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  • 22.12.2014 · IWW-Abrufnummer 143547

    Kammergericht Berlin: Urteil vom 07.11.2014 – 6 U 194/11

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    In dem Rechtsstreit

    der A# K######### AG,

    vertreten d. d. Vorstand,

    d. vertreten d.d. Vorsitzenden,

    C###############,

    Klägerin und Berufungsklägerin,

    - Prozessbevollmächtigte:

    Rechtsanwälte B#### u.a.,

    H################ -

    g e g e n

    die Frau I#### K###,

    G##############,

    Beklagte und Berufungsbeklagte,

    - Prozessbevollmächtigter:

    Rechtsanwalt W#### M####,

    G################# -

    hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 27.08.2014 durch die die Richterin am Kammergericht Düe als Einzelrichterin am 07.11.2014

    für Recht erkannt:
    Tenor:

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 15.11.2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

    Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
    Gründe

    Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von Krankenversicherungsbeiträgen. Grundlage ist der Versicherungsvertrag Nr. 4######, der eine Krankenversicherung im Basistarif sowie eine Pflegepflichtversicherung umfasste und unstreitig mit Wirkung zum 01.08.2009 zustande gekommen war (Versicherungspolice vom 28.07.2009, vgl. Schreiben der Klägerin vom 18.03.2010, Bl. 152).

    Ein vorausgegangenes Krankenversicherungsverhältnis (Nr. 7####) hatte die Klägerin mit Schreiben vom 01.11.2008 wegen bestehender Zahlungsrückstände mit sofortiger Wirkung gekündigt.

    Im streitgegenständlichen Versicherungsverhältnis (Nr. 4######) erhob die Klägerin für die Monate Februar bis Juli 2009 Prämienzuschläge iHv 2.468,40 €. Die Prämie für den Krankenversicherungsschutz im Basistarif betrug 569, 63 € ab 01.07.2009, 581,25 € ab 01.01.2010 und 590,03 € ab 01.07.2010.

    Die Beklagte erbrachte die geschuldeten Leistungen nur teilweise. Die Klägerin mahnte mit Schreiben vom 02.10.2009 einen Rückstand von 3.972,02 € an und stellte sodann mit Schreiben vom 23.10.2009 das Ruhen der Leistungen gemäß § 193 Abs. 6 VVG fest (Anlagen 4, 5).

    Soweit die Klägerin in der Folgezeit bedingungsgemäß die Erstattung von Kosten für die medizinische Versorgung der Beklagten schuldete, verrechnete sie die von ihr zu erbringenden Zahlungen mit ihren offenen Forderungen aus dem Versicherungsverhältnis. Die von der Beklagten vor Anhängigkeit der Streitsache erbrachten Zahlungen in Höhe von insgesamt 3.582,58 € verrechnete sie (zunächst) mit bis zum 01.10.2009 aufgelaufenen Ansprüchen (auf Beitragszuschläge, Kranken- und Pflegeversicherungsprämien).

    Im Wege des Mahnverfahrens hat die Klägerin Beitragsforderungen iHv 8.114,79 € geltend gemacht.

    Nach Überleitung in das Klageverfahren hat die Klägerin ihre Klage mit der Klagebegründung insgesamt iHv 884, 52 € zurückgenommen (vgl. SS. v. 31.08.2011, Bl. 32, und SS. v. 31.10.2011, Bl. 51). Sie hat die Klage erstinstanzlich auf folgende Krankenversicherungsbeiträge erstreckt:

    Okt 09


    243,39 €

    Nov 09


    569,63 €

    Dez 09


    569,63 €

    Jan 10


    581,25 €

    Feb 10


    581,25 €

    Mär 10


    581,25 €

    Apr 10


    581,25 €

    Mai 10


    581,25 €

    Juni 10


    581,25 €

    Juli 10


    590,03 €

    Aug 10


    590,03 €

    Sep 10


    590,03 €

    Okt 10


    590,03 €


    7230,27 €

    - im Verlaufe der ersten Instanz hat sie die Klage wegen während des Rechtsstreits angefallener Erstattungsansprüche der Beklagten iHv 849,75 € für erledigt erklärt (vgl. die Darstellung im SS. v. 31.10.2011 aaO.), sodass sich ihre Forderung zuletzt auf 6.380,52 € belaufen hat.

    Wegen der weitergehenden Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien sowie der gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Berlin Bezug genommen.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da die Beitragsforderung infolge mehrmaliger Änderungen der Berechnung -u.a. aufgrund unterlaufener Fehlberechnungen und Leistungsverrechnungen- der Höhe nach nicht nachvollziehbar und damit unsubstantiiert sei.

    Die Klägerin hat gegen dieses Urteil (teilweise) Berufung eingelegt. Nicht angegriffen hat sie die Klageabweisung für die Monate Januar und Februar 2010 in Höhe von 1.136,34 €. Klageerweiternd macht sie stattdessen in der Berufungsinstanz eine Beitragsforderung für die Monate August und September 2009 in Höhe von 1.139,26 € geltend, sodass folgender Zeitraum und folgende Beträge zunächst Gegenstand der Berufung gewesen sind:

    Aug 09


    569,63 €

    Sep 09


    569,63 €

    Okt 09


    243,39 €

    Nov 09


    569,63 €

    Dez 09


    569,63 €

    Jan 10


    13,08 €

    Feb 10


    13,08 €

    Mär 10


    581,25 €

    Apr 10


    581,25 €

    Mai 10


    581,25 €

    Juni 10


    581,25 €

    Juli 10


    590,03 €

    Aug 10


    590,03 €

    Sep 10


    590,03 €

    Okt 10


    590,03 €

    Erledigung


    -849,75 €


    6383,44 €

    Die Klägerin hält das angefochtene Urteil -soweit von ihr angegriffen- für falsch, weil sie mit Schriftsatz vom 31.10.2011 ausreichend vorgetragen habe. Sie meint, dass die ihr geschuldeten Beiträge für den Krankenversicherungsschutz nicht nach § 12 Abs. 1c S. 3 VAG auf die Hälfte reduziert seien. Es sei auch nicht zu einer rückwirkenden Umstellung der Prämienhöhe auf den Notlagentarif gekommen.

    Nachdem die Klägerin im Verlaufe der Berufungsinstanz wegen weiter angefallener Erstattungsansprüche der Beklagten iHv 159,31 € (SS. v. 25.01.2013Bl. 112) und 490,93 (SS. v. 15.08.2013, Bl. 233) den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärt hat, beantragt sie,

    das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18.11.2011 mit Ausnahme der Klageabweisung in der Hauptsache in Höhe von 1.136,34 € aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.593,94 € und weitere 1.139,26 € sowie 10,00 € vorgerichtliche Mahnkosten und als weitere Nebenforderung 558,11 € Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen,

    festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in Höhe von insgesamt 1.009,10 € erledigt hat.

    Die Beklagte, die sich den Erledigungserklärungen insgesamt (849,75 € + 159,31 € + 490,32 € = 1.499,38 €) angeschlossen hat, beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteile und meint insbesondere, dass das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 31.10.2011 verspätet sei und nicht berücksichtigt werden dürfe.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

    II.

    1. Die Berufung ist statthaft und zulässig, §§ 51 ff. ZPO; die Klageerweiterung ist als sachdienlich zuzulassen, § 533 ZPO. Begründet sind die Berufung sowie die erweiterte Klage indes nicht.

    a. Die Klägerin hat zwar in der ersten Instanz das Entstehen des Klageanspruchs aus dem zum 01.08.2009 geschlossenen Kranken- und Pflegeversicherungsvertrag für die Zeit vom 01.10.2009 bis zum 31.10.2010, insbesondere auch zur Höhe, schlüssig dargelegt. Im Schriftsatz der Klägerin vom 31.10.2010, den das Landgericht nicht als verspätet zurückgewiesen hat und der deshalb in der Berufungsinstanz berücksichtigt werden muss, hat sie zur Höhe der geltend gemachten Beitragsforderung durch ihre tabellarische Darstellung der betroffenen Monate und der jeweiligen monatlichen Versicherungsprämie in nachvollziehbarer Weise vorgetragen. Sie ist mit ihrer Forderung unter der Summe der Krankenversicherungsbeiträge für diesen Zeitraum (iHv 7.556,51 €, nämlich monatlich 569,63 € bis 31.12.2009 €, 581,25 € bis 30.06.2010 und 590,03 € bis 31.10.2010) geblieben, weil sie eigene Leistungspflichten gegengerechnet hat (betr. den Monat Oktober 2009). Das ist schlüssig und ausreichend substantiiert dargelegt gewesen. Im Hinblick auf den Erfüllungseinwand der Beklagten, für den diese darlegungs- und beweispflichtig ist, hat sie in einer weiteren Tabelle zusätzlich ihre Ansprüche aus nicht streitgegenständlicher Zeit dargestellt und schriftsächlich ausgeführt, in welcher Weise sie verrechnet hat (vgl. den SS. v. 31.10.2011).

    Gleiches gilt auch für die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz (vgl. die Berufungsbegründung).

    b. Die Klageforderung ist dennoch unbegründet.

    aa. Für die Monate November 2009 bis Dezember 2010 besteht ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Versicherungsbeiträge in vertraglicher Höhe nach dem Basistarif nicht. Er ist rückwirkend kraft Gesetz entfallen, weil die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum als im Notlagentarif versichert gilt (Art. 7 S. 2 EGVVG i.d.F.v. 15.07.2013, künftig: EGVVG 2013).

    Nach Art. 7 S. 2 EGVVG 2013 gilt der Notlagentarif für die Vergangenheit unter der Voraussetzung, dass die Leistungen aus dem Versicherungsverhältnis ruhend gestellt waren und die monatliche Prämie des Notlagentarifs niedriger ist als die in diesem Zeitpunkt geschuldete Prämie (Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl., § 193 Rn. 79f.; Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 2. Aufl., § 45 Rz. 27b).

    (1) Beides trifft hier zu.

    Die Klägerin hat das Ruhen ihrer Leistungen aus dem Versicherungsverhältnis nach Mahnung mit Schreiben vom 02.10.2009 mit Schreiben vom 23.10.2009 (Anlagen 4, 5) gemäß § 193 Abs. 6 S. 3 VVG i.d.F.v. 17.07.2009 (künftig: VVG 2009)mit Wirkung zum 01.11.2009 festgestellt. Die Versicherungsprämie im Basistarif lag über 500,- €, während sich der Notlagentarif in einer Größenordnung von 100,- € bewegt (wie der allgemeinen Berichterstattung in den Medien, insbesondere im Internet zu entnehmen ist; vgl. z.B. die Internetseite des Verbandes der privaten Krankenversicherer, www.pkv.de, Stichwort "Notlagentarif" - dort den Beitrag "Beitragsschulden in der PKV" vom 19.3.2013).

    (2) Der Versicherungsnehmer hat nach Art. 7 S. 5 EGVVG 2013 die Möglichkeit, der rückwirkenden Geltung des Notlagentarifs zu widersprechen und diese so zu verhindern. Davon hat die Beklagte indes unstreitig keinen Gebrauch gemacht.

    (3) Entgegen der Ansicht der Klägerin steht der rückwirkenden Geltung des Notlagentarifs nach Art. 7 EGVVG 2013 nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall das Ruhen der Leistungen gemäß § 193 Abs. 6 S. 5 VVG 2009 zum 01.07.2013 dadurch beendet war, dass die Beklagte zum 01.07.2013 hilfebedürftig i.S.v. des SGB XI geworden war, was sie durch eine Bescheinigung des zuständigen Trägers nachgewiesen hat. Die in Art. 7 EGVVG 2013 angeordnete Rückwirkung setzt gerade nicht, wie die Klägerin meint, voraus, dass die Versicherungsleistungen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der gesetzlichen Regelung am 01.08.2013 noch ruhend gestellt waren.

    Ein solches Erfordernis ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 7 S. 1 EGVVG 2013, der keine Bestimmungen zur Rückwirkung des Notlagentarifs enthält.

    Die Klägerin übersieht, dass Art. 7 EGVVG 2013 zwei unterschiedliche Regelungsgegenstände zum Inhalt hat. Der Anwendungsbereich von Satz 1 ist die Geltung des Notlagentarifs für die Zukunft; er betrifft Sachverhalte, die nach Inkrafttreten des Gesetzes am 01.08.2013 liegen. Anwendungsbereich der Sätze 2 - 6 ist die Geltung des Notlagentarifs in der Vergangenheit; betroffen sind Sachverhalte, die vor dem 01.08.2013 liegen.

    Die für den einen Regelungskomplex getroffenen Bestimmungen, gelten für den jeweils anderen nicht. Insbesondere das in Satz 1 formulierte Erfordernis "Versicherungsnehmer, für die am 1. August 2013 das Ruhen der Leistungen gemäß § 193 Absatz 6 VVG festgestellt ist" für die dort angeordnete Rechtsfolge "gelten ab diesem Zeitpunkt als im Notlagentarif gemäß § 12h VAG versichert" hat keine Relevanz für die im Weiteren in Art. 7 S. 2-6 EGVVG 2013 geregelte Rückwirkung des Notlagentarifs.

    Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Die Formulierung in Satz 1 erstreckt das dort genannte Erfordernis (Feststellung des Ruhens am 01.08.2013) nur auf die Zeit ab dem Inkrafttreten am 01.08.2013 und nicht auf die in den Folgesätzen geregelte Rückwirkungsfiktion; auch in den Sätzen 2 - 6 wird nicht auf das in Satz 1 normierte Erfordernis Bezug genommen.

    Sinn und Zweck des Gesetzes erfordern eine einschränkende Auslegung des Geltungsbereichs der Rückwirkungsfiktion in dem von der Klägerin gewünschten Sinn ebenfalls nicht. Im Gegenteil. Art. 7 EGVVG 2013 ist Teil des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013. Schon der Name des Gesetzes belegt, dass die Entlastung finanziell schwacher Versicherungsnehmer das zentrale Motiv des Gesetzgebers war. Auch die Rückwirkungsfiktion in Art. 7 EGVVG 2013 ist ausweislich der Gesetzesmaterialien ein Instrument, dieses Ziel umzusetzen. So heißt es im Bericht des Ausschusses zu Art. 7 EGVVG 2013: "Der Entwurf eines Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung zielt darauf ab, durch die Einführung eines Notlagentarifs in der privaten Krankenversicherung säumige Versicherungsnehmer vor weiterer Überschuldung zu schützen. Bislang wird eine Begrenzung der Belastung von Beitragsschuldnern für die Zukunft erreicht. Darüber hinaus bedarf es jedoch auch einer Lösung für die z. T. erheblichen Beitragsschulden, die säumige Versicherungsnehmer seit der Abschaffung der Kündigungsmöglichkeit wegen Zahlungsverzugs in der PKV aufgebaut haben. Mit der vorliegenden Regelung wird deshalb vorgesehen, dass säumige Versicherungsnehmer rückwirkend von dem Zeitpunkt an als im Notlagentarif versichert gelten, zu dem ihr Vertrag ruhend gestellt wurde. Wegen der niedrigeren Prämie des Notlagentarifs verringern sich die aufgebauten Beitragsschulden der Versicherungsnehmer i. d. R. damit deutlich und die Zahlungsfähigkeit des Einzelnen kann schneller wieder hergestellt werden." (BT-Drucks. 17/13947 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit vom 12.06.2013, S. 31). Wollte man der Auffassung der Klägerin folgen, wäre die rückwirkende Geltung des Notlagentarifs und die damit verbundene Erleichterung der Schuldenlast für die finanziell besonders schwachen Versicherungsnehmer, die hilfebedürftig i.S.d. Sozialgesetzbuchs SGB XII sind, ausgeschlossen, könnten nur die Versicherungsnehmer profitieren, die finanziell besser gestellt sind. Das ist nicht vertretbar.

    (4) Der Notlagentarif gilt, wenn die Voraussetzungen nach Art. 7 S. 2 - 6 EGVVG 2013, wie hier, erfüllt sind, kraft Gesetz ab Feststellung des Ruhens, mithin im gegebenen Fall ab dem 01.11.2009.

    bb. Die Klageforderung ist für die Monate November 2009 bis Dezember 2010 auch nicht in Höhe des Notlagentarifs begründet, weil die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin diese auch auf eine entsprechende gerichtliche Auflage hin nicht vorgetragen hat. Die Festlegung des Notlagentarifs ist dem Verband der privaten Krankenversicherung übertragen, § 12 Abs. 1d S. 1 VAG i.d.F.v. 15.07.2013 (künftig: VAG 2013). Eine Veröffentlichung der geltenden Notlagentarife, insbesondere der für den Zeitraum vom 01.11.2009 bis 31.10.2010, konnte nicht festgestellt werden. Der Anwendungsbereich für eine Schätzung nach § 287 ZPO ist nicht eröffnet. Nach § 287 Abs. 2 ZPO ist Voraussetzung, dass eine Aufklärung der maßgeblichen Umstände zur Bestimmung der Forderungshöhe mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist. Davon kann hier nicht ausgegangen werden, weil die Klägerin den ihr aufgegeben Sachvortrag lediglich mit der Begründung verweigert, der Vortrag sei nicht erforderlich (vgl. SS. v. 03.09.2013).

    cc. Eine Beitragsforderung für die Monate August bis September 2009 -zum Basistarif- besteht nicht. Die Forderung für August und September 2009 ist aufgrund der vorgerichtlichen Zahlung der Beklagten getilgt, nachdem die von der Beklagten für Januar und Februar erbrachten Zahlungen nicht verbraucht worden sind, weil für Januar und Februar 2010 -wie vorausgehend ausgeführt- keine Beitragsschulden bestehen.

    dd. Über die Beitragsforderung für Oktober 2009 iHv 243, 39 € ist in Höhe der übereinstimmenden Erledigungserklärung -aufgrund der im Verlaufe des Rechtsstreits vorgenommenen Leistungsverrechnung der Klägerin - nicht mehr zu entscheiden.

    ee. Nicht geschuldet ist die Erstattung der Geschäftsgebühr, die der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für die vorgerichtliche Vertretung der Klägerin nach Nr. 2300 RVG in Rechnung gestellt und die als Verzugsschaden geltend gemacht sind. Denn unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens sind nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis -hier die nicht fristgerechte Bezahlung offener Forderungen aus dem streitgegenständlichen Krankenversicherungsverhältnisses- adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH VersR 12, 331 [BGH 13.12.2011 - VI ZR 274/10];BGHZ 127, 348, 350; VersR 2006, 521; VersR 12, 1188). Im gegebenen Sachverhalt war es offensichtlich unzweckmäßig, einen Rechtsanwalt damit zu beauftragen, die Beklagte vorgerichtlich mahnen zu lassen. Dies ergab sich für die Klägerin aus der vorausgegangenen Korrespondenz, die sie selbst mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten geführt hatte; daraus ihr war bekannt, dass die Beklagte ihren Zahlungspflichten nicht nachkam, weil sie nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel zur Begleichung der Gesamtschuld verfügte (vgl. nur Schreiben der Klägerin vom 18.03.2010, in dem sie Zahlungshilfe durch Ratenzahlung ablehnte und den Ausgleich der offenen Forderungen anmahnte, eingereicht mit Kl.-SS. v. 08.04.2013, Bl. 151) - ein weiteres anwaltliches Mahnschreiben konnte bei dieser Sachlage nicht förderlich sein.

    Ein Anspruch auf Erstattung von Mahngebühren iHv 10,- € ist jedenfalls durch Leistungsverrechnung seitens der Klägerin erloschen.

    2. Einer Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits bedarf es nach übereinstimmender Erledigungserklärung nicht.

    3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO und §§ 269 Abs. 3 S. 2, 91a Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits, über die nach billigem Ermessen zu entscheiden ist, hat die Klägerin zu tragen; erfolgreich wäre die Klägerin insoweit nur in geringfügiger Höhe, wegen ihrer Forderung für den Monat Oktober 2009, gewesen. Im Übrigen war die Beitragspflicht auch bzgl. des für erledigt erklärten Teils der Forderung durch die rückwirkende Geltung des Notlagentarifs entfallen, was aus den Ausführungen zur Hauptsache folgt.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Abweichende Gerichtsentscheidungen zu Art. 7 EGVVG sind - soweit bekannt- nicht ergangen.