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  • 29.07.2015 · IWW-Abrufnummer 145016

    Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 23.12.2015 – 20 U 7/14


    Tenor:

    Die Berufung des Klägers gegen das am 4. Dezember 2013 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 447/08 – wird zurückgewiesen.



    Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.



    Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.



    Die Revision wird nicht zugelassen.



    Gründe

    I.

    Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

    II.

    Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

    1.

    Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der streitgegenständlichen Behandlungskosten.

    a.

    Er hat den ihm obliegenden Beweis dafür, dass diesen eine medizinisch notwendige Heilbehandlung zugrunde liegt, nicht geführt.

    Nach § 1 Abs. 2 der AVB ist Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Eine medizinisch notwendige Heilbehandlung liegt vor, wenn sich eine Behandlungsmethode dazu eignet, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken. Ausreichend ist, dass es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, diese als notwendig anzusehen (BGH NJW-RR 2014, 295, 296). Vertretbar ist die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung, wenn sie sowohl in begründeter und nachvollziehbarer wie fundierter Vorgehensweise das zugrunde liegende Leiden diagnostisch hinreichend erfasst und eine ihm adäquate, geeignete Therapie anwendet.

    Diese Voraussetzungen liegen auch nach dem Ergebnis der von dem Senat ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme in Bezug auf die streitgegenständlichen Behandlungen des Dr. T nicht vor.

    Die Sachverständigen Prof. Dr. S und Prof. Dr. H haben bereits im Gutachten vom 08.12.2011 festgestellt, dass bei dem Kläger im Jahr 2003 ein akuter, unspezifischer Rückenschmerz begonnen hat; hieraus resultiere ein chronisch fixiertes Schmerzsyndrom mit Ausdehnung auf andere Körperbereiche. Der Rückenschmerz sei nie adäquat abgeklärt worden, so dass kausale zu einer Heilung führende fachärztliche und rehabilitative Maßnahmen weder ausreichend fachgerecht versucht noch dokumentiert worden seien. Das Vorliegen eines Bandscheibenvorfalls haben sie verneint und ausgeführt, dass bei dem Kläger lediglich eine Bandscheibenprotrusion L4/5 vorhanden sei, die bei einer Vielzahl von Menschen ohne jegliche Symptomatik bestehe. An dieser Beurteilung haben sie auch in dem von dem Senat eingeholten Ergänzungsgutachten vom 25.08.2014 festgehalten, nachdem ihnen die MRT-Aufnahmen der Lendenwirbelsäule des Klägers vom 23.06.2006 zur Verfügung gestellt worden sind. Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. S im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2014 erläutert, im MRT könne man gut erkennen, ob eine Protrusion oder ein Prolaps vorliege. Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung ergeben sich für den Senat nicht daraus, dass die Gemeinschaftspraxis Radiologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin im Arztbrief vom 26.06.2006 ausgeführt hat, im MRT zeige sich ein „bekannter medianer Bandscheibenvorfall“. Denn dieser Befund steht in Widerspruch zu dem vorangehenden Befund im Arztbrief vom 26.06.2006, der lediglich eine Vorwölbung der Bandscheibe beschreibt.

    Nach den weiteren sachverständigen Feststellungen ist die Protrusion nicht ohne weiteres geeignet, die von dem Kläger beklagten Beschwerden zu erklären. Diese können hierdurch, aber ebenso durch eine Vielzahl weiterer somatischer Ursachen ausgelöst werden, etwa durch eine Instabilität, Spondylolisthese, Pseudolisthese, aktivierte Arthrose der kleinen Wirbelgelenke, aktivierte Osteochondritis, Bein- oder Hüftgelenkserkrankung bzw. andere neurologische oder psychosomatische Ursachen.

    Dieses Beweisergebnis geht zu Lasten des Klägers. Solange nicht diagnostisch geklärt ist, worauf die Beschwerden zurückzuführen sind, kann auch nicht festgestellt werden, dass die durchgeführte Behandlung eine geeignete Therapieform darstellt.

    b.

    Die zeugenschaftliche Vernehmung der behandelnden Ärzte bzw. die persönliche Anhörung des Klägers war nicht geboten. Maßgeblich ist, ob es objektiv vertretbar war, die Behandlungsmaßnahme als erforderlich anzusehen. Das Zeugnis des behandelnden Arztes ist deshalb kein geeignetes Beweismittel, weil es auf dessen subjektive Einschätzung nicht entscheidend ankommt (BGH VersR 1978, 271).

    c.

    Der Beklagten ist es auch nicht nach § 242 BGB verwehrt, die fehlende medizinische Notwendigkeit der streitgegenständlichen Behandlung einzuwenden. Ein Krankenversicherer ist grundsätzlich selbst dann berechtigt, für jede medizinische Behandlung die Frage der Leistungspflicht dem Grunde und der Höhe nach neu zu prüfen, wenn sich der Krankheitszustand des Versicherungsnehmers dem Anschein nach wiederholt (OLG Köln 5. ZS r + s 1988, 239).

    Aus der von dem Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Köln in VersR 1990, 612 folgt nichts anderes. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem vorliegenden dadurch, dass die von der hiesigen Beklagten in der Vergangenheit erstatteten Injektions-, Infiltrations-, Akupunktur- und Reizbehandlungen von anderen Behandlern durchgeführt und im Wesentlichen nach anderen GoÄ-Ziffern abgerechnet worden sind. Von den Rechnungen des Dr. T hat die Beklagte jedoch – ungekürzt – nur die erste erstattet; hierdurch wurde ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Klägers nicht begründet.

    2.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    3.

    Anlass, die Revision gemäß § 542 ZPO zuzulassen, besteht nicht.

    Berufungsstreitwert: 15.012,87 €