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  • 16.10.2014 · IWW-Abrufnummer 142997

    Landgericht Dortmund: Urteil vom 17.07.2014 – 2 O 31/14



    Der Kontrahierungszwang des Krankenversicherers zum Abschluss einer Krankenversicherung im Basistarif, schließt bei der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten das Rücktrittsrecht nicht aus


    Landgericht Dortmund

    2 O 31/14

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von bis zu 19.000 € der Kläger.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

    Tatbestand:

    Der Kläger beantragte mit Antrag vom 17.12.2012 über die Versicherungsmaklerfirma J den Abschluss einer privaten Krankenversicherung bei der Beklagten in den Tarifen GS II 2/100, CV 43/100, KS 150, Comfort, PVN und AV-P 1 für sich und seine beiden Kinder. Auf Seite 3 des Antrages auf Versicherungsschutz für den Kläger befinden sich die Gesundheitsfragen. Oberhalb dieser Gesundheitsfragen befindet sich im Fettdruck eine Belehrung über die vorvertraglichen Anzeigepflichten sowie über die Rechtsfolgen einer Verletzung. Im letzten Satz des Hinweises wird auf nähere Informationen zu den Folgen einer Anzeigepflichtverletzung in der "Mitteilung nach § 19 (5) VVG" auf S. 7 des Antrages verwiesen. In diesem Antrag wurden auf Seite 3 die Antwortfelder zu den Gesundheitsfragen 2.) und die Antwort zur Frage 3.) jeweils mit „Nein“ beantwortet. Auch die Übrigen Gesundheitsfragen wurden mit Ausnahme der Frage 13 c) und 13 d), bei der Zahnersatz und der jeweilige Zeitpunkt der Behandlung angegeben wurde, verneint. Wegen der Einzelheiten der Belehrungen und der Gesundheitsfragen sowie der Antworten wird auf die Ablichtung des Antrages vom 17.12.2012 Bezug genommen (Anlage zur Klage vom 320.01.2014). Die Beklagte nahm den Antrag unter dem 18.12.2012 an und übersandte den Versicherungsschein. Der Kläger reichte im Sommer 2013 bei der Beklagten Behandlungsrechnungen des P zur Erstattung ein, deren Grundlage die Diagnose „Adaptionssyndrom“ war und weswegen dem Kläger das Präparat „Calmvalera hevert“ verschrieben worden war. Diesen Versicherungsfall nahm die Beklagte zum Anlass, Rückfragen bei dem behandelnden Arzt zu stellen. Der behandelnde Arzt teilte mit Schreiben vom 27.8.2013 (Anl. B4) mit, dass der Kläger wegen der Diagnosen „Adaptionssyndrom und Erschöpfungszustand“ bereits am 21.1.2008 und am 25.6.2010 ärztlich behandelt worden war. Als Grund für die Diagnose gab der behandelnde Arzt familiäre und berufliche Überlastungen des Klägers an. Diese Auskunft nahm die Beklagte zum Anlass, mit Schreiben vom 30.8.2013 (Anl. B5) den Rücktritt vom Versicherungsvertrag zu erklären. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Kläger die Gesundheitsfragen unrichtig beantwortet habe, da er wegen eines Adoptionssyndroms und eines Erschöpfungszustand im abgefragten Zeitraum ärztlich behandelt worden sei und sie, sofern der Kläger in dem Antrag die Angaben richtig gemacht hätte, den Antrag nicht angenommen hätte. Im Nachgang zu diesem Kündigungsschreiben teilte der behandelnde Arzt auf weitere Nachfrage der Beklagten mit Schreiben vom 17.9.2013 mit, dass der Kläger wegen des Erschöpfungszustand im Jahr 2008 für fünf Tage sowie im Jahr 2010 für acht Tage arbeitsunfähig krankgeschrieben worden war. Wegen des von der Beklagten erklärten Rücktritts schloss der Kläger bei einem anderen Krankenversicherer eine private Krankenversicherung ab, die jedoch monatlich 150,- € teurer ist, als seine vorhergehende Versicherung bei der Beklagten.

    Der Kläger behauptet, dass der Mitarbeiter G von der J mit dem Kläger die Gesundheitsfragen telefonisch besprochen habe. Der Mitarbeiter habe wissen wollen, ob gravierende Erkrankungen vorgelegen hätten. Der Kläger habe diese Frage verneint und hinzugefügt, dass er allerdings schon einmal einen kleinen Infekt oder etwas Ähnliches gehabt habe. Er habe außerdem auf eine vor wenigen Monaten erfolgte Zahnbehandlung hingewiesen. Im Nachgang zu diesem Telefonat habe der Kläger sodann einen vorausgefüllten Versicherungsantrag im PDF-Format per E-Mail zugesandt bekommen, bei dem die Gesundheitsfragen mit Ausnahme der Frage 13 mit „Nein“ vorausgefüllt gewesen seien. Diesen Antrag habe der Kläger sodann ausgedruckt und unterschrieben, das unterschriebene Exemplar eingescannt und sodann den gescannten Antrag an die J per E-Mail zurückgesandt. Der Kläger behauptet weiter, dass die Gesundheitsfragen auf S. 3 des Antrags von der Maklerfirma J selbst gestaltet worden seien, um bei vielen Versicherern Anfragen stellen zu können. Ferner behauptet er, dass der behandelnde Arzt P ihm die Diagnose seinerzeit nicht mitgeteilt habe. Er sei bei dem Hausarzt gewesen, da er sich körperlich kaputt gefühlt habe und von einer Grippe ausgegangen sei. Der Kläger vertritt die Rechtsansicht, dass es sich um eine vergleichsweise unbedeutende Diagnose gehandelt habe, die keinen Rücktritt rechtfertige. Es habe sich ferner um Maklerfragen gehandelt und nicht um Fragen des Versicherers. Ferner sei die Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG fehlerhaft erteilt worden, weil diese keinen ausdrücklichen und unmissverständlichen Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Vertragsanpassung enthalte. Darüber hinaus handele es sich um eine leicht fahrlässige vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung, da die Behandlung 2 ½ Jahre zurück gelegene habe, so dass das Rücktrittsrecht ausgeschlossen sei. Selbst wenn man jedoch von einer grob fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung ausgehen wollte, sei das Rücktrittsrecht ausgeschlossen, da die Beklagte aufgrund der Einführung des Basistarifes dazu verpflichtet gewesen wäre, zu anderen Bedingungen abzuschließen.

    Der Kläger beantragt,

    1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Krankenversicherungsverhältnis durch das Rücktrittsschreiben vom 30.8.2013 nicht beendet worden ist;

    2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen, der sich aus dem unberechtigten Rücktritt vom 30.8.2013 ergibt.

    3. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Kosten der Rechtsverfolgung von 1.100,51 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte behauptet, dass die Gesundheitsfragen, die die in J gestellt habe, von ihr vorgegeben worden seien. Sie vertritt deswegen die Rechtsansicht, dass es sich um Fragen des Versicherers handele. Ferner behauptet sie, dass bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Gesundheitsfragen durch den Kläger das Angebot des Klägers auf Abschluss des privaten Krankenversicherungsvertrages nicht angenommen hätte. Die Risikobewertung, die die Beklagte anhand der Kölner Systematik der Krankheiten vornehme, hätte bei einer Anpassungsstörung zu einer Ablehnung geführt.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    Es ist Beweis erhoben worden durch Anhörung des Klägers und Vernehmung des Zeugen G sowie des Zeugen I. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 17.7.2014 verwiesen.

    Entscheidungsgründe:

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    A.

    Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung des Fortbestehens des Krankenversicherungsverhältnisses, da das Krankenversicherungsverhältnis durch die Rücktrittserklärung der Beklagten vom 30.08.2013 gem. § 19 Abs. 2 VVG wirksam beendet worden ist.

    Nach § 19 Abs. 2 VVG kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Abs. 1 verletzt hat. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Voraussetzung für eine Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers ist demnach, dass Fragen des Versicherers vorliegen, da – anders als nach altem Recht (§§ 16 f. VVG a.F.) – keine spontane Anzeigepflicht mehr besteht.

    I. Es handelt sich bei den Gesundheitsfragen auf S. 3 des Antrages vom 17.12.2012 um Fragen des Versicherers gem. § 19 Abs. 2 VVG, die dem Kläger in Textform gestellt wurden.

    Es liegen Fragen des Versicherers vor, weil die Beklagte dem Makler die in dem Antrag enthaltenen Fragen vorgegeben und unter Kontrolle gehalten hat. Davon ist die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt. Der Zeuge G hat ausgesagt, dass zwischen ihm als zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten und der J die Gesundheitsfragen in dem Antrag abgestimmt und sodann von der Beklagten freigegeben worden sind. Er schilderte, dass die Einheitsanträge von den Maklern der Beklagten vorgelegt werden, die Beklagte sodann Ihre Änderungswünsche bei den Maklern anmeldet, die Makler die Änderungswünsche einarbeiten und die Einheitsanträge sodann erneut bei der Beklagten zur Prüfung vorlegen. Nach erneuter Prüfung würden diese sodann für 1 Jahr freigegeben. Nach Ablauf dieses Jahres werde dieser Prozess erneut durchgeführt. Sofern sich während dieses Zeitraumes schon Änderungswünsche seitens der Beklagten ergäben, würden auch diese mit den Maklern abgestimmt. Die Aussage des Zeugen G ist glaubhaft, da der Zeuge den Abstimmungsprozess in allen Einzelheiten und bezogen auf den konkreten Fall darstellen konnte. Der Zeuge ist auch glaubwürdig.

    Die Fragen wurden auch unstreitig in Textform gem. § 19 Abs. 2 VVG i.V.m. § 126b BGB gestellt.

    II. Der Kläger hat die Gesundheitsfragen zu 2.) und 3.) objektiv falsch beantwortet.

    Die Frage 2.), „Bestanden in den letzten 3 Jahren oder bestehen zurzeit Krankheiten, Beschwerden, Unfallfolgen, Fehler organischer, körperlicher oder geistiger Art (auch wenn sie nicht behandelt wurden) oder Pflegebedürftigkeit?“ beantwortete der Kläger unstreitig mit „Nein“. Auch die Frage 3.), „Fanden in den letzten 3 Jahren ambulante Untersuchungen, Operationen oder aufgrund von Vorerkrankungen medizinische Kontroll- und Nachsorgeuntersuchungen oder Behandlungen von Ärzten, Zahnärzten oder anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen statt oder ist eine solche angeraten oder beabsichtigt?“ beantwortete der Kläger unstreitig mit „Nein“.

    Der Kläger hätte in der Antwort auf Frage 2.) sämtliche Beschwerden organischer, körperlicher oder geistiger Art angeben müssen, auch wenn sie nicht behandelt worden sein sollten. In der Antwort auf die Frage 3.) hätte der Kläger sämtliche Untersuchungen oder Behandlungen von Ärzten, die in den letzten drei Jahren vor Antragstellung durchgeführt wurden, angeben, müssen. Folglich hätte der Kläger die streitgegenständlichen Beschwerden, Untersuchungen und Behandlungen am 21.1.2008 und am 25.06.2010 wegen stressbedingter Erschöpfung angeben müssen.

    III. Es handelte sich bei den streitgegenständlichen Beschwerden, Untersuchungen und Behandlungen am 21.1.2008 und 25.06.2010 auch um Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers gefahrerheblich waren, § 19 Abs. 1 VVG.

    Entgegen der Auffassung des Klägers lag keine vergleichsweise unbedeutende Diagnose vor, die nicht hätte angegeben werden müssen. Die von dem Kläger zitierte Entscheidung des OLG Saarbrücken (NJW-RR 2005, 334) kann nicht herangezogen werden. Diese, noch zum alten VVG ergangene Entscheidung, beschäftigt sich mit der Frage, ob Arglist vorliegt, die zur Anfechtung berechtigt. Hier geht es aber um die vorgelagerte Frage, ob ein offenbarungspflichtiger Umstand vorlag, der gefahrerheblich ist.

    IV. Der Kläger hat die vorvertragliche Anzeigepflicht jedenfalls grob fahrlässig verletzt. Grob Fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (st. Rspr. des BGH seit BGHZ 10, 14, zuletzt BGH r+s 2005, 410 = VersR 2005, 1449; r+s 1992, 279 = VersR 1992, 1087; VersR 1989, 582; vgl. etwa auch BGH VersR 1989, 141; 1988, 509; 1986, 671; weitere Hinweise siehe § 81 Rn. 47). Dem Kläger hätte ohne weiteres Einleuchten müssen, dass die Beschwerden wegen einer familiären und beruflichen Überforderung und die deswegen erfolgten ärztlichen Untersuchungen, Behandlungen, Verordnungen und Krankschreibungen offenbarungspflichtige Umstände darstellten. Es vermag dem Kläger nicht zu entlasten, dass er sich zum Zeitpunkt der Beantwortung der Gesundheitsfragen nicht mehr habe daran erinnern können und dass er der Ansicht gewesen sei, der Grund für die Beschwerden sei eine Grippe gewesen. Der Kläger hat nach seinem eigenen Vortrag dem Makler gegenüber angegeben, in den letzten drei Jahren an „kleineren Infekten oder so etwas ähnlichem“ gelitten zu haben. Wenn sich der Kläger an derartige, aus seiner Sicht irrelevante Krankheiten erinnern kann, ist es nicht nachvollziehbar, warum er die ärztlichen Behandlungen wegen stressbedingten Erschöpfungszuständen nicht mehr in Erinnerung gehabt haben will. Dass er glaubte, an einer Grippe gelitten zu haben, entlastet ihn ebenfalls nicht. Der Kläger selbst hat in der Anhörung in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass ihm der Arzt mitgeteilt habe, dass er sich überlegen müsse, ob er auf dem richtigen Arbeitsplatz arbeite und dass er sodann ein homöopathisches Mittel verordnet bekommen habe, welches er auch 2-3 Tage eingenommen habe. Er sei auch aufgrund der Beschwerden jeweils einige Tage krankgeschrieben worden. Warum der Kläger davon ausgegangen sein will, es habe sich lediglich um eine Grippe gehandelt, ist aufgrund dieser Tatsachen nicht nachvollziehbar und stellt eine Schutzbehauptung dar.

    V. Der Rücktritt ist nicht gem. § 19 Abs. 4 S. 1 VVG ausgeschlossen. Denn entgegen der Ansicht des Klägers liegt kein vertragsändernder sondern ein vertragshindernder Umstand vor.

    1. Die auf den Urteilen des Landgerichts Kiel (Urteil vom 23.11.2012, Aktenzeichen: 5 O 46/12, Juris Tz. 40) und das OLG Frankfurts (Urteil vom 19.1.2011, Aktenzeichen: 7 U 77/10, Juris Tz. 39) basierende Rechtsauffassung des Klägers, dass seit Einführung der Verpflichtung des Versicherers, Versicherungen im Basistarif gem. § 193 Abs. 5 VVG anzubieten, ein vertragshindernder Umstand nicht mehr angenommen werden könne, tritt die Kammer entgegen. Das Landgericht Kiel und das OLG Frankfurt führen dazu aus, dass der Versicherer nicht damit gehört werden könne, dass er bei Kenntnis der Umstände nicht abgeschlossen hätte, wenn er nach den Vorschriften zum Basistarif dazu verpflichtet gewesen wäre, diesen abzuschließen. Der Antrag auf Versicherung im Basistarif könne gem. § 193 Abs. 5 S. 4 VVG nur dann abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits bei dem Versicherer versichert war und der Versicherer den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist. Dies sei regelmäßig aber nicht der Fall.

    Dieser Ansicht ist entgegenzuhalten, dass der Versicherer eine Vertragsanpassung gem. § 19 Abs. 4 VVG gegenüber dem Versicherungsnehmer nur dann vornehmen kann, wenn der Versicherer „den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände (...) zu anderen Bedingungen geschlossen hätte“. Als „andere Bedingungen“ werden in der Literatur Risikoausschlüsse, Prämienerhöhungen, Selbstbehalt, andere Laufzeiten sowie eine andere Versicherungssumme oder Ähnliches bezeichnet. Bei Risikoausschlüssen, die andere Bedingungen darstellen können, kommt es für die Frage, ob der Versicherer das Risiko überhaupt versichert hätte, darauf an, ob ein Vertrag trotz der Möglichkeit eines Ausschlusses gescheitert wäre (Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, § 19, Rn. 54). Eine Vertragsänderung im Sinne des § 19 Abs. 4 VVG liegt folglich nur dann vor, wenn einzelne Vertragsbestandteile abgeändert werden, der Vertrag jedoch im Übrigen bestehen bleibt und insbesondere der abgeänderte Vertrag noch dem ursprünglichen Vertragstyp entspricht. Es handelt sich bei dem Basistarif und einem privaten Krankenversicherungstarif aber gerade nicht um miteinander vergleichbare Vertragstypen. Die Versicherung zum Basistarif stellt gegenüber dem beantragten privaten Krankenversicherungsvertragsverhältnis ein „Aliud“ dar. Es wird nicht der bestehende Vertrag mit anderen Bedingungen fortgeführt oder in andere Bedingungen geändert, sondern es findet eine Umwandlung des im jeweiligen Tarif vereinbarten privaten Krankenversicherungsvertrages in einen gänzlich anderen Vertragstyp, den Basistarif, statt. Es kann folglich nicht von einer Abänderung des ursprünglichen Vertrages, sondern es muss von einer Auflösung des Altvertrages und dem Neuabschluss eines gänzlich anderen Vertrages gesprochen werden.

    Gegen die dargestellte Rechtsansicht spricht ferner der Sinn und Zweck der Regelung des § 19 Abs. 4 VVG, der darin zu sehen ist, dass der Vertragszustand herzustellen ist, der bestehen würde, wenn der Versicherungsnehmer seine vorvertraglichen Obliegenheiten erfüllt hätte. Bei Beachtung der vorvertraglichen Obliegenheiten hätte der Versicherer den jeweils konkret abgeschlossenen Vertrag entweder zu anderen Bedingungen oder eben nicht abgeschlossen. Der Basistarif wäre jedoch in keinem der Fälle abgeschlossen worden, weil der Antragsteller diesen überhaupt nicht beantragt hat. Ein Krankenversicherer wäre auch nicht verpflichtet, bei Ablehnung des Antrages dem Kläger unmittelbar das Angebot auf Abschluss eines Basistarifs zu unterbreiten. Dies lässt die Argumentation der beiden Gerichte unberücksichtigt. Im Ergebnis führt die Rechtsansicht des LG Kiel und des OLG Frankfurt folglich dazu, dass über den Umweg der vermeintlichen Vertragsanpassung im Sinne des § 19 Abs. 4 VVG der Versicherer zum Abschluss eines Vertrages verpflichtet würde, den der Antragsteller gar nicht beantragt hat und den der Versicherer auch nicht hätte von sich aus anbieten müssen, wenn der Versicherte die Obliegenheiten erfüllt hätte.

    Der eingeführte § 193 Abs. 5 VVG steht der Annahme eines vertragshindernden Umstands folglich nicht per se entgegen.

    2. Die streitgegenständlichen Behandlungen und Beschwerden stellen einen vertragshindernden Umstand dar. Die Kammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Krankenversicherungsvertrags bei Kenntnis der gefahrerheblichen Umstände nicht zu anderen Bedingenden, sondern überhaupt nicht abgeschlossen hätte. Der Zeuge I hat ausgesagt, dass bei der Antragstellung eine computergesteuerte Risikoprüfung anhand der Kölner Systematik der Krankheiten erfolgt. Er hat dargelegt, dass bei einer Angabe eines Adaptionssyndroms die computergestützte Risikoerheblichkeitsprüfung für den abgefragten Zeitraum von drei Jahren „k. A.“ ausgegeben hätte, was bedeutet, dass der Versicherer kein Angebot abgegeben hätte, folglich überhaupt keinen Vertrag eingegangen wäre. Diesbezüglich hätte er auch keinen Spielraum gehabt. Die Aussage des Zeugen I war glaubhaft, da er detailliert den Prüfungsverlauf schilderte. An der Glaubwürdigkeit bestehen keine Zweifel. Deswegen folgt die Kammer dieser Aussage.

    VI. Der Rücktritt ist entgegen der Rechtsansicht des Klägers auch nicht gem. § 19 Abs. 5 VVG wegen einer fehlerhaften Belehrung über die Folgen der Anzeigepflichtverletzung ausgeschlossen. Die Belehrung auf S. 3 unter Verweis auf S. 7 des Antragsformulars entspricht entgegen der Rechtsansicht des Klägers den formellen und materiellen Anforderungen des § 19 Abs. 5 VVG.

    Der Kläger ist unter Verweis auf das Urteil des LG Dortmund vom 02.01.2013 (NJW-RR 2013, 1371) der Rechtsansicht, dass die Belehrung fehlerhaft sei, weil sie keinen ausdrücklichen und unmissverständlichen Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Vertragsanpassung enthalte. Der Belehrung sei nicht zu entnehmen, dass es auch im Falle einer Vertragsanpassung zu einem „rückwirkenden“ Wegfall des Versicherungsschutzes kommen könne, sofern eine rückwirkende Einfügung eines Risikoausschlusses erfolge. Darüber hinaus fehle es an einem Hinweis, dass kein Versicherungsschutz bestehen könne.

    1. Die Belehrung auf S. 3 unter Verweis auf S. 7 genügt den formellen Anforderungen des § 19 Abs. 5 VVG.

    Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Belehrung gemäß § 19 Abs. 5 S. 1 VVG nur dann formell ausreichend, wenn sie durch gesonderte Mitteilung in Textform auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung in drucktechnisch ausreichendem Maße hervorgehoben hinweist. Dem Erfordernis einer gesonderten Mitteilung in Textform in diesem Sinne genügt es, wenn der Versicherer die Belehrung des Versicherungsnehmers in einem Antragsformularbogen aufnimmt, in welchen dem Versicherungsnehmer Fragen zur Aufklärung des Gesundheitszustandes gestellt werden. Die Platzierung und drucktechnische Gestaltung vom übrigen Text muss sich derart abheben, dass sie für den Versicherungsnehmer nicht zu übersehen ist. Wird in einer Belehrung auf einen Hinweis an anderer Stelle in dem Antragsformular verwiesen, so ist es unverzichtbar, dass dieser Verweis deutlich im räumlichen Bereich und im Zusammenhang mit den Gesundheitsfragen an hinreichend exponierter Stelle im Antrag mit genauen Fundort dargestellt wird (OLG Stuttgart, Urt. v. 17.4.2014 – 7U 253/13).

    Das von der Beklagten verwendete Antragsformular genügt diesen Grundsätzen. Zunächst ist oberhalb der Gesundheitsfragen auf Seite 3 des Antrages folgender Hinweis bezüglich der Folgen einer Anzeigepflichtverletzung im Fettdruck deutlich hervorgehoben an exponierter Stelle enthalten: „Wichtiger Hinweis zur vorvertraglichen Anzeigepflicht und zu den Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Pflicht: Um ihren Antrag prüfen zu können, benötigt der Versicherer Antworten auf alle Fragen. Bitte beantworten Sie diese wahrheitsgemäß und vollständig. Die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht kann den Versicherer berechtigen, (je nach Verschulden) vom Vertrag zurückzutreten, ihn zu kündigen oder anzupassen, was unter Umständen zur Leistungsfreiheit des Versicherers (auch für bereits eingetretene Versicherungsfälle) führen kann. Nähere Informationen zu den Folgen
    einer Verletzung der Anzeigepflicht entnehmen Sie bitte der Seite 7 unter ‚Mitteilung nach § 19 (5) VVG‘.“ Dieser Hinweis steht im räumlichen Zusammenhang mit den Gesundheitsfragen. In diesem Hinweis wird konkret hinsichtlich näherer Informationen auf die „Mitteilung nach § 19 (5) VVG“ auf S. 7 des Antrages verwiesen. Die „Mitteilung nach § 19 (5) VVG“ wiederum wird durch eine Umrahmung deutlich drucktechnisch von dem anderem Text auf S. 7 abgesetzt. Dies genügt den Anforderungen in formeller Hinsicht.

    2. Die Belehrung auf den Seiten 3 und 7 des Antrags ist entgegen der Auffassung des Klägers auch materiell nicht zu beanstanden.

    Insbesondere wird ausdrücklich auf die Rechtsfolgen einer Vertragsanpassung hingewiesen, die auch einen Verlust des Versicherungsschutzes bedeuten können. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt von der vom Kläger zitierten Entscheidung des LG Dortmund. Zunächst wird auf Seite 3 darauf hingewiesen, dass die Verletzung der vorvertraglicher Anzeigepflichten unter Umständen zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers auch für bereits eingetretene Versicherungsfälle führen kann. In der Belehrung auf S. 7 wird unter „1. Rücktritt und Wegfall des Versicherungsschutzes“ sodann wörtlich ausgeführt, dass „im Fall des Rücktritts (…) kein Versicherungsschutz“ besteht. Unter „3. Vertragsänderung“ wird sodann wörtlich ausgeführt: „Kann der Versicherer nicht vom Vertrag zurücktreten oder kündigen, weil er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Gefahrumstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte, werden die anderen Bedingungen auf Verlangen des Versicherers Vertragsbestandteil. Haben Sie die Anzeigepflicht fahrlässig verletzt, werden die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil. Auch insoweit können Sie Ihren Versicherungsschutz verlieren. Wenn Sie die Anzeigepflicht schuldlos verletzt haben, steht dem Versicherer das Recht zur Vertragsänderung nicht zu.“ Auch die Regelung des § 194 Abs. 1 S. 3 VVG wurde berücksichtigt. Damit ist der Rechtsprechung der Kammer genüge getan.

    B.

    Der mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachte Antrag auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden Schaden zu ersetzen, der sich aus dem unberechtigten Rücktritt vom 30.8.2013 ergibt, ist ebenfalls unbegründet, da der Rücktritt rechtswirksam erklärt wurde und es folglich an einer Pflichtverletzung gem. § 280 Abs. . 1 BGB fehlt.

    C.

    Aus diesem Grund besteht auch kein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus § 280 Abs. 1 BGB.

    D.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kostenentscheidung auf § 91 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.