dezember 1995 die Forderungen gegenüber dem Kunden A. nicht mehr voll werthaltig waren.
Die von der Klägerin angewendete Methode, von den Forderungen, die älter als vier Monate sind, die tatsächlichen Zahlungseingänge abzuziehen und den Restbetrag wertzuberichtigen, entspricht nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und kann auch in Anbetracht der schleppenden Zahlungsweise der A. deren bekanntermaßen angespannter Finanzlage und der Tatsache, dass der Kunde in den USA ansässig ist, nicht anerkannt werden. Es besteht nämlich kein Erfahrungssatz, dass bei einem Zahlungsziel von 60 Tagen bei Kunden mit schlechter Zahlungsmoral und angespannter Finanzlage überhaupt nicht mehr mit dem Eingang der Forderung gerechnet werden kann. Dies widerlegt bereits die Tatsache, dass ein Teil der Forderungen, die älter als vier Monate waren, bezahlt wurde. Nicht entscheidend ist deshalb, dass die Klägerin wegen der Art ihrer Lieferungen keine Sicherungsrechte geltend machen konnte. Dass die Klägerin im Folgejahr die Geschäftsbeziehung fortgesetzt hat, ist ein Indiz dafür, dass sie die Hoffnung hatte, dem Geschäftspartner dadurch die nötige Solvenz zu verschaffen.
Zwar gab es im Streitfall in dem auf den Bilanzstichtag folgenden Wirtschaftsjahr einen tatsächlichen Erwerber des Betriebes, der von den zur Zeit des Kaufs bestehenden Forderungen an A. in Höhe von 871.781,33 DM 246.934,45 DM abgezogen hat. Dies kann ein Indiz dafür sein, dass in dieser Höhe die Forderung bereits zum Bilanzstichtag nicht mehr werthaltig war. Die Bilanz wurde in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Verkauf erstellt und diente als Grundlage für die Kaufpreisfindung. Dass der Käufer - die Klägerin - jedoch den Abschlag nach derselben Methode errechnet hat, wie sie auch für die Einzelwertberichtigung angewendet wurde, widerlegt nach Auffassung des Senats das Indiz, dass die - zweifellos durch den Abzug eingetretene Wertminderung der Forderung - auf den Bilanzstichtag zurück wirkt. Der Abzug erfolgte nämlich ebenso wie die Wertberichtigung aufgrund einer Zukunftsprognose. Dass letztendlich bei Beendigung der Geschäftsbeziehung tatsächlich ein Forderungsausfall eingetreten ist, belegt nicht eindeutig, dass der Ausfall der zum Bilanzstichtag bestehenden Forderungen zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich war. Die Wahrscheinlichkeit zum Bilanzstichtag muss vielmehr nach allgemeinen Kriterien beurteilt werden. Die Klägerin hat zwar die schlechte Zahlungsmoral und angespannte Finanzlage des Kunden dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie in den USA praktisch keine Vollstreckungsmöglichkeiten hatte. Sie hat jedoch auch nach dem Bilanzstichtag die Geschäftsbeziehung fortgeführt und bis zur Beendigung der Geschäftsbeziehung noch 1,6 Mio. DM Umsätze getätigt. Grundsätzlich geht ein Geschäftsmann davon aus, dass er die Gegenleistung für seine Lieferung auch erhält, zumindest in dem Umfang, dass das Geschäft für ihn keinen Verlust bringt. Hätte die Klägerin bereits zum 31. Dezember 1995 die Lage als aussichtslos beurteilt, so hätte sie nicht in derart großem Umfang noch Lieferungen getätigt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.