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  • 01.09.2015 · IWW-Abrufnummer 145297

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 25.03.2015 – 7 U 12/14

    Ein Regenfallrohr, das an eine Zuleitung zu einer im Gebäude befindlichen Regenwasserzisterne angeschlossen ist, ist zugleich Fallrohr und Zuleitungsrohr der Wasserversorgung. Ein Ausschluss von Nässeschäden "durch Regenwasser aus Fallrohren außerhalb des Gebäudes" erstreckt sich daher auch auf Nässeschäden im Gebäude durch Regenwasser, das außerhalb aus einer solchen Leitung ausgetreten ist.


    Oberlandesgericht Frankfurt am Main

    Urt. v. 25.03.2015

    Az.: 7 U 12/14

    Tenor:

    Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung und unter Abweisung der Klage im Übrigen wird auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom 20.12.2013 abgeändert.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 428,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.11.2012 und an vorgerichtlichen Kosten 83,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7.3.2013 zu zahlen.

    Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 94%, die Beklagte 6% zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Gründe

    I.

    Die Klägerin unterhält bei der Beklagten für das Anwesen ... in ... eine Gebäudeversicherung unter Einschluss des Risikos Leitungswasser. Vereinbart sind die VGB 2008 der Beklagten. Nach § 3 Nr. 2 gilt für Bruchschäden außerhalb von Gebäuden, dass gedeckt sind "Bruchschäden an den Zuleitungsrohren der Wasserversorgung ..., soweit diese Rohre der Versorgung versicherter Gebäude oder Anlagen dienen..." Nach § 3 Nr. 3a sind Nässeschäden gedeckt, wenn "das Leitungswasser bzw. Wasser ... aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen ausgetreten" ...ist. In § 3 Nr. 4a aa) ist geregelt, dass "nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch Regenwasser aus Fallrohren außerhalb des Gebäudes."

    In dem versicherten Gebäude entstand am 6.8.2012 ein Nässeschaden, der nach den Feststellungen eines von der Beklagten beauftragten Regulierers von einem undichten Verbindungsstück zwischen einer Regenrinne (ca. 20 cm über dem Boden; vgl. Foto Mitte Bl. 46) und dem Fallrohr, das zur Regenwasserzisterne im Keller führt, herrührt. Das in der Zisterne gesammelte Wasser wird im Leitungsnetz des Hauses weiterverwendet.

    Die Klägerin hält die Beklagte mit Hinweis auf BGH NVWZ 1998, 120 und OLG Koblenz, U.v. 28.1.2011, Az. 10 U 238/10 (VersR 11, 1260), für deckungspflichtig, weil das Regenfallrohr zugleich ein Zuleitungsrohr zur Wasserversorgung sei. Sie macht mit der Klage Schadenbeseitigungskosten in Höhe von 7.760,42 € geltend, in denen - insoweit unstreitig - 360 € zzgl. USt. für Leckortung enthalten sind, und verlangt Ersatz ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten.

    Die Beklagte, die ihre Einstandspflicht mit vorgerichtlichem Schreiben vom 4.9.2012 verneint hat, hält sich nicht für eintrittspflichtig, weil es sich nicht um ein Rohr der Wasserversorgung handle, sondern lediglich um ein Regenfallrohr zur Ableitung von Niederschlagswasser. Ein solches Rohr diene auch dann nicht der Wasserversorgung, wenn das Regenwasser nicht in die Kanalisation geleitet werde, sondern in einer Zisterne zur Weiterverwendung gesammelt werde. Das Risiko des Eintritts einer versicherten Gefahr sei beim Sammeln des Niederschlagswassers in einer Zisterne zur späteren Verwendung nicht geringer, sondern eher höher, als wenn das Wasser in die Kanalisation eingeleitet oder zum Versickern auf das Grundstück geleitet werde. Jedenfalls greife der Risikoausschluss in § 3 Nr. 4 a) der Bedingungen ein. Die Bedingungen seien auch transparent; ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer erwarte nicht die Deckung von Schäden aus außenliegenden Regenfallrohren.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat mit Hinweis auf OLG Dresden, U.v.13.12.2007, Az. 4 U 1012/07, als fraglich angesehen, dass der oberirdische Teil des Fallrohrs einschließlich des Verbindungsstücks als Zuleitungsrohr zur Wasserversorgung angesehen werden könne, weil das Rohr ausschließlich der Ableitung aufgefangenen Regenwassers diene. Jedenfalls greife aber der in § 3 Nr. 4a aa) vereinbarte Ausschluss ein. Denn dieser sei nicht davon abhängig, ob das Fallrohr lediglich dem Abtransport von Regenwasser oder auch der Zuleitung zur Wasserversorgung diene. Dieser Ausschluss sei weder überraschend noch mehrdeutig noch benachteilige er den Versicherungsnehmer unangemessen, weil die Klausel erkennbar den Zweck verfolge, besonders schadenanfällige Fallrohre vom Versicherungsschutz auszunehmen.

    Gegen dieses Urteil richtet die Berufung der Klägerin, die unter Weiterverfolgung ihrer erstinstanzlichen Anträge und unter abermaligem Hinweis auf die bereits angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz darlegt, dass der Ausschluss nicht eingreife, wenn ein Fallrohr an die Wasserversorgung angeschlossen sei. Das sei aber der Fall, weil die Zisterne der Wasserversorgung des Hauses diene. Wenn sich der Ausschluss auch auf Fallrohre erstrecken solle, die mit der Wasserversorgung verbunden seien, hätten die Bedingungen deutlicher formuliert werden müssen. Die hier in den Bedingungen gewählte Formulierung lasse nur den Schluss zu, dass das eingetretene Risiko versichert sei. Andernfalls müssten die Bedingungen als intransparent gelten. Die Klausel beziehe sich auch nur auf Regenfallrohre, die einen Schaden außerhalb des Gebäudes verursachten. Hier sei der Schaden aber im Gebäude entstanden.

    Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Der Wasseraustritt sei an einem nahezu senkrecht verlaufenden Fallrohr und nicht an einem zur Zisterne gehörenden Rohrsystem erfolgt, so dass der Ausschluss eingreife. Der Umfang des Ausschlusses, der sich eindeutig auf Nässeschäden durch Regenwasser beziehe, sei auch ohne weiteres zu erkennen.

    II.

    Die Berufung der Klägerin ist nur zu einem geringen Teil begründet und bleibt im Übrigen ohne Erfolg. Der Klägerin steht eine Entschädigung nur wegen des Rohrbruchschadens, jedoch nicht wegen des Nässeschadens zu.

    Maßgeblich sind hier die mit der Klageschrift vorgelegten Bedingungen, weil die VGB 2011 nicht rückwirkend vereinbart sind; das von der Klägerin in Bezug genommene Schreiben enthält dafür keinen Anhaltspunkt. Mit welchem Wortlaut die Beklagte im Internet im Jahr 2014 Bedingungen veröffentlicht hat, ist für die vertraglichen Vereinbarungen, die hier getroffen sind, ohne Bedeutung, da dem Antrag die mit der Klageschrift vorgelegten Bedingungen beigefügt waren.

    In der Gebäudeversicherung und demgemäß auch in den hier vereinbarten Bedingungen in § 3 VGB 2008 werden bei dem Risiko Leitungswasserversicherung Nässeschäden und Bruchschäden unterschieden. Die für die Leckortung entstandenen Kosten sind dem Bruchschaden zuzuordnen, während Kosten für Trocknung und Renovierung der Beseitigung von Nässeschäden dienen. Versichert ist hier nur der Bruchschaden, die Nässeschäden sind dagegen nicht versichert. Die vereinbarten Bedingungen umfassen zwar nach der primären Risikobeschreibung beide Schäden; der Nässeschaden wird aber durch die Ausschlussklausel in § 3 Nr. 4a aa) vom Versicherungsschutz wieder ausgenommen.

    Der Versicherungsschutz für Bruchschäden außerhalb von Gebäuden erstreckt sich auf Zuleitungsrohre der Wasserversorgung, wenn die Rohre der Versorgung versicherter Gebäude dienen. Das in dem Regenfallrohr gesammelte und abgeleitete Regenwasser wird hier einer im Gebäude befindlichen Zisterne zugeführt, die mit Wasserleitungen im Haus verbunden ist. Das gesammelte Wasser wird auch für Handwaschbecken und zur Gartenbewässerung verwendet. Daher dient das Wasser und damit die Leitung auch der Versorgung des Gebäudes. Es handelt sich um eine Doppelfunktion, bei der ohne künstliche Aufspaltung nicht gesagt werden kann, das Fallrohr sei bis zu einem bestimmten Abschnitt, etwa soweit es oberirdisch oder außerhalb des Gebäudes verläuft, nur Fallrohr und zur Regenwasserableitung bestimmt, unterirdisch oder im Gebäude aber ein Zuleitungsrohr der Wasserversorgung. Insofern erscheinen die Ausführungen des Oberlandesgerichts Dresden, das jedenfalls für oberirdische Fallrohre diese Unterscheidung treffen will, dem Senat nicht überzeugend. Allerdings war dieser Aspekt für die Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden auch nicht entscheidungserheblich, weil der Bruchschaden unterirdisch war.

    Für Nässeschäden wird Versicherungsschutz gewährt, wenn das Wasser aus Rohren der Wasserversorgung ... ausgetreten ist. Da das Fallrohr wegen seiner Doppelfunktion bereits oberirdisch als Rohr der Wasserversorgung anzusehen ist, liegt es auf der Hand, dass diese Voraussetzung hier gegeben ist.

    Jedoch greift der Ausschluss für Schäden durch Regenwasser aus Fallrohren außerhalb des Gebäudes ein. Die Ansicht der Klägerin, der Ausschluss greife schon deshalb nicht ein, weil er sich nur auf Schäden außerhalb des Gebäudes beziehe, trifft nicht zu. Die Ortsangabe "außerhalb des Gebäudes" bezieht sich nach dem Aufbau der Bedingungen eindeutig nur auf das Wort "Fallrohre" und nicht auf das allen Fallgruppen vorangestellte Wort "Schaden". Der Ausschluss ergreift den Nässeschaden, denn es handelt sich um einen Schaden durch Regenwasser, das aus einem Fallrohr stammt. Denn daran, dass es sich um ein Regenfallrohr handelt, ändert der Umstand, dass das Regenwasser zugleich der Zisterne zugeführt wird, nichts. Den Bruchschaden umfasst der Ausschluss dagegen nicht, denn der Schaden an der Leitung ist nicht durch Regenwasser entstanden. Das behauptet die Beklagte auch nicht.

    Soweit der Ausschluss eingreift, ist er auch wirksam und verstößt insbesondere nicht gegen das Transparenzgebot. Es ist eine übliche Funktion einer Ausschlussklausel, ein primär in den Versicherungsschutz einbezogenes Risiko wieder davon auszuschließen. Aus dem Umstand, dass die Doppelfunktion des Rohrs hier zu einem primären Einschluss, aber sekundär zu einem Ausschluss führt, kann daher gegen die Transparenz nichts hergeleitet werden. In seinem Anwendungsbereich ist der Ausschluss auch klar und unmissverständlich. Auch ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann unschwer erkennen, dass der Versicherer für Schäden durch Regenwasser, das aus Fallrohren außerhalb des Gebäudes ausgetreten ist, gerade dann keinen Versicherungsschutz bieten will, wenn das Wasser in das Gebäude eingedrungen ist. Häufig wird es sich dabei um einen deklaratorischen Ausschluss handeln, weil nämlich Fallrohre, wenn sie nicht die hier bestehende Doppelfunktion aufweisen, ohnehin nicht von der primären Risikobeschreibung erfasst sind. An der Klarheit der Klausel ändert sich aber auch nichts, wenn sie im Ausnahmefall, wie hier, nicht lediglich deklaratorische Bedeutung hat. Die Klausel ist auch nicht überraschend oder unangemessen benachteiligend, weil der durchschnittliche Versicherungsnehmer von der Leitungswasserversicherung keinen Schutz gegen von außen eindringendes Regenwasser erwarten kann und der Kern des Leistungsversprechens durch diesen Ausschluss auch nicht ausgehöhlt wird.

    Die Klägerin hat daher Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 360 € zzgl. Ust., also in Höhe von 428,40 €, zuzüglich anteiliger Anwaltskosten aus diesem Streitwert für die vorgerichtliche Tätigkeit, die unter dem Gesichtspunkt des Verzugs zu ersetzen sind.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

    Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

    RechtsgebietVGBVorschriftenVGB § 3 Nr. 2