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  • 03.11.2025 · IWW-Abrufnummer 250996

    Oberlandesgericht Hamm: Hinweisbeschluss vom 05.05.2025 – 7 U 97/23

    1. Verletzt sich ein Ersthelfer nach einem vom einem Kraftfahrzeugführer verursachten Auffahrunfall beim hektischem und ungeschicktem Abstellen und Absteigen von seinem Motorrad, ist dies dem Betrieb des unfallverursachendem Kraftffahrzeugs nach § 7 Abs. 1 StVG zuzurechnen, aber der Mitverursachungsbeitrag im Hinblick auf die Betriebsgefahr des Motorrads nach § 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG in die Abwägung einzustellen.

    2. Lediglich dann, wenn die Selbstgefährdung bei einer Rettungsmaßnahme zu groß erscheint und diese daher als unvernünftig anzusehen wäre, kann erwartet werden, dass der Hilfswillige von einem Eingreifen absieht (im Anschluss an BGH Urt. v. 17.10.2000 – VI ZR 313/99, NJW 2001, 149 unter II.1.d).



    Tenor:

    Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

    Den Beklagten wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
     
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    Hinweis der Redaktion:
    Die Berufung ist auf den Hinweis hin zurückgenommen worden.
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    Gründe:
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    Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
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    I.
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    Die Klägerin macht als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung NRW aus übergegangenem Recht gem. § 116 SGB X Ansprüche der Zeugin A aufgrund einer erlittenen Verletzung im Zusammenhang mit einem vorausgegangenen Verkehrsunfallgeschehen vom 24.08.2013 gegen die Beklagten geltend. Die Zeugin A war an dem Verkehrsunfall selbst nicht beteiligt, sondern hatte die beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge im Straßengraben gesehen und beabsichtigte, den Unfallbeteiligten erste Hilfe zu leisten. Beim Abstellen ihres Motorrollers kam es zu einer Verletzung der Zeugin, deren Folgen im vorliegenden Verfahren streitgegenständlich sind.
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    Der Verkehrsunfall ereignete sich dergestalt, dass die Beklagte zu 1 mit einem von der Beklagten zu 2 gehaltenen und bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversicherten Pkw auf einen anderen Pkw auffuhr. Infolge des Auffahrunfalls, für dessen Folgen die vollständige Einstandspflicht der Beklagten im Verhältnis zur anderen unfallbeteiligten Fahrerin nicht im Streit steht, kamen beide Pkw von der Fahrbahn ab und erst im Straßengraben zum Stillstand, wobei der Pkw der vorausfahrenden Fahrerin sich überschlug und auf dem Dach liegen blieb. Die Zeugin A hielt ‒ ebenso wie ein weiterer Pkw-Fahrer ‒ kurz nach der Kollision und vor dem Eintreffen der Rettungskräfte an der Unfallstelle an, um erste Hilfe zu leisten. Im Zusammenhang mit dem Abstellen ihres Motorrollers fiel dieser auf den Fuß der Zeugin, welche infolge dessen einen Fersenbein-Trümmerbruch erlitt.
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    Die Klägerin erkannte den Unfall der Zeugin A als Arbeitsunfall an und ersetzte dieser Verdienstschäden sowie Sachaufwendungen in Höhe von insgesamt über 80.000,00 Euro. Mit Bescheid vom 19.01.2015 stellte die Klägerin eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % bei der Zeugin A fest (vgl. Anlage K 8, Bl. I-66 d. GA).
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    Die Klägerin verlangt im vorliegenden Verfahren von den Beklagten Erstattung ihrer Zahlungen und Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich zukünftiger Leistungen unter Anrechnung einer Mitverschuldensquote der Zeugin A in Höhe von 20 %.
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    Das zwischen der Zeugin A und der Beklagten zu 3 geführte Direktanspruchsverfahren beendeten die Parteien durch Vergleich. Das Landgericht Münster hat die Kosten gem. § 91a ZPO der Zeugin A auferlegt. Eine Abschrift des protokollierten Vergleichs sowie des Kostenbeschlusses lagen dem Senat vor (Bl. II-87 ff. d. eGA).
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    Die Klägerin hat behauptet, der Roller der Zeugin A sei gekippt, als diese ihn auf den angebrachten Ständer habe stellen wollen. Die Zeugin habe aufgrund der Unfallsituation unter erheblichem Stress gestanden und sei voller Adrenalin gewesen, was den eigenen Unfall begünstigt habe. Eine nervöse Hektik aufgrund des sich ihr bietenden Anblicks der Unfallfahrzeuge, welcher den Rückschluss auf schwerste Verletzungen der Unfallbeteiligten erlaubt habe, sei lebensnah und damit ein Zurechnungszusammenhang mit der Unfallverursachung durch die Beklagte zu 1 zu bejahen.
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    Die Beklagten haben behauptet, die Zeugin A sei bei dem Versuch, den Roller auf den Ständer zu stellen, umgeknickt, was nichts mit der Unfallsituation, sondern möglicherweise mit ungeeignetem Schuhwerk der Zeugin zu tun gehabt und sich vielmehr als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos dargestellt habe. Dass die Zeugin mit schwerstverletzten Personen gerechnet habe, haben sie bestritten.
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    Neben weiterem Bestreiten zu konkreten Positionen haben die Beklagten zudem bestritten, dass unfallbedingte Verletzungen der Zeugin A noch nicht ausgeheilt seien und künftige Aufwendungen der Klägerin in Betracht kämen.
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    Nach Vernehmung der Frau A als Zeugin hat das Landgericht der Klage teilweise mittels als Grund- und Teilurteil überschriebenem Urteil stattgegeben und einen Anspruch der Klägerin dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 30 % für gerechtfertigt erklärt. Es hat zudem eine Ersatzpflicht der Beklagten zu 70 % hinsichtlich materieller Zukunftsschäden und ‒aufwendungen festgestellt.
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    Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, es bestehe ein auf die Klägerin übergegangener Anspruch der Zeugin A gegen die Beklagten aus §§ 7, 17, 18 StVG i. V. m. § 115 VVG nach einer Quote von 70 %. Trotz des berührungslosen Unfalls habe sich der Unfall der Zeugin bei Betrieb des Beklagtenfahrzeugs ereignet. Maßgeblich sei insoweit, ob die Schadensfolge in den Bereich der Gefahren falle, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden sei. Es komme insbesondere darauf an, ob die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung des Kfz stehe. Bei berührungslosen Unfällen sei erforderlich, dass das Kfz über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen habe. In diesem Sinne habe der durch die Beklagte zu 1 verschuldete Auffahrunfall, durch den beide Fahrzeuge im Seitengraben zum Stehen gekommen seien, den ‒ in zeitlichem und örtlichem Zusammenhang erfolgten ‒ Sturz der Zeugin mitgeprägt. Die Kammer sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass die Zeugin sich in nervöser Hektik befunden habe, was angesichts der sich ihr darbietenden Unfallsituation auch ohne Weiteres nachvollziehbar erscheine. Der Unfall sei weder für die Beklagte zu 1 noch für die Zeugin A unabwendbar gewesen. In die gem. § 17 Abs. 1, 2 StVG vorzunehmende Abwägung der Verursachungsbeiträge seien auf Seiten der Beklagten zu 1 die Betriebsgefahr des Pkw und ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO einzustellen. Die Zeugin A müsse sich die Betriebsgefahr des Rollers zurechnen lassen, welche geringer sei, als die Betriebsgefahr des Pkw. Zuzurechnen sei zudem, dass sie beim Abstellen des Rollers bzw. beim Wegbewegen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt bezüglich des Eigenschutzes gehandelt habe, wenngleich sie beim Abstellen des Rollers kein unvernünftiges Risiko eingegangen sei. Die Abwägung falle dergestalt aus, dass von einer Haftungsverteilung von 30 zu 70 auszugehen sei.
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    Bezüglich des weiteren erstinstanzlichen Vortrages, der Anträge und der Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf das Urteil des Landgerichts Münster (Bl. I-303 ff. d. GA) verwiesen.
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    Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren der vollständigen Klageabweisung weiterverfolgen.
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    Die Beklagten rügen einen Verstoß gegen Rechtsgrundsätze; außerdem hätten die erstinstanzlich zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung geboten. Es werde zur Überprüfung durch den Senat gestellt, ob die Voraussetzungen eines Grund- und Teilurteils überhaupt vorgelegen hätten. Der Entscheidung mittels Teilendurteil über den Feststellungsantrag habe das beklagtenseits erfolgte Bestreiten der fehlenden Ausheilung der Verletzungen der Zeugin A entgegengestanden.
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    Die Haftung der Beklagten setze voraus, dass die Hilfeleistung mit einem gesteigerten Risiko verbunden gewesen wäre, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei. Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang sei zu verneinen; denn der Erstunfall habe den Sturz der Geschädigten nicht unmittelbar ausgelöst. Auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang fehle und der Schaden der Zeugin A falle nicht unter den Schutzzweck der Norm. Vielmehr habe sich in dem Unfall der Zeugin das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht. Jedenfalls sei das Eigenverschulden der Zeugin A so erheblich, dass es eine unterstellt schuldhaft erhöhte Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs entfallen lassen würde. Warum das Landgericht die Betriebsgefahr des Pkw höher gewichte als diejenige des Rollers, erschließe sich darüber hinaus nicht. Auch dass das Erstgericht von einer nachvollziehbaren Annahme der Zeugin A, es habe Schwerverletzte gegeben, ausgegangen sei, sei nicht überzeugend. Soweit das Landgericht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Anforderungen an den Selbstschutz des Ersthelfers aus seiner Entscheidung vom 17.10.2000 abstelle, habe es verkannt, dass diese sich auf Autobahnunfälle bezögen und sich der vorliegende Unfall ‒ insoweit unstreitig ‒ nicht auf einer Autobahn ereignet habe. Schließlich ließen sich keinerlei Feststellungen zum Fahrverhalten der Beklagten zu 1 bei dem Erstunfall treffen. Hinsichtlich der Würdigung sei zudem auf den Kostenbeschluss des Landgerichts Münster im Direktanspruchsverfahren zu verweisen. Davon ausgehend, dass die Zeugin A nach dem Erstunfall Hilfe habe leisten wollen, wäre sie als Helferin gesetzlich unfallversichert, so dass sich die Beklagten zudem auf die Haftungssperre gem. §§ 104 f. SGB VII berufen könnten, womit auch ein Anspruchsübergang auf die Klägerin nicht in Betracht komme.
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    Die Beklagten beantragen,
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    teilweise abändernd die Klage vollständig abzuweisen.
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    Vorsorglich regen sie eine Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht an.
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    Die Beklagten beantragen,
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    die Berufung zurückzuweisen.
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    II.
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    Die Berufung der Beklagten ist rechtzeitig eingelegt und begründet worden und auch im Übrigen zulässig. Sie hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats aber keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat der Klage zu Recht mit Teilgrund- und Teilendurteil überwiegend stattgegeben. Die Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere, den Beklagten günstigere, Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
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    1. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht vorliegend mittels Teilgrund- und Teilendurteil entschieden hat. Dass das Landgericht das Urteil insoweit unzutreffend als „Grund- und Teilurteil“ überschrieben hat, ist unschädlich, da der Wille des Landgerichts, über den streitigen Zahlungsanspruch dem Grunde nach und über den Feststellungsanspruch abschließend durch Endurteil zu entscheiden, im angefochtenen Urteil hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt (vgl. auch Senatsbeschl. v. 7.5.2021 ‒ 7 U 28/20, NJW-RR 2021, 1112 Rn. 4).
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    Die Voraussetzungen der §§ 301 und 304 ZPO liegen vor; insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
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    Der insoweit von Seiten der Beklagten erhobene Einwand, der Feststellungsantrag sei aufgrund des Bestreitens der Beklagten hinsichtlich der nicht folgenlosen Ausheilung der Verletzung nicht entscheidungsreif gewesen, verfängt nicht. Unabhängig von der streitigen Frage der folgenlosen Ausheilung ist ein Feststellungsinteresse jedenfalls aufgrund der fortgesetzten Zahlung der Erwerbsminderungsrente gegeben.
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    2. Der Klägerin steht aus übergegangenem Recht gem. § 116 SGB X ein Anspruch gegen die Beklagten zu, soweit sie als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung Leistungen aufgrund des Schadensereignisses an die Zeugin A erbracht hat.
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    Gem. § 116 Abs. 1 SGB X geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadenersatz beziehen.
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    a) Die Sperre des § 104 SGB VII führt ‒ entgegen der Ansicht der Beklagten ‒ vorliegend nicht zu einem Ausschluss des Anspruchs der Zeugin A, welcher einen Anspruchsübergang auf die Klägerin gem. § 104 Abs. 1 S. 2 SGB VII hindern würde.
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    Dass die Klägerin vorliegend gegenüber der Zeugin A eintrittspflichtig war und ist, ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Ziffer 13 a) SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten, kraft Gesetzes versichert. Dass die Zeugin A sich als Ersthelferin am Unfallort befand und aus diesem Grund über die Klägerin versichert ist, hat der Beklagte zu 3 auch explizit mittels Schreibens vom 02.12.2014 anerkannt (vgl. Bl. I-28 d. GA.).
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    Der Versicherungsschutz für eine Hilfeleistung gem. § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII führt grundsätzlich nicht zu einem Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII (vgl. BGH Urteil vom 24.1.2006 ‒ VI ZR 290/04, NJW 2006, 1592 Leitsatz 1; s. auch Stöber, Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII in den Fällen der Pannen- oder Unfallhilfe, NZV 2007, 57 (59 unter III. 2. c).
    35

    b) Der Klägerin steht aus übergegangenem Recht der Zeugin A gegen die Beklagten dem Grunde nach ein Anspruch aus §§ 7, 18 StVG i. V. m. § 115 VVG zu.
    36

    aa) Der Sturz der Zeugin A ist ‒ wovon das Landgericht zu Recht ausgegangen ist ‒ bei Betrieb des Beklagtenfahrzeugs erfolgt und unterfällt den Risiken dessen Betriebs, es besteht somit der erforderliche Zurechnungszusammenhang.
    37

    Das Merkmal „bei Betrieb“ ist weit auszulegen. Da die Vorschrift alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen will, ist ein Schaden bereits dann bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d. h., wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensereignis durch das Kraftfahrzeug (mit) geprägt worden ist (BGH, Urt. v. 31.1.2012 ‒ VI ZR 42/11, NJW 2012, 1951). Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahr handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d. h., die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Annahme des erforderlichen Zurechnungszusammenhangs kommt es außerdem maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (BGH, Urt. v. 26.2.2013 ‒ VI ZR 116/12, NJW 2013, 1679). Der Zurechnungszusammenhang ist grundsätzlich auch bei mittelbar verursachten Schäden gegeben, die dadurch entstehen, dass in einer vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage ein weiterer Umstand ‒ etwa ein Verhalten eines Dritten oder das Verhalten des Geschädigten selbst ‒ hinzukommt und sich die Gefahr dadurch realisiert. Dies gilt ‒ entsprechend obiger Ausführungen ‒ allerdings dann nicht, wenn sich bei wertender Betrachtung die Schädigung nicht mehr als spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren darstellt, für die die Norm den Verkehr schadlos halten will, was der Fall ist, wenn die Gefahr nicht über das hinausging, was im täglichen Zusammenleben ohnehin unter Billigung der Rechtsordnung an Gefahren hingenommen werden muss und der Schaden als Verwirklichung des sog. allgemeinen Lebensrisikos zu bewerten ist (OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.8.2012 ‒ 13 U 78/12, NJW-RR 2013, 539) oder aber sich letztlich eine Selbstgefährdung des Geschädigten verwirklicht. Für die Frage der Zurechnung maßgeblich ist demnach, ob sich ‒ bei wertender Betrachtung ‒ in dem Unfall eine gesteigerte Gefahrenlage ausgewirkt hat, für die die Beklagten verantwortlich waren (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.1993, Az. VI ZR 283/92, NJW 1993, 2234 (2235), s. zum Ganzen auch Senatsurt. v. 24.8.2018 ‒ 7 U 23/18, r+s 2019, 41 Rn. 9 ff.). Allgemeinverbindliche Grundsätze dazu, in welchen Fällen ein Zurechnungszusammenhang bejaht werden muss oder zu verneinen ist, lassen sich insoweit nicht aufstellen (BGH, Urt. v. 10.2.2004 ‒ VI ZR 218/03, NJW 2004, 1375, unter II. 1. c)).
    38

    Das Landgericht ist vorliegend in Anwendung dieser Maßstäbe nach Einschätzung des Senats zu Recht und mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass die auf Seiten der Zeugin eingetretene Verletzung dem Betrieb des Beklagtenfahrezeugs und damit letztlich der Beklagtenseite in diesem Sinne zuzurechnen ist.
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    Zunächst hat der durch die Beklagte zu 1 verursachte Auffahrunfall die entscheidende Ursache für den Entschluss der Zeugin A gesetzt, zum Unfallzeitpunkt im Bereich der Unfallstelle anzuhalten, um dort Hilfe zu leisten. Dass nach einem Verkehrsunfall Passanten oder anderer Verkehrsteilnehmer erste Hilfe leisten und es hierbei zu Verletzungen kommt, stellt auch keinen außergewöhnlichen ‒ inadäquaten ‒ Geschehensablauf dar. Der Umstand, dass die Verletzung der Zeugin letztlich auf ihre eigene Handlungsweise zurückzuführen und lediglich mittelbare Folge des vorausgegangenen Unfalls war, lässt vorliegend den Schutzzweckzusammenhang nicht entfallen. Vielmehr hat die Beklagte zu 1 als diejenige, die durch ihr Fahrverhalten und die Verursachung des Unfalls die Verletzte in die zum Unfall führende Situation gebracht hat, und mit ihr die Zweit- und Drittbeklagte für die Folgen der Rechtsgutsverletzung einzustehen, die die Zeugin im Zusammenhang mit dem Rettungsversuch erlitten hat. Sofern eine Rettungshandlung von billigenswerten Motiven getragen und darüber hinaus im Hinblick auf den sonst drohenden Schaden vernünftig und angemessen (nicht unverhältnismäßig) erscheint, haftet derjenige, der die Gefährdungslage in sorgfaltswidriger Weise geschaffen hat, für die Nachteile, die der Retter bei seinem Eingreifen erleidet ‒ was insbesondere bei der Rettung von Insassen aus verunglückten Fahrzeugen in Betracht kommt (Wagner in: MüKo, BGB, 9. Aufl. 2024, § 823 Rn. 565 m. weit. Nachw.; vgl. auch Pardey in: Pardey/Balke/Link, Schadenrecht 1. Auf. 2023, Kausalität und Zurechnung Rn. 19). Lediglich dann, wenn die Selbstgefährdung bei einer Rettungsmaßnahme zu groß erscheint und diese daher als unvernünftig anzusehen wäre, kann erwartet werden, dass der Hilfswillige von einem Eingreifen absieht (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.2000 ‒ VI ZR 313/99, NJW 2001, 149, unter II. 1. d).
    40

    Die Anwendung der vorstehenden Maßstäbe führt im vorliegenden Fall zum einen zu dem Ergebnis, dass das Verhalten der Zeugin (Anhalten auf der Straße hinter den verunfallten Fahrzeugen und Abstellen des Motorrollers) ohne weiteres nachvollziehbar erscheint, die Zeugin durfte sich gleichsam hierzu herausgefordert (wenn nicht wegen der Regelung des § 323c StGB sogar hierzu verpflichtet) fühlen, zumal dies zunächst mal nicht mit einem besonderen, schon gar nicht unverhältnismäßigen, Risiko für sie selbst verbunden schien, und zum anderen dazu, dass die konkret hierbei erlittene Verletzung durch Umstürzen des Motorrollers auch unter den Schutzzweck der Norm fällt. Entgegen der Annahme der Berufung hat sich vorliegend nicht lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, sondern das Landgericht hat sich nach Vernehmung der Zeugin A davon überzeugt, dass der Sturz in der Hektik und Eile angesichts der vorgefundenen Unfallsituation begründet war. Diese Feststellung ist für den Senat i. S. d. § 529 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO bindend, da konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an ihrer Richtigkeit auf Basis der glaubhaften und ohne Weiteres nachvollziehbaren Angaben der Zeugin nicht bestehen und von Seiten der Berufung auch nicht geltend gemacht werden. Soweit die Beklagten insoweit lediglich die Annahme des Landgerichts angreifen, anhand der in der Akte befindlichen Bilder habe von Schwerverletzten ausgegangen werden können, sind die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Urteil nach Einschätzung des Senats nicht zu beanstanden.
    41

    Anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 04.05.1993 zugrundeliegenden Fall, in dem die Verletzung des Geschädigten nach beendetem Rettungseinsatz beim Aufräumen entstand und in dem der Bundesgerichtshof die erforderliche Aktualisierung des von dem potentiellen Schädiger herausgeforderten erhöhten Verletzungsrisikos verneint hat, da nicht davon auszugehen sei, dass sich der Geschädigte im Zeitpunkt des Unfalls in einer Situation der Anspannung oder Hektik oder sonstigen Gefahrsteigerung befunden hätte (vgl. Urt. v. 4.5.1993 ‒ VI ZR 283/92, NJW 1993, 2234 unter II. 1. c) bb)), befand sich die Zeugin A ‒ vor dem eigentlichen Beginn von Rettungshandlungen ‒ in einer derartigen Situation der Anspannung und Hektik, was eine erhebliche Gefahrsteigerung bewirkt hat, die sich letztlich auch verwirklicht hat. Die Verletzung der Zeugin A steht somit in einem inneren und nicht lediglich in einem äußerlichen, gleichsam zufälligen Zusammenhang mit dem Fahrverhalten der Beklagten zu 1 (hierzu vgl. auch BGH, Urt. v. 26.2.2013 ‒ IV ZR 116/12, NJW 2013, 1679 Rn. 12), welcher ‒ entgegen der Ansicht der Beklagten ‒ auch nicht durch ein Mitverschulden der Zeugin (hierzu s. sogleich) ausgeschlossen wird; diesem kommt lediglich im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge und daher mit Blick auf die Quote Bedeutung zu.
    42

    Soweit die Beklagten mit der Berufung die Ansicht vertreten, der Schutzzweck des allgemeinen Rücksichtnahmegebots i. S. d. § 1 Abs. 2 StVO erfasse lediglich unmittelbar am Erstunfall beteiligte Personen, vermag sich der Senat dem ‒ angesichts vorstehender Ausführungen ‒ nicht anzuschließen. Dessen Schutzzweck ist auf die Verhütung von Unfallrisiken und die mit dieser Bedrohung für Leben und Gesundheit in einem inneren Zusammenhang stehenden Gesundheitsschäden gerichtet, zu denen auch erst im Anschluss an den Verkehrsunfall bei der Bergung oder bei der Unfallaufnahme erlittene Verletzungen gehören können (vgl. explizit BGH, Urt. v. 26.2.2013 ‒ VI ZR 116/12, NJW 2013, 1679 Rn. 13).
    43

    bb) Der Sturz der Zeugin A war für die Beklagte zu 1 nicht unabwendbar. Insoweit wirkt ihr Verschulden an dem vorhergehenden Auffahrunfall fort.
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    cc) Da sich der Unfall auch bei Betrieb des Motorrollers der Zeugin A, welcher zum Unfallzeitpunkt noch nicht auf dem Ständer abgestellt war, ereignet hat, ist eine Abwägung der Verursachungsbeiträge gem. § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmen.
    45

    In die Abwägung der Verursachungsbeiträge hat das Landgericht zutreffend auf Seiten der Beklagten den Verstoß der Beklagten zu 1 gegen § 1 Abs. 2 StVO eingestellt, indem diese auf das vor ihr fahrende Fahrzeug aufgefahren ist. Dass insoweit auch ein Verstoß gegen § 3 StVO wegen unangepasster Geschwindigkeit in Betracht kommt und letztlich nicht aufgeklärt ist, ob der Unfall auf Unaufmerksamkeit der Beklagten zu 1 und/oder zu hohe Geschwindigkeit zurückzuführen ist, ist ‒ entgegen den diesbezüglichen Ausführungen in der Berufungsbegründung ‒ unerheblich. Auch für das vorliegende Verfahren steht nach Anscheinsgrundsätzen fest, dass der Vorunfall entweder auf die eine oder/und die andere Ursache zurückzuführen ist, welche beide ein Verschulden der Beklagten zu 1 beinhalten. Darüber hinaus ist auch die allgemeine Betriebsgefahr des Pkw in die Haftung einzustellen.
    46

    Auf Seiten der Zeugin A ist im Rahmen der Abwägung die Betriebsgefahr des Motorrollers zu berücksichtigen, welcher sich ebenfalls noch in Betrieb befunden hat. Dessen Betriebsgefahr ist, was die Beklagten zu Recht rügen ‒ entgegen der diesbezüglichen Würdigung des Landgerichts ‒ auch nicht als geringer als die Betriebsgefahr des Beklagten-Pkw zu gewichten, da sich vorliegend eine Zweirädern innewohnende besondere Gefahrenlage in dem konkreten Unfallgeschehen ausgewirkt hat. Denn beim Umfallen des Motorrollers bei dem Versuch, diesen auf den Ständer zu stellen, verwirklicht sich gerade das besondere Risiko, welches mit der Instabilität eines Zweirades einhergeht, was bei Pkw von vorneherein ausgeschlossen ist (zur Erhöhung der Betriebsgefahr von Zweirädern aufgrund deren Instabilität vgl. Senatsurt. v. 8.7.2022 ‒ 7 U 106/20, NJOZ 2022, 1550 Rn. 21).
    47

    Darüber hinaus ist das Landgericht auch zutreffend von einem Mitverschuldensvorwurf gegen die Zeugin A insoweit ausgegangen, als diese die erforderliche Sorgfalt beim Abstellen des Motorrollers hat vermissen lassen. Dies gilt ‒ wie auch durch das Landgericht angenommen ‒ unabhängig davon, ob die Zeugin bei dem Versuch, den Roller auf den Ständer zu stellen, abgerutscht oder aber mit dem Fuß umgeknickt ist. Das Gewicht dieses Mitverschuldens ist allerdings insoweit relativiert, als sich die Zeugin nachvollziehbar und ‒ wie bereits ausgeführt ‒ durch das Landgericht bindend festgestellt in Eile befand, um schnellstmöglich den verunfallten Personen Hilfe leisten zu können. In einer solchen Situation kann nicht schlechterdings mit einer vollständig durchdachten und allen Sorgfaltsanforderungen gerecht werdenden Reaktion gerechnet werden; vielmehr sind insbesondere bei Verkehrsunfällen mit Schwerverletzten den Anforderungen an die eigene Vorsicht durch die Aufgaben, vor die den Helfer die Sorge um den Verunglückten stellt, und die Umstände, unter denen er sie zu erfüllen hat, Grenzen gesetzt (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.2000 ‒ VI ZR 313/99 unter II. 1. d) m. weit. Nachw., s. auch A. Walter in: beck-online GK, Stand 01.01.2025, § 9 Rn. 60). Entgegen der diesbezüglichen Würdigung des Landgerichts Münster in seinem Beschluss vom 31.05.2017 gem. § 91a ZPO (Az. 010 O 411/16), mit dem dieses im Direktanspruchsverfahren der Zeugin A gegen die hiesige Beklagte zu 3 ein die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs vollständig verdrängendes Eigenverschulden der Zeugin angenommen hat, kommt diesem nach Einschätzung des Senats daher kein hohes Gewicht zu.
    48

    Nach Abwägung der genannten Gesichtspunkte erscheint ‒ auch unter Berücksichtigung der abweichenden Würdigung des Senats hinsichtlich der Betriebsgefahr des Motorrollers ‒ die durch das Landgericht angenommene Mitverursachungsquote auf Seiten der Zeugin A von 30 % nach Ansicht des Senats jedenfalls ‒ allein darauf kommt es im Rahmen der von Seiten der Beklagten eingelegten Berufung an ‒ nicht zu niedrig.
    49

    c) Der Grundausspruch hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruchs aus übergegangenem Recht sowie der Feststellungsausspruch mit Blick auf sämtliche künftig noch entstehenden materiellen Schäden und Aufwendungen im Zusammenhang mit der Verletzung der Zeugin A unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote von 30 % sind durch das Landgericht im angefochtenen Urteil daher zu Recht getroffen worden.
    50

    III.
    51

    Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ferner erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Solche Umstände werden von den Beklagten auch nicht aufgezeigt. Es handelt sich um auf der Grundlage gefestigter Rechtsprechung zu beantwortende Fragen des Einzelfalls.
    52

    IV.
    53

    Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung verspricht sich der Senat angesichts dessen, dass es keiner erneuten Beweisaufnahme bedarf, keine neuen Erkenntnisse. Die Einwendungen der Beklagten sind aus Rechtsgründen nicht zuzulassen und bedürfen daher nicht der tatsächlichen Klärung. Auch ansonsten erscheint eine mündliche Verhandlung nach einstimmigem Votum des Senats nicht geboten.

    VorschriftenStVG § 7 Abs. 1; § 17 Abs. 2, Abs. 1; StGB § 323c