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  • 22.06.2022 · IWW-Abrufnummer 229857

    Kammergericht Berlin: Beschluss vom 07.07.2021 – 6 U 111/18

    1. Für die Beurteilung des Eintritts der BU ist auf den zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, abzustellen (vgl. § 172 Abs. 2 VVG n. F.; BGH, Urteile vom 14.12.2016 - IV ZR 527/15 Rn. 23; 22.09.1993 - IV ZR 203/92, Rn. 17 ff.).

    2. Kommt es zu einem Berufswechsel, ist deshalb grds. der neu ergriffene Beruf und dessen Ausgestaltung entscheidend; der vorherige Beruf bleibt als Maßstab für die Beurteilung der BU nur dann maßgebend, wenn der Berufswechsel ausschließlich leidensbedingt erfolgte (BGH 14.12.2016 Rn. 24; 30.11.1994 - IV ZR 300/93 Rn. 20).

    3. Die Darlegungs- und Beweislast für den leidensbedingten Wechsel trägt der VN. Der Beweis ist nicht geführt, wenn die Beweisaufnahme über die primäre Behauptung des Eintritts der BU schon im alten Beruf ergeben hat, dass das Ausmaß der leidensbedingten Einschränkungen der vormaligen Tätigkeit weitaus geringer war als behauptet und die angegebenen Beschwerden vom gerichtlichen Sachverständigen mit den objektiv feststellbaren Befunden nicht in Einklang gebracht werden konnten.


    Kammergericht Berlin

    Beschluss vom 07.07.2021


    In dem Rechtsstreit

    pp.

    hat das Kammergericht - 6. Zivilsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Reinhard, die Richterin am Kammergericht Beckstett und die Richterin am Kammergericht Düe am 07.07.2020 beschlossen:

    Tenor:

    I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 24 des Landgerichts Berlin vom 19. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen, soweit er beantragt hat, unter Abänderung des angefochtenen Urteils,

    1) die Beklagte zu verurteilen, an ihn 81.443,61 Euro zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 46.976,65 Euro ab dem 02.09.2014 sowie auf jeweils 3.133,36 Euro ab dem 02.10., 04.11., 02.12.2014, 03.01., 03.02., 03.03., 02.04., 05.05., 02.06., 02.07. und 04.08.2015;

    2) die Beklagte zu verurteilen, an ihn aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zur Versicherungsnummer 4.0 752 389.96 für die Zeit von September 2015 bis Februar 2016 bis zum ersten Werktag eines jeden Monats im Voraus eine garantierte Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von jeweils 2.048,80 Euro zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf und zwar ab dem auf den ersten Werktag eines jeden Monats folgenden Tag;

    3) die Beklagte zu verurteilen, an ihn aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zur Versicherungsnummer 4.0 752 389.96 für die Zeit von September 2015 bis Februar 2016 bis zum ersten Werktag eines jeden Monats im Voraus eine Bonusrente zu zahlen, berechnet nach § 27 Abs. 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Berufsunfähigkeitsversicherung;

    4) die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Prämienzahlungspflicht für die Berufsunfähigkeitsversicherung zur Versicherungsnummer 4.0 752 389.96 für die Zeit von September 2015 bis Februar 2016 freizustellen;

    5) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die gesamte Berufsunfähigkeitsrente um jährlich 3,75 % zu erhöhen, erstmals nachdem sie für ein volles Versicherungsjahr gezahlt wurde, längstens bis zum 30.11.2028, soweit der Zeitraum bis einschließlich Februar 2016 betroffen ist.

    II. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.

    III. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

    IV. Das in Ziffer I. genannte angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar soweit die Berufung als unbegründet zurückgewiesen wird. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % hiervon abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % hiervon leistet.

    V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 230.000,00 € festgesetzt.

    Gründe

    Die Berufung des Klägers war gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, soweit Versicherungsleistungen wegen orthopädischer Leiden für die Zeit bis zum 29.2.2016 geltend gemacht werden. Im Übrigen war sie gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Zur Begründung wird vorab auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 28.4.2020 verwiesen. Dagegen hat sich der Kläger mit dem Schriftsatz der Klägervertreter vom 12.6.2020 nur gewendet, soweit der Senat die Berufung für unbegründet erachtet. Der Senat hält auch insoweit nach erneuter Prüfung unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers an seiner Beurteilung nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen einstimmig fest.

    1. Der Senat hält insbesondere daran fest, dass bei dem Kläger für die Beurteilung des Eintritts bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ab dem 29.2.2016 auf die von ihm seit dem 1.7.2014 ausgeübte selbständige Tätigkeit als Generalagent abzustellen ist, in der er unstreitig berufsfähig ist.

    Gemäß § 172 VVG in der ab dem 1.1.2008 geltenden Fassung (künftig: n.F.), die hier nach Art. 1 Abs. 1 und 2 EGVVG anzuwenden ist, ist der zuletzt ausgeübte Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, maßgeblich. Der Gesetzgeber hat mit dieser gesetzlichen Regelung die vom Bundesgerichtshof auf der Grundlage der alten Rechtslage entwickelten Grundsätze zum versicherten Beruf umgesetzt (BGH, Urteil vom 14.12.2016 - IV ZR 527/15 - VersR 2017, 151 [OLG Hamm 02.11.2016 - 20 U 19/16], Rz. 23 f. nach juris; Lücke in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 172 Rn. 53, jeweils mit Nachweisen zur Rechtsprechung), so dass die zum alten Recht geltenden Grundsätze weiterhin Gültigkeit haben. Danach gilt bei der Bestimmung des maßgeblichen Berufs, der den Maßstab bei der Feststellung der gesundheitsbedingten Beeinträchtigungen bei der Berufsausübung liefert, das Stichtagsprinzip, wonach grundsätzlich derjenige Beruf entscheidend ist, den der Versicherungsnehmer zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls ausgeübt hat. Dies stimmt mit den vereinbarten Bedingungen (§ 1 Abs. 1 BUVB) überein und entspricht im Regelfall der Interessenlage des Versicherungsnehmers, der andernfalls bei jedem Berufswechsel den Versicherungsschutz anpassen müsste, um in dem neuen Beruf, der fortan die finanziellen Mittel für seinen Lebensunterhalt liefert, gegen gesundheitliche Beeinträchtigungen der Berufsausübung geschützt zu sein. Für die Feststellung bedingungsgemäßer Beeinträchtigungen des Versicherungsnehmers in diesem "letzten" Beruf kommt es sodann darauf an, wie im jeweiligen Einzelfall die Ausübung dieses Berufs durch den Versicherungsnehmer ausgestaltet war und zwar zu der Zeit, als der Versicherungsnehmer dem betreffenden Beruf noch ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen nachgehen konnte (BGH, Urteil vom 22.09.1993 - IV ZR 203/92 -, VersR 1993, 1470, Rz. 17 ff. nach juris - und zwar ausdrücklich beschränkt auf Veränderungen der Tätigkeiten ohne Wechsel des Berufs, Rz. 18, 19). Kommt es hingegen zu einem Berufswechsel, ist regelmäßig der neu ergriffene Beruf und dessen Ausgestaltung entscheidend, während der vorherige Beruf als Maßstab für die Beurteilung von Berufsunfähigkeit nur dann maßgeblich bleibt, wenn der Berufswechsel ausschließlich leidensbedingt war (BGH, Urteil vom 14.12.2016 a.a.O., Rz. 24 Urteil vom 30.11.1994 - IV ZR 300/93 -, VersR 1995, 159, Rz.20 nach juris), etwa weil die weitere Ausübung des bisherigen Berufs Raubbau an der Gesundheit bedeutet hätte und damit überobligationsmäßig gewesen wäre (BGH, Urteil vom 30.11.1994 a.a.O.).

    Liegt kein leidensbedingter Berufswechsel in diesem Sinne vor, wirkt sich das Stichtagsprinzip dahin aus, dass der Beruf, in den gewechselt worden ist, als der konkret im maßgeblichen Zeitpunkt ausgeübte Beruf regelmäßig den Ausgangspunkt für die Prüfung abgibt, ob bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten ist (BGH, Urteil vom 30.11.1994 a.a.O. Rz.19). Die dem Hinweis des Senats entgegen gehaltenen Entscheidungen des Bundesgerichthofs besagen nichts Abweichendes; die Entscheidung vom 14.12.2016 a.a.O. bestätigt gerade die oben dargelegten Grundsätze zum maßgeblichen Beruf bei einem Berufswechsel (Rz. 24 ff.), die übrigen zitierten Entscheidungen enthalten dazu keine Ausführungen, weil dies nach dem den Entscheidungen jeweils zugrunde liegenden Sachverhalt (mangels Berufswechsels) nicht veranlasst war. Die Darlegungs- und Beweislast für einen leidensbedingten Berufswechsel als anspruchsbegründende Tatsache trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Versicherungsnehmer.

    Da der Kläger zuletzt, d.h. zum Zeitpunkt des in der Berufungsinstanz nur noch geltend gemachten Eintritts von Berufsunfähigkeit wegen einer zu den orthopädischen Leiden hinzukommenden depressiven Erkrankung ab dem 29.2.2016 als selbständiger Generalagent für eine Versicherung gearbeitet hat, kommt es nach den vorstehenden Ausführungen auf seine zu diesem Zeitpunkt ausgeübte Tätigkeit als Generalagent an, wenn nicht festgestellt werden kann, dass der Kläger seinen Beruf als Verkaufsdirektor ausschließlich leidensbedingt im oben beschriebenen Sinn aufgegeben hat. Gerade eine solche Feststellung kann im vorliegenden Fall zur Überzeugung des Senats nicht getroffen werden.

    Da es sich bei dem Motiv für den Berufswechsel um eine innere Tatsache handelt, die einer direkten Beweisführung nicht zugänglich ist, kann der Beweis nur aufgrund einer Würdigung der äußeren Umstände, die die leidensbedingte Motivation plausibel erscheinen lassen, unter Würdigung der vom Kläger vorgetragenen Gründe geführt werden, wobei der Art und Schwere der gesundheitlichen Leiden und der daraus resultierenden Einschränkungen der beruflichen Tätigkeit ein maßgebliches Gewicht zukommt. Bei gesundheitlichen Leiden, die die Berufsausübung objektiv in erheblichem Ausmaß beeinträchtigen, mag der Beweis in Verbindung mit überzeugenden Angaben des Versicherungsnehmers im Rahmen seiner persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO gelingen. Eine solche Konstellation liegt im gegebenen Sachverhalt aber nicht vor.

    Das Landgericht hat den Kläger im Termin vom 13. März 2018 zu seiner beruflichen Tätigkeit als Verkaufsdirektor und als Generalagent persönlich gehört (Sitzungsprotokoll S. 2 ff., Bl. 174 ff. Bd. I d. A.) und in diesem Zusammenhang auch dazu, wie es zu dem Wechsel seiner Tätigkeit kam (Sitzungsprotokoll S. 4, Bl. 176/I). Der Kläger hat dort angegeben, im Februar habe seine acht Stunden übersteigende faktische tägliche Arbeitszeit wieder zugenommen und das frühere Ausmaß erreicht. Deshalb habe er Anfang Februar bereits zum Arzt gehen müssen. In der Zeit danach habe dann ein Umdenken bei ihm eingesetzt. Er habe mit dem Filialdirektor darüber nachgedacht, wie sich seine künftige Tätigkeit weiter gestalten könnte und sie seien zu dem Ergebnis gekommen, dass er besser selbständig weiterarbeite. Er habe seinen Angestelltenstatus noch behalten bis Ende Juni 2014, sei aber unter vier Augen frei gestellt gewesen, da er ab 1. Juli ohnehin nicht mehr in der alten Position arbeiten sollte. Die neue Tätigkeit habe keine Führungs- und Personalverantwortung beinhaltet und er sei viel freier gewesen, seine Zeit einzuteilen und weniger zu arbeiten, was er auch getan habe. Diese vorgetragene subjektiv leidensgetragene Motivation für den beruflichen Wechsel muss jedoch auch objektiv aus gesundheitlichen Gründen einleuchtend und nachvollziehbar erscheinen, auch wenn der Grad der Berufsunfähigkeit den für den Erhalt einer Berufsunfähigkeitsrente noch nicht erreicht ist. Solche objektiven, den beruflichen Wechsel nahe legenden Umstände liegen hier aber nicht vor. Vielmehr war das Ausmaß der vom Kläger behaupteten und dem Sachverständigen geklagten, aus dem Reitunfall resultierenden verbliebenen bzw. entwickelten Leiden und der dadurch bedingten Einschränkungen seiner vormaligen beruflichen Tätigkeit als Verkaufsdirektor (S. 4 f. des Gutachtens) nach dem Ergebnis des erstinstanzlichen Sachverständigengutachtens weitaus geringer als von ihm behauptet. Da der Sachverständige die von dem Kläger bei seiner Untersuchung angegebenen Beschwerden mit den objektiv feststellbaren Befunden nicht in Einklang bringen konnte, kann der Senat auch nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass der Kläger ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen seine Tätigkeit als Verkaufsdirektor aufgegeben hat. Weitere Umstände, die als Indizien geeignet sind, die Behauptung eines leidensbedingten Berufswechsels zu stützen, bringt der Kläger nicht vor. Er verweist lediglich, wie auch schon erstinstanzlich, für seine Behauptung eines leidensbedingten Berufswechsels darauf, dass der ab dem 1.11.2013 durchgeführte Versuch der Wiedereingliederung in seinem Beruf als Verkaufsdirektor gescheitert sei und er ab dem 6.2.2014 wegen lumbaler Beschwerden arbeitsunfähig krank gewesen sei. Zum Beweis stützt er sich auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (K 13) und das Zeugnis der behandelnden Ärzte. Eine für den Kläger günstige Beweiswürdigung oder Anlass für weitere Beweiserhebungen ergeben sich daraus nicht. Das Zeugnis der behandelnden Ärzte ist als Beweismittel für einen leidensbedingten Berufswechsel untauglich, weil es sich bei dem Beweisthema nicht um ein Ereignis handelt, das Gegenstand der Wahrnehmung von Zeugen sein kann. Die unstreitige Existenz ärztlicher Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wie auch der ebenfalls unstreitige Abbruch der Wiedereingliederung Anfang Februar 2014 sind für den Nachweis eines ausschließlich leidensbedingten Berufswechsels wenig aussagekräftig, weil sie nicht geeignet sind, die behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen in dem Zeitraum vor dem Berufswechsel zu belegen. Maßgeblich dafür ist vielmehr das überzeugende und vom Kläger auch nicht angegriffene Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. G., der unter Zugrundelegung der vom Kläger behaupteten Tätigkeiten als Verkaufsdirektor die Einschränkung der beruflichen Tätigkeit mit maximal 30 % eingeschätzt hat. Der Sachverständige ist in dem schriftlichen Gutachten nachvollziehbar und widerspruchsfrei auf der Grundlage der allgemeinen Krankengeschichte, der vom Kläger angegebenen Beschwerden und seines eigenen Untersuchungsbefundes zu dem Ergebnis gekommen, dass sich infolge der LWK 1-Fraktur und der entsprechenden Folgen der operativen Versorgung keine Hinweise auf eine relevante Einschränkung in diesem Bereich finden lassen (schriftliches Gutachten S. 10). Im Rahmen der zu Grunde liegenden gutachterlichen Untersuchungen fanden sich auch keine Hinweise auf Minderungen der Konzentrationsfähigkeit, der Aufmerksamkeit, im logischen Denken und der Auffassungsgabe. Das inhaltliche und formale Denken war sehr gut ausgebildet. Der Sachverständige hat eine deutliche Diskrepanz festgestellt zwischen den objektiv feststellbaren Befunden und der Wahrnehmung des Klägers, die sich durch ihn, den Sachverständigen, nicht auflösen lässt (Gutachten S. 10). Soweit der Sachverständige eine nachvollziehbare Einschränkung beim Heben und Tragen von Lasten oberhalb von 5 kg eingeschätzt hat (Gutachten S. 11), stand dies der Tätigkeit als Verkaufsdirektor nicht entgegen, weil der Kläger bei seiner Anhörung eingeräumt hat, dass er anstelle der Mitführung eines schweren Ordners mit vielen Unterlagen auf elektronische Dokumente hätte umstellen oder einen Rollkoffer hätte benutzen können (Protokoll a.a.O. S. 3). Die Beeinträchtigungen beim Sitzen, Stehen und Gehen hat der Sachverständige für die einzelnen Tätigkeitsbereiche mit 20 % eingeschätzt und im Hinblick darauf, dass die Belastungen direkt aufeinander folgen und eine physiologische Ermüdung einsetzt, auf 30 % erhöht (Gutachten S. 11 bis 13). Nach der Einschätzung des Sachverständigen war wegen fehlender neurologischer Symptome und komplikationsloser Rehabilitation eine Wiederherstellung mit geringerer Beschwerdesymptomatik oder annähernder Beschwerdefreiheit zu erwarten (S. 14 des schriftlichen Gutachtens). Auf dieser Grundlage kann der Senat trotz der Angaben des Klägers, wegen der gesundheitlichen Folgen des Reitunfalls im Februar 2014 seinen Beruf gewechselt zu haben, nicht die Überzeugung gewinnen, dass dieser Wechsel ausschließlich leidensbedingt erfolgte. Dies gilt erst recht angesichts der ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen bei seiner mündlichen Erläuterung des Gutachtens, wonach das Tätigkeitsprofil des Klägers als für einen an der Wirbelsäule Erkrankten günstig sei, weil er es selbst in der Hand habe, für einen Wechsel der Haltungsarten zu sorgen (S. 7 des Terminprotokolls des Landgerichts vom 13.03.2018, Bd. 1 Bl. 173 ff.).

    Der Einwand des Klägers, seine nur maximal 30-prozentige Einschränkung auf orthopädischen Fachgebiet spreche nicht gegen einen leidensbedingten Berufswechsel, "wenn die Behandler des Klägers dessen Situation zur damaligen Zeit anders einschätzten und es daraufhin zum Abbruch des Wiedereingliederungsversuch für die Tätigkeit als Verkaufsdirektor und zu Krankschreibungen des Klägers durch seine Behandler kam" (S. 3 des Schriftsatzes vom 12.06.2020), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Er ist schon deshalb unbeachtlich, weil der Kläger einen entsprechenden Sachverhalt nicht behauptet. Abgesehen davon wäre eine solche Behauptung nach dem Inhalt der Akten auch unzutreffend. Die Arztbriefe des U.krankenhauses B., in deren ambulante Sprechstunde der Kläger nach der dort ausgeführten Operation über Monate hinweg medizinisch betreut worden war, belegen vielmehr eine positive Einschätzung durch die dort behandelnden Ärzte (vgl. die mündliche Erläuterung des Gerichtssachverständigen, S. 6 des Terminprotokolls des Landgerichts vom 13.03.2018, Bd. 1 Bl. 173 ff.). Gestützt wird dies zusätzlich durch die Empfehlung einer weiteren Wiedereingliederungsmaßnahme vom 7.3. bis 30.5.2014 durch die behandelnden Ärzte des U.krankenhauses B. (BLD 3). Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger diese positive Einschätzung seinerzeit nicht vermittelt worden war, sind nicht erkennbar. Einer erneuten persönlichen Anhörung des Klägers durch den Senat bedarf es nicht. Denn der Kläger trägt keine Tatsachen vor, zu denen er konkret angehört werden möchte und für deren Würdigung es auf seine persönlichen Angaben gegenüber dem Senat und einen persönlichen Eindruck von ihm ankommen könnte.

    2. Auch die übrigen Einwände des Klägers, auf die es nach den vorstehenden Ausführungen nicht streitentscheidend ankommt, überzeugen den Senat nach neuerlicher Prüfung nicht.

    a) Der Senat hält daran fest, dass einem Erfolg der Berufung auch entgegen stünde, dass der Kläger die hier geltend gemachte Krankheit nicht ärztlich nachgewiesen hat, was als Anspruchsvoraussetzung in § 1 (1) und (3) der vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (BUV, K 3) festgelegt ist. Der abweichenden Auslegung der Klausel durch den Kläger vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Gerade weil die vertragliche Obliegenheit, ärztliche Befundberichte vorzulegen, nur "vorhandene" Befundberichte betrifft, besteht ein Bedürfnis für die Nachweispflicht, wie schon im Hinweisbeschluss näher ausgeführt. Das Verbot abweichender Vereinbarungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers in § 175 VVG n.F. erstreckt sich nicht auf § 172 VVG n.F.. Schließlich vermag der Kläger auch nicht überzeugen, soweit er einen Vergleich zur privaten Unfallversicherung zieht. Für die Berufsunfähigkeit ist gerade keine gesetzliche Hinweispflicht normiert, was seinen Grund darin haben dürfte, dass sich die Hinweispflicht in der Unfallversicherung auf die fristgebundene Maßnahmen bezieht (Knappmann in Prölss/Martin a.a.O. § 186 Rn. 1). Wegen der mangelnden Eignung des Entlassungsberichts als ärztlicher Nachweis wird auf die Begründung im Hinweisbeschluss Bezug genommen. Ob das mit der Berufungsbegründung als Anlage BB 1 eingereichte, vom Sozialgericht zum Grad der Behinderung eingeholte sozialmedizinische Gutachten Sch. vom 7.5.2018 zur Erfüllung der tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen für einen ärztlichen Nachweis im Sinne der Bedingungen ausreichen könnte, kann dahinstehen. Denn jedenfalls ist es nicht geeignet, die vom Senat für die Einholung eines aussagekräftigen neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachtens vermisste ärztliche Dokumentation zu ersetzen, die es - abgesehen von dem mit einer positiven Prognose versehenen Entlassungsbericht der O.klinik - nicht gibt, weil sich der Kläger wegen der behaupteten depressiven Erkrankung nicht in ambulante (fach-)ärztliche Behandlung begeben hat. Soweit der Kläger sich zum Beweis für seine psychischen Beschwerden auf seine eigene Anhörung und die Vernehmung von Frau Dipl.-Psych. S. beruft, wäre dem nicht nachzugehen, da seine Behauptung zu pauschal ist, um einer Beweiserhebung in der verlangten Form zugänglich zu sein. Dem Kläger ist zwar zuzustimmen, dass für eine rückschauende Beurteilung seiner Berufsunfähigkeit aus psychopathologischen Gründen sein gesundheitlicher Zustand aus der Zeit des behaupteten Eintritts der Berufsunfähigkeit entscheidend ist. Dafür bedarf es indes gerade der medizinischen Befunde von Ärzten. Wie schon im Hinweisbeschluss ausgeführt, liegen ohne solche ärztlichen Dokumentationen aus der Vergangenheit keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen vor.

    b) Der Senat hat auch die Beschreibung der beruflichen Tätigkeit als Verkaufsdirektor im Schriftsatz vom 9.4.2018, Seiten 2 bis 8, zur Kenntnis genommen, sieht dort aber hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung unter dem Aspekt der geistigen Beanspruchung keine wesentlichen Abweichungen gegenüber der tabellarischen Beschreibung in der Anlage K 6.

    c) Nach wie vor hält der Senat den Vortrag des Klägers zur fehlenden Verweisbarkeit auf die von ihm konkret ausgeübte Tätigkeit als Generalagent für unzureichend. Die Kenntnis der inhaltlichen Ausgestaltung der Tätigkeiten als Generalagent ist erforderlich, weil sich daraus ableiten lässt, ob die "neue" Tätigkeit den Kläger im Vergleich zur bisherigen über- oder unterfordert, was für die Verweisbarkeit bedeutsam ist. Der erfolgreichen Teilnahme des Klägers an einer Fortbildungsmaßnahme misst der Senat auch im Hinblick auf die dort behandelten Themen wegen der kurzen Dauer von ca. drei Wochen kein Ausschlag gebendes Gewicht zu. Auch die weiteren, vom Kläger jetzt wiederholt vorgebrachten Gesichtspunkte, die das soziale Prestige der Tätigkeit als Generalagent gegenüber der als Verkaufsdirektor nach seiner Ansicht erheblich mindern, hat der Senat bei seiner Prüfung einbezogen, vermögen an dem Ergebnis der angestellten Gesamtbetrachtung, dass beiden Tätigkeiten in der Öffentlichkeit ein annähernd gleichwertiges Ansehen entgegen gebracht wird, nichts ändern. Das gilt auch, wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass er als Verkaufsdirektor nicht selbst Versicherungsprodukte an den Endverbraucher vermittelt hatte.

    Soweit der Kläger meint, er habe zur Feststellung des wirtschaftlichen Potentials seiner Tätigkeit als Generalagent mit den Einkommenssteuerbescheiden für 2015 und 2016 ausreichende Belege eingereicht, kann auch dem nicht zugestimmt werden. Diesen kommt für die Anfangsjahre seiner selbständigen Tätigkeit keine ausreichende Aussagekraft zu, weil gerade in den Anfangsjahren einer selbständigen Tätigkeit Ausgaben anfallen können, die sich erst nach und nach, insbesondere mit der Ausweitung des Geschäfts, amortisieren, in den Bescheiden aber nur das Ergebnis der steuerlichen Feststellung des Betriebsergebnisses der selbständigen Tätigkeit ausgewiesen ist und die betrieblichen Einnahmen und Ausgaben gerade nicht erkennbar sind. Außerdem hätte es im Hinblick darauf, dass sich der Kläger sich in seinem neuen Beruf selbständig gemacht hatte und sich die Einnahmen nach der Anfangszeit gesteigert haben können, auch der Darlegung der wirtschaftlichen Situation für die Folgejahre bedurft. Wenn es für das Jahr 2017 noch keine Einkommenssteuererklärung gab, hätte es dem Kläger frei gestanden, die entsprechenden Zahlen anderweitig zu ermitteln und unter Beweis zu stellen, wie etwa durch die Vorlage aktueller betriebswirtschaftlicher Auswertungen. Dass ihm bis heute keine aussagekräftigen Einkommensnachweise für seine Einkünfte ab 2017 vorlägen, behauptet er nicht.

    3) Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Berufung ist zurückzuweisen ist, weil die Klage bereits mangels behaupteter Berufsunfähigkeit in dem insoweit maßgeblichen Beruf als Generalagent unschlüssig ist. Der Senat kommt zu dieser Beurteilung unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den rechtlichen Grundsätzen, die bei einem Berufswechsel des Versicherten gelten. Die zusätzlichen Erwägungen des Senats können keinen Anlass zur Zulassung der Revision geben, insbesondere nicht die Frage, ob der ärztliche Nachweis Anspruchsvoraussetzung für die Geltendmachung von Berufsunfähigkeitsleistungen ist, weil die Zurückweisung der Berufung darauf nicht beruht.

    4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    5) Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

    RechtsgebieteZPO, BUVB, VVGVorschriften§ 522 Abs. 2 ZPO, § 1 BUVB, § 172 Abs. 2 VVG