08.01.2010
Finanzgericht München: Urteil vom 24.10.2002 – 4 K 3953/99
Bei der Ermittlung des Bodenwerts in einem Kurort ist nicht auf Grundstücke in Kur- bzw. Fremdenverkehrszonen abzustellen, sondern auf die zulässige bauliche Nutzung. Bei der Ermittlung des niedrigeren Bodenwerts bleibt die tatsächliche Nutzung und Bebauung unberücksichtigt. Besondere Umstände wie z. B. Lärm oder anfallende Abbruchkosten sind bereits in dem nach § 147 Abs. 2 BewG auf 30 v.H. erhöhten Abschlag abschließend berücksichtigt.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte (FA) den Bedarfswert nach § 147 BewG zutreffend anhand des Bodenrichtwerts festgestellt hat, oder ob der Bedarfswert entsprechend einem Verkehrswertgutachten für den Grund und Boden niedriger festzustellen ist.
I.
Die Klägerin war mit ¿ Miteigentumsanteil Miteigentümerin der Grundstücksgemeinschaft in B., das in einem allgemeinen Wohngebiet liegt.
Durch Schenkung zum 30.12.1996 wurde sie alleinige Eigentümerin des Kurhotels.
Das Finanzamt wurde durch das Finanzamt E. aufgefordert, den Grundbesitzwert des übergebenen Kurhotels auf den 30.12.1996 für Zwecke der Festsetzung von Schenkungsteuer festzustellen. In der Erklärung zur Ermittlung des Grundstückswerts gab die Klägerin den Wert des Grund und Bodens mit 300 DM je m² an.
Der Klägerin wurde vom Finanzamt mitgeteilt, dass sich das Kurhotel in einem allgemeinen Wohngebiet befinde und das der Bodenrichtwert für dieses Gebiet vom Gutachterausschuss beim Landratsamt R. mit 800 DM/m² festgestellt worden sei.
Die Klägerin legte darauf ein Wertermittlungsgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vor (Bl. 7 f FA-Akte). Darin wurde der Bodenwert für das 4.770 m² Grundstück anhand eines qm-Preises von 270 DM (bei Richtigstellung eines Rechenfehlers mit 1.526.400 DM) ermittelt. Der Gutachter führte u. a. aus, dass vom Richtwert zunächst aufgrund der Lärmbelästigung an der … Straße ein Abschlag in Höhe von 10 v. H. zu machen sei. Da das Grundstück mit einem Hotelgebäude bebaut sei und bei Fremdenverkehrsnutzung und einer Geschoßflächenzahl von 0,8 allgemein nur 50 v. H. des vergleichbaren Wohngrundstückspreises erzielt werde, sei der Wert unter Berücksichtigung der zulässigen und vorhandenen Geschoßflächenzahl von 0,5 auf 270 DM zu ermäßigen.
Mit Schreiben vom 25.02.1999 wurde der Klägerin vom Finanzamt mitgeteilt, dass das Gutachten als nicht schlüssig zurückzuweisen sei, da dort wegen der gewerblichen Nutzung der Bodenrichtwert halbiert worden sei (Bl. 28 f FA-Akte).
Mit Feststellungsbescheid vom 08.07.1999 wurde vom Finanzamt der Grundstückswert für den Hälfteanteil des bebauten Grundstücks gem. § 147 BewG auf 1.704.000 DM festgestellt. Dabei wurde der Wert des Grund und Bodens mit dem vom Gutachterausschuss festgelegten Bodenrichtwert von 800 DM je m² zugrunde gelegt.
Mit dem Einspruch (Schreiben vom 27.07.1999, Bl. 46 f FA-Akte) wandte sich die Klägerin gegen die Berücksichtigung des Bodenwerts in Höhe von 800 DM pro m².
Der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes des Grund und Bodens sei durch das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erbracht und könne vom Finanzamt nicht einfach negiert werden.
Es komme nicht allein auf den Wert des unbebauten Grundstücks und die im unbebauten Zustand gemäß Bauleitplanung mögliche Bebauung an. Man könne nicht vom Abbruch der vorhandenen Bebauung ausgehen. Die nicht unerheblichen Abbruchkosten würden den Wert des Grundstücks mindern.
Das Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13.08.1999 (Bl. 71 f FA-Akte) als unbegründet zurück.
Das Grundstück liege nach dem Flächennutzungsplan der Gemeinde in einem allgemeinen Wohngebiet. Der Bodenrichtwert zum 01.01.1996 sei dafür vom Gutachterausschuss ebenso wie für Mischgebiete mit 800 DM/m² ermittelt worden. Das Gutachten des Sachverständigen sei zurückzuweisen, da sich die in beschränktem Umfang zulässige gewerbliche Nutzung nicht auf den Richtwert der gesamten Bodenpreiszone beziehe.
Der Bodenrichtwert für Sondergebiete für soziale Flächen (in Höhe von 220 DM) könne nicht angewandt werden, da das zu bewertende Grundstück im Geltungsbereich der Bodenrichtwert für allgemeines Wohngebiet liege. Da ein möglicher Käufer die vorhandene Bebauung beseitigen und das Grundstück einer Wohnbebauung zuführen könne, sei auch eine andere als die derzeitige Nutzung möglich.
Mit der Klage (Schreiben vom 06.09.1999 und vom 30.07.2002, Bl. 1 f., 25 f. FG-Akte) beantragt die Klägerin sinngemäß, den Grundstückswert für den Hälfteanteil unter Änderung des Bescheids vom 08.07.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf der Grundlage des Sachverständigen-Gutachtens auf 902.000 DM herabzusetzen.
In B. betrage der Wert der gewerblichen Bauflächen DM 250/m². Weiterhin seien noch die Bodenrichtwerte für Sondergebiete für Soziale Zwecke wie Kur, Klinik für den gesamten Bereich des Landkreises mit DM 220/m² ermittelt worden.
Dass der Gutachterausschuss die Bodenrichtwerte für B., … Straße nicht detailliert ermittelt habe, bedeute eine Unzulänglichkeit und Unvollständigkeit, zumal das fragliche Grundstück nicht als einziges gewerblich genutztes Grundstück in einem sonstigen Wohngebiet liege, sondern die gesamte … Straße vom Ortszentrum B. bis zu dessen Ortsausgang zum aller größten Teil gewerblich genutzt wird. Der Gutachterausschuss habe auch den Bodenrichtwert für Mischgebiete in B. auf DM 800 festgesetzt und damit dokumentiert, dass er seiner Aufgabe, zutreffende Werte für die speziellen Nutzungsarten von Grundstücken zu ermitteln, nicht nachgekommen sei. Der Gutachterausschuss habe hierbei auch nicht die Belange der Stadt B. berücksichtigt. Es könne nicht Sinn kommunaler Bauplanung sein, aus jedem gewerblichen Grundstück in der … Straße ein Baugrundstück zu machen.
Diese unbefriedigende Lösung bei Bedarfswertermittlungen könne geheilt werden und zwar wenn nach § 145 Abs. 3 S. 4 der Steuerpflichtige nachweise, dass der gemeine Wert des unbebauten Grundstücks niedriger sei, als der nach Satz 1 ermittelte Wert. Dies sei durch das erwähnte Gutachten erfolgt.
In einer Ergänzung des ursprünglichen Gutachtens vom 28.07.2002 (Bl. 26 f FG-Akte) kommt der Gutachter ausgehend von einer Bewertung der Grundstücksqualität als „Gewerbegrundstück Kur/Fremdenverkehr” für ein im näheren Umkreis des streitbefangenen Grundstücks belegenen anderen Grundstück zu einem Vergleichspreis auf den 01.01.1998 von 231 DM/m². Auch dadurch werde die Annahme eines Wertabschlags von ca. 50 v. H. wie im Gutachten gemacht, bei vergleichbarer Nutzung bestätigt.
Das Finanzamt beantragt die Klage abzuweisen (Schreiben vom 01.10.1999, Bl. 12 f FG-Akte). Der Bodenrichtwert für Sondergebiete für soziale Flächen könne nicht angewandt werden, da das zu bewertende Grundstücks (Kurhotel) im Geltungsbereich des Richtwertes für allgemeine Wohnflächen liege.
Der Senat hielt es für angebracht durch – kostengünstigeren – Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Der Senat schließt sich der bereits in der Einspruchsentscheidung vom 13.08.1999 gegebenen Begründung an, die keinen Rechtsfehler erkennen läßt und auf die er gem. § 105 Abs. 5 FGO Bezug nimmt. Der Senat sieht insoweit von einer näheren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin:
Das Gutachten und Ergänzungsgutachten ist nicht geeignet einen niedrigeren Bodenwert nachzuweisen, da es bei der Wertermittlung auf Grundstücke in Kur- bzw. Fremdenverkehrszonen abstellt und nicht von der zu lässigen baurechtlichen Nutzung in einem allgemeinen Wohn- oder Mischgebiet, entsprechend der im Gutachten bestätigten umliegenden gemischten Bebauung in aufgelockerter Bauweise, ausgeht.
Nach § 147 Abs. 2 BewG ist das Grundstück gem. § 145 BewG so zu bewerten als wäre es unbebaut. Die tatsächliche Nutzung und Bebauung muss deshalb unberücksichtigt bleiben. Die besonderen Umstände wie z. B. Lärm oder anfallende Abbruchkosten sind bereits in dem nach § 147 Abs. 2 auf 30 v. H. erhöhten Abschlag abschließend berücksichtigt (vgl. Gürsching/Stenger, Komm. zum BewG § 147 RdNr. 10; Rößler/Troll, Komm. z. BewG § 147 RdNr. 11 und § 145 RdNr. 22).
Der vom Gutachter bei der Verkehrswertermittlung gemachte – und wohl zulässige – Abschlag in Höhe von 10 v. H. vom Richtwert wegen Lärmbeeinträchtigung würde insgesamt zu einem höheren Verkehrswert, als dem vom Finanzamt angesetzten Wert führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.