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  • 28.03.2013 · IWW-Abrufnummer 131015

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Beschluss vom 30.07.2012 – 3 Wx 102/12

    Zur Bestimmung des für die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung eines Versicherungsscheins über eine Kapitallebensversicherung örtlich zuständigen Gerichts.


    OLG Düsseldorf, 30.07.2012

    I-3 Wx 102/12

    In der Aufgebotssache
    betreffend den Versicherungsschein über die Kapital-Lebensversicherung
    Beteiligter:
    PP-
    hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Rechtspflegerin - Neuss vom 13. April 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G., der Richterin am Oberlandesgericht Dr. P. und des Richters am Oberlandesgericht D.
    beschlossen:
    Tenor:

    Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen. Geschäftswert: 6.000 €.
    Gründe

    Mit Schrift seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 14. Oktober 2011 hat der Antragsteller die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung des im hiesigen Beschlusseingang bezeichneten Versicherungsscheins beim Amtsgericht Neuss beantragt. Er hat unter anderem vorgebracht, er habe versucht, seine Ansprüche aus der Kapitalversicherung gegenüber der D. L. L. in Wiesbaden geltend zu machen, und dabei mitgeteilt, der Original-Versicherungsschein liege ihm nicht mehr vor, weil er verlorengegangen sei, woraufhin der Versicherer ihm mitgeteilt habe, eine Auszahlung der Versicherungssumme sei nur gegen Vorlage des Original-Versicherungsscheins oder im Falle einer Kraftloserklärung möglich. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts, so der Antragsteller weiter, ergebe sich aufgrund des versicherungsvertraglichen Erfüllungsortes.

    Nachdem das Amtsgericht zuvor entsprechende Hinweise erteilt hatte, hat es durch die angefochtene Entscheidung den Antrag des Antragstellers vom 14. Oktober 2011 wegen seiner fehlenden örtlichen Zuständigkeit zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seinem am 24. April 2012 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, mit dem er weiterhin die Auffassung vertritt, die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Neuss sei gegeben.

    Mit weiterem Beschluss vom 26. April 2012 hat das Amtsgericht dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

    2.

    Das gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde zulässige Rechtsmittel des Antragstellers, das nach der vom Amtsgericht erklärten Nichtabhilfe gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen ist, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat sich das Amtsgericht Neuss auf den Standpunkt gestellt, es sei für das Aufgebotsverfahren örtlich unzuständig.

    Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich, was keiner näheren Begründung bedarf, nach der besonderen Regelung des § 466 - hier: Abs. 1 - FamFG, und nicht nach der nur Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung betreffenden Vorschrift des § 215 Abs. 1 WG. Gemäß § 466 Abs. 1 FamFG ist für das Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung von Urkunden dasjenige Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der in der Urkunde bezeichnete Erfüllungsort liegt; nur in dem Fall, dass die Urkunde eine solche Bezeichnung nicht enthält, ist das Gericht örtlich zuständig, bei dem der Aussteller seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, in Ermangelung auch eines solchen Gerichts dasjenige, bei dem der Aussteller zur Zeit der Ausstellung seinen allgemeinen Gerichtsstand gehabt hat.

    a)

    Die zuvor genannten hilfsweisen Anknüpfungspunkte führen hier, was auch der Antragsteller nicht anders zu sehen scheint, ohnehin zur Unzuständigkeit des Amtsgerichts Neuss. Denn der allgemeine Gerichtsstand (§ 17 Abs. 1 Satz 1 ZPO) sowohl des den Versicherungsschein im Jahre 1993 ausstellenden Versicherers, der B. L AG, als auch derjenige des heutigen Versicherers ist Wiesbaden (daneben bezüglich des ursprünglichen Versicherers Berlin).

    b)

    Aber auch die vorrangige Bestimmung anhand des vertraglichen Erfüllungsortes führt nicht zur Zuständigkeit des Amtsgerichts Neuss. Denn als Erfüllungsort derjenigen im Versicherungsschein verbrieften Leistung, derentwegen die Kraftloserklärung beantragt wird, - der Zahlung der Versicherungssumme - ist Wiesbaden (daneben ursprünglich noch Berlin) bezeichnet.

    aa)

    Eine etwa vorrangige gesetzliche Regelung des vorgenannten Erfüllungsortes besteht

    nicht; § 36 WG betrifft nur die Zahlung der Prämie.

    bb)

    Nach den vom Antragsteller selbst zur Akte gereichten Unterlagen wurde im Versicherungsvertrag ausdrücklich erklärt, es sollten (unter anderem) die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kapital-Lebensversicherung (Kapitalversicherung) gelten. In diesen hieß es in § 10 Nr. 1:

    "Unsere Leistungen überweisen wir dem Empfangsberechtigten auf seine Kosten. Bei Überweisungen in das Ausland trägt der Empfangsberechtigte auch die damit verbundene Gefahr."

    Damit handelt es sich bei den von dem Versicherer zu erbringenden Leistungen, also auch bei der Zahlung der Versicherungssumme, um eine nach § 270 BGB zu beurteilende Geldschuld.

    Aus § 270 Abs. 4 BGB, wonach die Regeln über den Leistungsort gemäß § 269 BGB unberührt bleiben, hat die traditionell ganz überwiegende und auch heute noch herrschende Meinung geschlossen, dass davon auszugehen sei, bei einer Geldschuld handele es sich um eine Schickschuld, bei der Erfüllungsort der Sitz des Schuldners sei, allerdings mit den Besonderheiten, dass der Schuldner die Übermittlungskosten und vor allen Dingen die Verlustgefahr bei der Übermittlung trage (daher sogenannte qualifizierte Schickschuld). Die abweichende Auffassung sah in der Vergangenheit und sieht namentlich heute vor dem Hintergrund der sogenannten EG-Zahlungsverzugsrichtlinie aus dem Jahre 2000 in Verbindung mit ergangener Rechtsprechung des EuGH die Geldschuld als qualifizierte Bringschuld, bei der Erfüllungsort Sitz des Gläubigers sei. Dieser Streit bedarf hier indes keiner Entscheidung. Denn auch die letztgenannte Ansicht geht davon aus, es sei nicht hinnehmbar, dass ein Geldgläubiger, gestützt auf § 29 Abs. 1 ZPO, die Geldforderung an seinem eigenen Wohn- oder Geschäftssitz einklagen könne; mit anderen Worten bestehe bei der Geldschuld ungeachtet ihrer Einordnung als Bringschuld die Besonderheit, dass gemäß § 270 Abs. 4 BGB i.V.m. § 269 BGB Gerichtsstand grundsätzlich der Sitz des Schuldners sei (Schön AcP 1998 - Bd. 198 -, S. 401/ 443 f; Schwab NJW2011, S. 2833/2834; Staudinger-Bittner, BGB, Neubearb. 2009, § 270 Rdnr. 2; Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Aufl. 2012, § 270 Rdnr. 1; zum Streitstand insgesamt auch: MK-Krüger, BGB, 6. Aufl. 2012, § 370 Rdnr. 1 f. sowie Staudinger-Bittner a.a.O., Rdnr. 1).

    Danach bleibt es dabei, dass bei einer Geldschuld der Gerichtsstand nicht nach dem Sitz des Gläubigers, sondern demjenigen des Schuldners zu bestimmen ist. Nicht anders sollte dann aber die Lage bei sonstigen verfahrensrechtlichen Vorschriften, die eine Rechtsfolge für ein gerichtliches Verfahren an den Erfüllungsort knüpfen, beurteilt werden, hier bei der Zuständigkeitsbestimmung nach § 466 FamFG. Eine nach den vom Gesetzgeber mit den Vorschriften verfolgten (Schutz-)Zwecken differenzierte Betrachtung würde nicht genügend berücksichtigen, dass die Verweisung in § 270 Abs. 4 BGB eine einheitliche ist, und überdies zu einer Zersplitterung der Verfahrensfolgen führen.

    Erst recht gelangt man zu dem Ergebnis der Maßgeblichkeit des Sitzes des Schuldners, wenn man die Geldschuld nach wie vor als qualifizierte Schickschuld ansieht (dafür, auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Gesichtspunkte, MK-Krüger a.a.O., Rdnr. 17).

    Schuldner der hier in Rede stehenden Zahlung der Versicherungssumme ist der Versicherer, der im vorliegenden Fall - wie bereits gezeigt - seinen Sitz nicht im Bezirk des Amtsgerichts Neuss hatte und hat.

    3.

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Tragung der Gerichtskosten ergibt sich unmittelbar aus den Vorschriften der Kostenordnung, und die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten scheidet schon deshalb aus, weil am vorliegenden Beschwerdeverfahren nur der Antragsteller beteiligt ist.

    Ein Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG besteht ebensowenig.

    Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 131 Abs. 4, 30 Abs.1 KostO. Es erscheint angemessen, den gesamten Betrag der Versicherungssumme (gerundet) in Ansatz zu bringen, da der Versicherer die Zahlung uneingeschränkt von der Durchführung des Aufgebotsverfahrens abhängig gemacht hat.