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  • 21.07.2022 · IWW-Abrufnummer 230400

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 08.10.2021 – 9 U 103/19

    1 Die Widerspruchsregelung in § 5 a VVG a. F. gilt nicht nur für den erstmaligen Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages sondern auch für eine spätere Änderungsvereinbarung.

    2 Ist eine im Jahr 2006 getroffene Änderungsvereinbarung wegen eines Widerspruchs der Versicherungsnehmerin gemäß § 5 a VVG a. F. nicht wirksam zustande gekommen, führt dies nicht zu einer Rückabwicklung der Lebensversicherung sondern zu einer unveränderten Fortgeltung des im Jahr 1991 abgeschlossenen Ursprungsvertrages.




    In dem Rechtsstreit
    - Klägerin und Berufungsklägerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    gegen
    Prozessbevollmächtigte:
    wegen Forderung
    hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 9. Zivilsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Bauer-Gerland, den Richter am Oberlandesgericht Stuhlmann und den Richter am Oberlandesgericht Schulte-Kellinghaus am 08.10.2021 beschlossen:
    Tenor:

    Der Senat erwägt gemäß § 522 Abs. 2 ZPO eine Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 05.07.2019 - A 10 O 99/18 -. Die Parteien erhalten vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages nach einem Widerspruch der Klägerin.

    Im Februar 1991 schloss die Klägerin bei der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag über eine Versicherungssumme von 80.000,00 € ab. Es sollte ein Jahresbeitrag von 2.211,80 DM gezahlt werden bis zum Ablauf der Versicherung am 28.02.2021. Versicherte Personen waren die Klägerin und Herr U. P.. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsschein vom 28.02.1991 (Anlage B 2) verwiesen.

    Mit Schreiben vom 28.11.2005 (Anlage B 1) beantragte die Klägerin eine Änderung des Versicherungsvertrages für die Zeit ab dem 01.03.2006. Die Versicherungsleistung sollte sowohl bei Ablauf als auch bei Tod 40.904,00 € betragen, der Jahresbetrag 1.131,27 €. Die Versicherung sollte zum 01.08.2021 ablaufen. Versicherte Person sollte im geänderten Vertrag nur noch die Klägerin allein sein. Die Beklagte nahm diesen Antrag an, wobei der Änderungsvertrag im Wege des sogenannten Policen-Modells geschlossen wurde. Mit Schreiben vom 02.01.2006 übersandte die Beklagte der Klägerin einen entsprechend geänderten neuen Versicherungsschein. Im Policen-Begleitschreiben wies die Beklagte auf ein Widerspruchsrecht der Klägerin wie folgt hin:

    Sie können innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem umgewandelten Versicherungsvertrag uns gegenüber in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.

    Mit Schreiben vom 01.12.2010 (Anlage B 21) kündigte die Beklagte den Versicherungsvertrag wegen Nichtzahlung von Beiträgen. Sie bot eine Weiterführung des Versicherungsschutzes in Höhe der beitragsfreien Versicherungssumme an. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 29.01.2011 (Anlage B 25), dass sie daran kein Interesse habe und bat um eine Abrechnung des gesamten Vertragsverhältnisses. Die Beklagte zahlte daraufhin den von ihr errechneten Rückkaufswert in Höhe von 26.188,18 € an die Klägerin aus.

    Mit Schreiben vom 24.11.2015 (Anlage K 3) erklärte die Klägerin einen Widerspruch gemäß § 5 a VVG a. F. gegen den Lebensversicherungsvertrag. Auf Grund des Widerspruchs machte sie Ansprüche auf Rückzahlung aller eingezahlten Beiträge zuzüglich der von der Beklagten gezogenen Nutzungen geltend. Sie verlangte eine Zahlung abzüglich des bereits geleisteten Rückkaufswertes. Die Beklagte trat mit Schreiben vom 08.12.2015, dem Widerspruch der Klägerin entgegen. Der Widerspruch der Klägerin verstoße gegen Treu und Glauben.

    Mit ihrer Klage zum Landgericht vom 19.07.2018 hat die Klägerin von der Beklagten Zahlung in Höhe von 10.088,96 € nebst Zinsen und weiteren Nebenforderungen verlangt. Der Lebensversicherungsvertrag sei nachträglich, unter Anrechnung des ausgezahlten Rückkaufswertes, nach Bereicherungsrecht abzurechnen, da die Klägerin dem Zustandekommen des im Versicherungsschein vom 02.01.2006 dokumentierten Vertrages im Jahre 2015 widersprochen habe. Der Widerspruch sei trotz des Zeitablaufs zulässig, weil sie im Jahr 2006 nicht ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt worden sei. Bei der Ausgleichsforderung seien die von der Beklagten aus den Beiträgen gezogenen Nutzungen zu berücksichtigen. Zur Berechnung der Höhe der Forderung hat sich die Klägerin auf ein vorgerichtlich eingeholtes versicherungsmathematisches Gutachten (Anlage K 5) berufen.

    Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Klägerin sei im Jahr 2015 zu einem Widerspruch gegen den Versicherungsvertrag nicht mehr berechtigt gewesen, da ein Widerspruchsrecht zu diesem Zeitpunkt jedenfalls verwirkt sei. Außerdem hat die Beklagte fürsorglich verschiedene Einwendungen gegen die Höhe eines eventuellen Bereicherungssaldos erhoben. Bei einer korrekten Berechnung ergebe sich, dass die Beklagte durch die Auszahlung des Rückkaufswertes im Jahr 2011 schon mehr geleistet habe, als der Klägerin bei einem wirksamen Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages zustehen würde.

    Mit Urteil vom 05.07.2019 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auf eine eventuelle Verfristung des Widerspruchsrechts im Jahr 2015 komme es nicht an, da ein Widerspruchsrecht jedenfalls verwirkt sei. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesgerichtshofs ergebe eine Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles einen Verstoß der Klägerin gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

    Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie hält an ihren erstinstanzlichen Anträgen fest. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei sie im Jahr 2015 noch zum Widerspruch berechtigt gewesen. Die Voraussetzungen einer Verwirkung seien nicht gegeben. Die Forderung sei auch der Höhe nach berechtigt.

    Die Klägerin beantragt,

    das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 05.07.2019 - Az: A 10 O 99/18 - aufzuheben und wie folgt neu zu entscheiden:

        1.

        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.088,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 12.11.2016 zu zahlen.
        2.

        Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 357,00 € Sachverständigenkosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
        3.

        Die Beklagte wird schließlich verurteilt, an die Klägerin 1.029,35 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Sie ergänzt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

    II.

    Die zulässige Berufung der Klägerin dürfte voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben. Eine Entscheidung des Senats nach mündlicher Verhandlung erscheint auch im Hinblick auf die Gesichtspunkte gemäß § 522 Abs. 2 Ziffer 2, 3 und 4 ZPO nicht erforderlich. Die Klage ist unschlüssig. Der Klägerin steht kein Rückabwicklungsanspruch aus dem im Jahr 2006 geänderten Lebensversicherungsvertrag zu.

    1. Die Parteien haben im Jahr 2006 entsprechend dem Antrag der Klägerin vom 28.11.2005 und dem Versicherungsschein vom 02.01.2006 eine Änderung des im Jahr 1991 abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages vereinbart. Die Änderung wurde im Wege des sogenannten Policen-Modells gemäß § 5 a VVG a. F. vereinbart, da der Klägerin bei ihrem Antrag vom 28.11.2005 die maßgeblichen Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen nicht vorlagen. Die Klägerin war mithin gemäß § 5 a Abs. 1 VVG a. F. berechtigt, dem Zustandekommen der neuen vertraglichen Vereinbarung binnen einer Frist von 30 Tagen nach Übersendung des Versicherungsscheins nebst den maßgeblichen Unterlagen zu widersprechen. Die Widerspruchsregelung in § 5 a Abs. 1 VVG a. F. gilt nicht nur für den erstmaligen Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages, sondern auch für eine spätere Änderung dieses Vertrages (vgl. Prölss in Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, § 5 a VVG Rn. 22 a; OLG Köln, Urteil vom 04.08.1998 - 9 U 17/98 - Rn. 10).

    2. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Klägerin am 24.11.2015 wegen einer fehlerhaften Belehrung über den Fristbeginn (§ 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F.) noch zum Widerspruch berechtigt war. Außerdem kann dahinstehen, ob ein Recht zum Widerspruch - wie das Landgericht angenommen hat - trotz einer möglicherweise fehlerhaften Belehrung im Jahr 2015 verwirkt war. Denn der Klägerin steht ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte auf Grund einer Rückabwicklung des Lebensversicherungsvertrages auch dann nicht zu, wenn man den Einwand der Verwirkung für unbegründet hält.

    Wenn man unterstellt, dass die vertragliche Vereinbarung vom 02.01.2006 wegen eines nachträglichen Widerspruchs der Klägerin nicht wirksam zustande gekommen ist, führt dies nicht zu einer Rückabwicklung des Lebensversicherungsvertrages nach Bereicherungsrecht. Denn eine Unwirksamkeit der Änderungsvereinbarung vom 02.01.2006 kann nur die Rechtsfolge haben, dass die beabsichtigte Änderung des bestehenden Vertrages nicht zustande gekommen ist. Das bedeutet, dass auf Grund des Widerspruchs der Klägerin im Jahr 2015 von einem unveränderten Fortbestand des im Jahr 1991 abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages über das Jahr 2006 hinaus auszugehen ist. Denn es gibt keinen rechtlichen Gesichtspunkt aus dem sich eine rückwirkende Erstreckung der Unwirksamkeit der Änderungsvereinbarung im Jahr 2006 auf den im Jahr 1991 abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag ergeben könnte (vgl. zu den Rechtsfolgen eines Widerspruchs gemäß § 5 a VVG a. F. im Fall einer Änderungsvereinbarung OLG Köln, a. a. O., Rn. 11; ebenso BGH, Urteil vom 12.09.2012 - IV ZR 258/11 - Rn. 9, zitiert nach Juris, im ähnlichen Fall des Widerrufs einer Änderungsvereinbarung gemäß § 8 VVG a. F.). Der im Jahr 1991 abgeschlossene Versicherungsvertrag war wirksam und hatte - einen wirksamen Widerspruch der Klägerin gegen die Änderungsvereinbarung vom 02.01.2006 unterstellt - auch über das Jahr 2006 hinaus Bestand. Die Beklagte hat den Vertrag im Jahr 2011 zutreffend nach den Grundsätzen über die Abrechnung eines gekündigten Lebensversicherungsvertrages abgerechnet. Einen Fehler bei der Abrechnung des Rückkaufswertes im Jahr 2011 hat die Klägerin nicht geltend gemacht und ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

    3. Da der Klägerin die geltend gemachte Hauptforderung nicht zusteht, fehlt auch eine Rechtsgrundlage für die Nebenforderungen (Sachverständigenkosten und Anwaltskosten).
    Dr. Bauer-Gerland Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht
    Stuhlmann Richter am Oberlandesgericht
    Schulte-Kellinghaus Richter am Oberlandesgericht
    Hinweis:

    Die Klägerin hat die Berufung nach dem Beschluss des Senats zurückgenommen.