07.06.2019 · IWW-Abrufnummer 209281
Kammergericht Berlin: Beschluss vom 04.09.2018 – 6 U 40/18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht
Beschluss
24 O 169/17 Landgericht Berlin
In dem Rechtsstreit
nnnn Sachversicherungs-AG ./. nnnnnnnnnnnnn
hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht xxx, die Richter am Kammergericht xxx und xxx am 4. September 2018 b e s c h l o s s e n :
I. Gemäß § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die Beklagte hat hierzu in der Klageerwiderung auf S. 9 (Bd. I Bl. 45) unter Beweisantritt (Zeugnis der Dipl.-Ing. nnnnnnnn und Sachverständigengutachten) vorgetragen, der von 13.000 Euro in Abzug gebrachte Betrag von 1.500,59 Euro sei in den erstatteten Beträgen für die Rechnungen von B + P Gerüstbau vom 30.12.2012 (1.706,72 Euro brutto) und vom 30.04.2013 (1.321,04 Euro brutto) enthalten.
2. Das Landgericht hat auch zu Recht keine Kürzung des Anspruchs auf Erstattung der Aufwendungen für das Wetterschutzdach im Hinblick darauf vorgenommen, dass dieses nicht nur die - zu erhaltenden und wieder herzustellenden - Neubauleistungen geschützt hat, sondern auch die darunter befindliche Altbausubstanz. Denn dieser Nebeneffekt berührt die Leistungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag nicht.
a) Die Beklagte hat der Klägerin in § 6 Ziffer 1. der vereinbarten “Allgemeine(n) Bedingungen für die Bauleistungsversicherung durch Auftraggeber” (ABN 2008, Anlage 1 der Klageschrift) die zugesprochenen Versicherungsleistungen in Form von Aufwendungen zur Abwendung und Minderung des Schadens versprochen. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer, der die Bedingungen sorgfältig liest, kann weder dem Wortlaut noch dem Sinnzusammenhang entnehmen, dass ihm nur ein Anspruch auf einen Teil seiner Aufwendungen zustehen soll, wenn die Maßnahmen auch dem Schutz anderer versicherter Interessen, wie hier der Altbausubstanz, dienen. Auch dem Sinnzusammenhang und der Beschränkung der Versicherung auf Neubauleistungen kann er dies nicht entnehmen, wenn sich bei der Erbringung von Neubauleistungen eine durch die Beklagte versicherte Gefahr realisiert hat, durch die Neubauleistungen zerstört wurden, und zu deren Schutz die gemachten Rettungsaufwendungen erforderlich waren. Da die Aufwendungen nur erstattungsfähig sind, wenn der Versicherungsnehmer diese für geboten halten durfte und/oder er sie auf Weisungen des Versicherers macht, darf der Versicherungsnehmer auf der Grundlage der Bedingungen die Aufwendungen im Vertrauen darauf tätigen, dass ihm die voraussetzungsgemäß getätigten Aufwendungen vom Versicherer auch voll erstattet werden. Ein Verständnis der Bedingungen dahin, dass der Erstattungsbetrag vom Versicherer selbst dann, wenn er entsprechende Weisungen erteilt hat, im Nachhinein einseitig gekürzt werden darf, wenn und soweit auch andere versicherte Interessen dadurch geschützt wurden, liegt daher fern. Auch die Beklagte ist vorprozessual auf einen solchen Gedanken nicht gekommen.
b) Es kommt damit nicht darauf an, ob bei einem Aufwendungsersatzanspruch, der sich nur auf gesetzliche Vorschriften stützen kann (§ 83 VVG), eine quotale Kürzung entsprechend dem Verhältnis der abgewendeten Schäden in Betracht käme. Nach Auffassung des Senats wäre auch dies zu verneinen, da die Interessenlage des Versicherungsnehmers jedenfalls rechtlich nicht schlechter geschützt sein darf als in dem Fall, in dem eine Mehrfachversicherung besteht. Für diesen Fall ist in § 78 Abs. 2 VVG geregelt, dass die mehreren Versicherer als Gesamtschuldner haften und ein Ausgleich im Innenverhältnis zwischen den Versicherern stattfindet. Dies entspricht dem Schutzzweck dieses Gesetzes, den Versicherungsnehmer von der Inanspruchnahme mehrerer Versicherer und dem Risiko zweifelhafter Abgrenzungen freizuhalten, wenn er jeweils das gesamte Interesse bei dem in Anspruch genommenen Versicherer versichert hat. Der Senat folgt damit der überwiegenden Auffassung in der Literatur (vgl. Voit in Prölss/Martin, VVG, 29. Auflage 2018 § 83 Rn. Rn. 23; Looschelders in Langheidt/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, 2. Auflage 2ß16 § 83 Rn. 47; a. A. Koch in Bruck/Möller, VVG, 9. Auflage 2010, § 83 Rn. 105). Entgegen der Auffassung von Koch ist die Rechtslage anders als in dem Fall, in dem die Rettung sowohl versicherter als auch nicht versicherter Gegenstände dient; denn ein Gesamtschuldnerausgleich kann in dieser Konstellation nicht stattfinden.
3. Auch die weiteren Voraussetzungen gemäß § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
4. Die Parteien erhalten Gelegenheit, zu den vorstehenden Hinweisen binnen einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen und die Berufung zurückzunehmen, wodurch sich die Gerichtskosten halbieren würden.
Beschluss
Geschäftsnummer: 6 U 40/18
04.09.2018
In dem Rechtsstreit
nnnn Sachversicherungs-AG ./. nnnnnnnnnnnnn
hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht xxx, die Richter am Kammergericht xxx und xxx am 4. September 2018 b e s c h l o s s e n :
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat nach Vorberatung der Auffassung ist, dass das Rechtsmittel in der Sache offensichtlich unbegründet ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die weiteren Voraussetzungen für die vorgesehene Verfahrensweise vorliegen.
1. Die Beklagte wendet sich dagegen, dass das Landgericht eine Erfüllung des in Höhe von 44.328,73 Euro für das Wetterschutzdach für begründet erachteten Betrages lediglich in Höhe von 11.500 Euro festgestellt hat. Sie macht geltend, unstreitig mindestens 13.000 Euro an die Klägerin gezahlt zu haben. Denn sie habe unstreitig einen Betrag von 1.500,89 Euro auf die im Urteil genannten Rechnungen gezahlt und hierzu unter Beweisantritt vorgetragen, dass diese Zahlungen mit den streitgegenständlichen Leistungen im Zusammenhang stünden. Erstmals im angefochtenen Urteil (und damit für sie überraschend) müsse sie nun lesen, dass ihr Vorbringen unsubstantiiert bzw. nicht nachvollziehbar sei.
Das Urteil sei daher verfahrensfehlerhaft ergangen. Ihr Vorbringen sei beweisbedürftig.
Diese Berufungsrügen greifen nicht durch. Die Feststellungen des Landgerichts sind in der Sache zutreffend und auch nicht überraschend.
Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift auf S. 6 vorgetragen, die Beklagte habe in dem Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 19.5.2014 (Anlage 5) zur Berechnung auf eine von Frau nnnn erarbeitete Gegenüberstellung (ebenfalls Anlage 5) Bezug genommen, welche Kosten ohne Wetterschutzdach entstanden wären durch Abplanung, Verlegung einer Folie auf der schwer geschädigten Decke über dem vierten Geschoss sowie sonstige Maßnahmen. Diese Zusammenstellung ende pauschal mit 13.000 Euro. Hiervon werde nochmals ein Betrag von 1.500,00 Euro abgezogen, der bereits in der bisherigen Entschädigung enthalten sein soll. Eine nähere Aufklärung über diesen Abzugsbetrag sei bisher nicht erfolgt. Das Vorgehen sei daher insgesamt nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin hat dazu in der Replik vom 9.2.2015 S. 6 f. (Bd. I Bl. 57 f.) vorgetragen, die von der Beklagten benannten Rechnungen ließen nicht erkennen, inwieweit sich dort insgesamt ein Abzugsbetrag von ca. 1.500 Euro ergeben soll. Bis zu einer näheren Substantiierung werde der Abzugsbetrag nicht anerkannt.
Mit Schriftsatz vom 18.1.2016 S. 3 (Bd. I Bl. 109 d. A.) hat sie moniert, dass sich die Beklagte immer noch nicht zu dem Abzugsbetrag von 1.500 Euro zu erklären vermag.
Das Landgericht hat die Beklagte schließlich mit der Verfügung vom 12.5.2016 (Bd. I Bl. 112) u. a. darauf hingewiesen, dass der Abzug der rund 1.500 Euro nicht nachvollziehbar sei, weil die Rechnungspositionen, auf die schon Leistungen erbracht werden sollen, “hier” unbekannt seien, und Gelegenheit zur Stellungnahme von vier Wochen gegeben, von der die Beklagte bis zum Abschluss der ersten Instanz keinen Gebrauch gemacht hat.
Auch mit der Berufungsbegründung hat die Beklagte diese Rechnungen nicht vorgelegt und auch nicht vorgetragen, welche Leistungen dort konkret in Rechnung gestellt wurden.
Es bleibt damit dabei, wie zutreffend vom Landgericht ausgeführt, dass die Leistungen betreffend das Gerüst-Wetterschutzdach mit den in der Anlage 3 aufgeführten 1. bis 7. Teilrechnungen und abschließend mit der Schlussrechnung vom 20.8.2013 mit einem Betrag von 44.328,73 Euro brutto abgerechnet wurden und die Beklagte darauf lediglich 11.500 Euro gezahlt hat, während eine etwaige weitere Zahlung eines Betrages von ca. 1.500 Euro auf diese Leistungen nicht dargetan ist. Sollte es sich bei den von der Beklagten in der Klageerwiderung bezeichneten Rechnungen um die in der Rechnungsaufstellung der Dipl.-Ing. nnn (enthalten in der gutachterlichen Stellungnahme vom 10.7.2013 S. 20 ff., Anlage 5 der Klageschrift) vom 31.12.2012 und 30.4.2013 der nnn Gerüstbau handeln, so wären Zahlungen hierauf jedenfalls nicht auf das hier streitige Wetterschutzdach anzurechnen, weil die Teilrechnungen offensichtlich verlängerte Gerüststandzeiten (des Hauptgerüstes) an der Fassade betrafen. Abgesehen davon spricht viel dafür, dass es sich bei dem Betrag von 1.500,59 Euro nicht um eine - oder mehrere - Teilzahlung(en) der Beklagten handelt, sondern um den in der Gegenüberstellung der Dipl.-Ing. nnn Anlage 5 in der linken Spalte für ein “Foliendach, Ergänzung zum Wetterschutzdach in Ausrichtung und zum erweiterten Schutz der Wohnungstrennwand WE 17/WE 18 und der WE 19/Treppenhaus” geschätzten Betrag, der seither “herumgeistert”.
a) Die Beklagte hat der Klägerin in § 6 Ziffer 1. der vereinbarten “Allgemeine(n) Bedingungen für die Bauleistungsversicherung durch Auftraggeber” (ABN 2008, Anlage 1 der Klageschrift) die zugesprochenen Versicherungsleistungen in Form von Aufwendungen zur Abwendung und Minderung des Schadens versprochen. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer, der die Bedingungen sorgfältig liest, kann weder dem Wortlaut noch dem Sinnzusammenhang entnehmen, dass ihm nur ein Anspruch auf einen Teil seiner Aufwendungen zustehen soll, wenn die Maßnahmen auch dem Schutz anderer versicherter Interessen, wie hier der Altbausubstanz, dienen. Auch dem Sinnzusammenhang und der Beschränkung der Versicherung auf Neubauleistungen kann er dies nicht entnehmen, wenn sich bei der Erbringung von Neubauleistungen eine durch die Beklagte versicherte Gefahr realisiert hat, durch die Neubauleistungen zerstört wurden, und zu deren Schutz die gemachten Rettungsaufwendungen erforderlich waren. Da die Aufwendungen nur erstattungsfähig sind, wenn der Versicherungsnehmer diese für geboten halten durfte und/oder er sie auf Weisungen des Versicherers macht, darf der Versicherungsnehmer auf der Grundlage der Bedingungen die Aufwendungen im Vertrauen darauf tätigen, dass ihm die voraussetzungsgemäß getätigten Aufwendungen vom Versicherer auch voll erstattet werden. Ein Verständnis der Bedingungen dahin, dass der Erstattungsbetrag vom Versicherer selbst dann, wenn er entsprechende Weisungen erteilt hat, im Nachhinein einseitig gekürzt werden darf, wenn und soweit auch andere versicherte Interessen dadurch geschützt wurden, liegt daher fern. Auch die Beklagte ist vorprozessual auf einen solchen Gedanken nicht gekommen.
b) Es kommt damit nicht darauf an, ob bei einem Aufwendungsersatzanspruch, der sich nur auf gesetzliche Vorschriften stützen kann (§ 83 VVG), eine quotale Kürzung entsprechend dem Verhältnis der abgewendeten Schäden in Betracht käme. Nach Auffassung des Senats wäre auch dies zu verneinen, da die Interessenlage des Versicherungsnehmers jedenfalls rechtlich nicht schlechter geschützt sein darf als in dem Fall, in dem eine Mehrfachversicherung besteht. Für diesen Fall ist in § 78 Abs. 2 VVG geregelt, dass die mehreren Versicherer als Gesamtschuldner haften und ein Ausgleich im Innenverhältnis zwischen den Versicherern stattfindet. Dies entspricht dem Schutzzweck dieses Gesetzes, den Versicherungsnehmer von der Inanspruchnahme mehrerer Versicherer und dem Risiko zweifelhafter Abgrenzungen freizuhalten, wenn er jeweils das gesamte Interesse bei dem in Anspruch genommenen Versicherer versichert hat. Der Senat folgt damit der überwiegenden Auffassung in der Literatur (vgl. Voit in Prölss/Martin, VVG, 29. Auflage 2018 § 83 Rn. Rn. 23; Looschelders in Langheidt/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, 2. Auflage 2ß16 § 83 Rn. 47; a. A. Koch in Bruck/Möller, VVG, 9. Auflage 2010, § 83 Rn. 105). Entgegen der Auffassung von Koch ist die Rechtslage anders als in dem Fall, in dem die Rettung sowohl versicherter als auch nicht versicherter Gegenstände dient; denn ein Gesamtschuldnerausgleich kann in dieser Konstellation nicht stattfinden.
3. Auch die weiteren Voraussetzungen gemäß § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
4. Die Parteien erhalten Gelegenheit, zu den vorstehenden Hinweisen binnen einer Frist von zwei Wochen Stellung zu nehmen und die Berufung zurückzunehmen, wodurch sich die Gerichtskosten halbieren würden.