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  • 28.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123581

    Oberlandesgericht Naumburg: Urteil vom 19.04.2012 – 4 U 37/10

    1. Der Versicherer kann sich nach Treu und Glauben dann nicht auf die Ausschlussfrist nach Ziffer 2.1.1.1 Satz 2 AUB 99 berufen, wenn er nach selbst eingeholten ärztlichen Auskünften eine anspruchsbegründende Invalidität für möglich erachtet und es verabsäumt, den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass sein rechtzeitig eingereichtes ärztliches Attest nicht den Anforderungen einer Invaliditätsfeststellung nach Ziffer 2.1.1.1 AUB 99 entspricht.

    2. Gegen die Glaubhaftigkeit einer Unfallschilderung des Versicherungsnehmers kann bereits ein mehrfach wechselhafter Vortrag hierzu sprechen.

    3. Ein bedingungsgemäßer Unfall scheidet dann aus, wenn eine pflegebedürftige, umzubettende Person beim Anheben zwar unerwartet den Kopf wegdreht, aber das anschließende gesundheitsschädigende Umgreifen des Versicherungsnehmers nicht unkontrolliert erfolgt, sondern auf einem bewussten Willensentschluss beruht.


    OLG Naumburg, 19.04.2012

    4 U 37/10

    In dem Rechtsstreit

    ...

    hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg sowie die Richter am Oberlandesgericht Kühlen und Scholz auf die mündliche Verhandlung vom

    08. März 2012

    f ü r R e c h t e r k a n n t :
    Tenor:

    1. Die Berufung des Klägers gegen das am 12. März 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Halle, Az.: 5 O 1208/09, wird zurückgewiesen.

    2. Die Kosten der Berufungsinstanz trägt der Kläger.

    3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
    Gründe

    I. Der Kläger macht noch gegen die Beklagte wegen eines behaupteten Invaliditätsgrades von 50 % aus einer privaten Unfallversicherung einen Kapitalbetrag von 25.000,-- € (zur Berechnung s. S. 6 des Schriftsatzes vom 25. Mai 2009 unter Punkt 5 = Bl. 70 Bd. I d. A.) als Invaliditätsleistung geltend.

    Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit November 1990 eine zuletzt mit Versicherungsschein vom 01.07.2003 (Bl. 8 - 12 Bd. I d. A.) dokumentierte private Unfallversicherung, der zum einen Zusatzbedingungen zum Versicherungsschein (Bl. 13/14 Bd. I d. A.) mit vereinbarter progressiver Invaliditätsstaffel und zum anderen die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (B.-AUB 1999) zugrunde liegen (Bl. 71 - 74 Bd. I d. A.), in denen es u. a. heißt:

    1. Was ist versichert?

    1.1 Wir bieten Versicherungsschutz bei Unfällen, die der versicherten Person während der Wirksamkeit des Vertrages zustoßen.

    1.2 Der Versicherungsschutz umfasst Unfälle in der ganzen Welt.

    1.3 Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.

    1.4 Als Unfall gilt auch, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule

    - ein Gelenk verrenkt wird oder

    - Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln gezerrt oder zerrissen werden.

    1.5. ...

    2.1 Invaliditätsleistung

    2.1.1 Voraussetzungen für die Leistung

    2.1.1.1 Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Dauer in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt (Invalidität).

    Die Invalidität ist

    - innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten

    und

    - innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und von Ihnen bei uns geltend gemacht worden.

    2.1.1.2 ...

    Der damals 62 Jahre alte Kläger verspürte am 25. August 2007 bei der Pflege seiner bettlägerigen, von ihm seit März 2005 versorgten Mutter einen stark stechenden Schmerz im Rücken, weswegen er sich zwei Tage später zu seiner Hausärztin begab und auf deren Veranlassung am 01. September 2007 eine Magnetresonanztomographie bei dem Leipziger Radiologen Dr. N. durchführen ließ, der u. a. ein Wirbelgleiten in Höhe der Lendenwirbel 4/5 feststellte und unter dem 06. September 2007 (Anlage K 2, Bl. 15/16 Bd. I d. A.) der Hausärztin einen ausführlichen Bericht erstattete.

    Mit Schreiben vom 25. Juli 2008 (Bl. 18 Bd. I d. A.) wandte sich der Kläger erstmals schriftlich an die Beklagte, welche ihm unter dem 06. August 2008 (Bl. 19 Bd. I d. A.) erwiderte, bei den festgestellten Diagnosen handele es sich um ausschließlich degenerative Veränderungen, die keinen Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen darstellten und deshalb keinen Anspruch auf Leistungen begründen könnten. Daraufhin erhob der Kläger mit Schreiben vom 26. August 2008 (Anlage K 15, Bl. 111 Bd. I d. A.) unter Beifügung einer hausärztlichen Bescheinigung vom 20. August 2008 (Anlage K 9, Bl. 30 Bd. I d. A.) Widerspruch gegenüber der Beklagten und bat um erneute Prüfung. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 (Anlage K 6, Bl. 20 Bd. I d. A.) teilte diese ihm mit, dass sie auch nach erneuter Prüfung des Vorganges durch ihren Medizinischen Dienst weiterhin keine Leistungspflicht sehe.

    Nachdem in der Folgezeit die Rückenbeschwerden des Klägers nicht abklangen, begab sich dieser vom 15. bis zum 20. Januar 2009 in stationäre Behandlung, um den betroffenen Abschnitt der Wirbelsäule operativ versteifen zu lassen.

    Der Kläger hat behauptet, am 25. August 2007 einen Unfall mit Invaliditätsfolge erlitten zu haben. Zuvor habe er unter keinerlei Rückenbeschwerden gelitten, und er sei auch stets problemlos in der Lage gewesen, seine pflegebedürftige Mutter täglich aus der Liegeposition im Bett anzuheben und auf einen Nachtstuhl zu setzen. Zum genauen Auftreten der Schmerzen bei der Pflege seiner Mutter am 25. August 2007 hat der Kläger sich im Verlaufe des Rechtsstreits unterschiedlich eingelassen. Insoweit wird auf die variierenden Darstellungen in den Schriftsätzen vom 26. Februar 2009 (Bl. 3 Bd. I d. A.), 25. Mai 2009 (Bl. 68, 69 Bd. I d. A.) und 24. Juli 2009 (Bl. 94, 95 Bd. I d. A.) Bezug genommen.

    Der Kläger hat weiter behauptet, wegen des Vorfalls vom 25. August 2007 trotz ärztlicher Behandlungen und der Versteifung der Wirbelsäule fast ständig unter Rückenschmerzen zu leiden und in seinen Bewegungsabläufen, insbesondere beim Bücken und Aufheben von Gegenständen, stark eingeschränkt zu sein. Hinzu komme, dass sich nach der Operation die Leistungsfähigkeit seines linken Beines stark vermindert habe, sodass er dieses beim Gehen ständig nachziehen müsse und keine größeren Laufstrecken mehr zurücklegen könne.

    Der Kläger hat beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.120,-- € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2008 aus 25.000,-- €, aus 60,-- € seit dem 20. Januar 2009 und aus 60,-- € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte hat einen Unfall des Klägers bestritten und behauptet, die Beschwerden des Klägers seien allein auf degenerative Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule zurückzuführen und ständen in keinem Zusammenhang mit dem behaupteten Vorfall vom 25. August 2007.

    Ungeachtet dessen stelle das geschilderte Geschehen vom 25. August 2007 weder einen Unfall im Sinne von Ziffer 1.3 B.-AUB 99 dar, noch falle es unter die dort in Ziffer 1.4 geregelte Unfallfiktion und könne deshalb ihre Leistungspflicht nicht begründen.

    Daneben seien Ansprüche des Klägers aber auch deshalb ausgeschlossen, weil dieser verabsäumt habe, eine Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Ereignis vom 25. August 2007 ärztlich feststellen zu lassen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 157 - 162 Bd. I d. A.) Bezug genommen.

    Das Landgericht hat dem Kläger durch Urteil vom 12. März 2010 lediglich Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld in Höhe von jeweils 60,-- € zuerkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, weitergehende Invaliditätsleistungen scheiterten daran, dass der Kläger versäumt habe, innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall die Invalidität von einem Arzt schriftlich feststellen zu lassen.

    Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung und verfolgt - außer dem bereits erstinstanzlich zuerkannten Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld - sein ursprüngliches Begehren auf Zahlung einer Invaliditätskapitalleistung in Höhe von 25.000,-- € weiter. Zur Begründung führt er insbesondere aus, die Beklagte könne sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf die Versäumung der fünfzehnmonatigen Frist zur ärztlichen Feststellung einer Invalidität berufen.

    Der Kläger beantragt,

    unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 25.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. November 2008 zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und bezieht sich wegen ihrer internen Prüfung des vom Kläger mit Schreiben vom 26. August 2008 (Bl. 111 Bd. I d. A., Anlage K 15) erhobenen Widerspruchs auf einen erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegten Schriftwechsel zwischen ihrer Sachbearbeiterin und dem Chirurgen H. W., auf den verwiesen wird (Anlage H 6, Bl. 48 Bd. II d. A.).

    Der Senat hat entsprechend dem Beschluss vom 17. März 2011 (Bl. 74 - 76 Bd. II d. A.) Beweis erhoben durch ein medizinisches Sachverständigengutachten. Auf das fachorthopädische Gutachten vom 12. Juli 2011 (Bl. 98 - 107 Bd. II d. A.) und die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. D. vom 22. Dezember 2011 (Bl. 145 - 149 Bd. II d. A.) zu den Fragen des Klägers (Bl. 118 - 119 Bd. II d. A.) wird Bezug genommen.

    II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, da nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme dem Kläger mangels unfallbedingter Invalidität kein Anspruch auf eine Invaliditätsleistung als Kapitalbetrag gemäß Ziffer 2.1.2.1 B.-AUB 99 aus der streitgegenständlichen Unfallversicherung mit progressiver Invaliditätsstaffel gegen die Beklagte zusteht.

    Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger die behauptete Invalidität nicht entsprechend Ziffer 2.1.1.1 Satz 2 der B.-AUB 99 fristgerecht von einem Arzt schriftlich hat feststellen lassen (1). Eine eventuelle Invalidität des Klägers ist jedoch nicht, wie nach Ziffer 2.1.1.1 Satz 1 B.-AUB 99 als vertragliche Leistungsvoraussetzung unerlässlich, durch einen Unfall entstanden, da weder ein Unfall im Sinne von Ziffer 1.3 B.-AUB 99 (2) noch ein- gewissermaßen fingierter - Unfall nach Ziffer 1.4 B.-AUB 99 (3) festgestellt werden kann.

    1. Auf die - im Ergebnis letztlich unerhebliche - Regelung in Ziffer 2.1.1.1 Satz 2 B.-AUB 99 konnte es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entscheidend ankommen.

    Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass Ziffer 2.1.1.1 Satz 2, 2. Spiegelstrich B.-AUB 99, wonach eine Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall festzustellen ist, eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist bestimmt, die bei Außerachtlassung Ansprüchen des Versicherungsnehmers auf Invaliditätsleistungen entgegensteht.

    Der Senat ist allerdings unter Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung des erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegten, aus der Anlage H 6 (Bl. 48 Bd. II d. A.) ersichtlichen Schriftwechsels zwischen der Sachbearbeiterin der Beklagten und dem Chirurgen H. W. der Ansicht, dass es der Beklagten nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt ist, sich auf die Nichteinhaltung der Ausschlussfrist zu berufen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich in Ausnahmefällen die Berufung des Versicherers auf den Fristablauf als rechtsmissbräuchlich darstellen kann. Der BGH hat in einem Urteil vom 23. Februar 2005, Az.: IV ZR 273/03, zitiert nach juris, hierzu in grundsätzlicher Hinsicht ausgeführt:

    "Dabei darf nicht übersehen werden, dass die Berufung des Versicherers auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung der Invalidität im Einzelfall rechtsmissbräuchlich sein kann, so dass die Versäumung der Frist dem Versicherungsnehmer nicht schadet. Das hat der Senat angenommen, wenn ein unveränderlicher Gesundheitsschaden tatsächlich vor Fristablauf in einem ärztlichen Bericht erwähnt worden ist, etwa weil der behandelnde Unfallchirurg die Gallenblase entfernt hatte, eine daraus folgende Invalidität aber nicht ausdrücklich fristgerecht ärztlich festgestellt wurde (BGHZ 130, 171, 178 f.; 137, 174, 177). Darüber hinaus kann sich die Berufung auf den Fristablauf als rechtsmissbräuchlich darstellen, wenn dem Versicherer bereits vor Fristablauf ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der zu wahrenden Frist deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterlässt (vgl. Knappmann, r+s 2002, 485, 489). Davon kann auszugehen sein, wenn der Versicherte Invaliditätsansprüche rechtzeitig geltend macht, seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahe legen, die erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität aber noch fehlt (OLG Köln, VersR 1995, 907; OLG Hamm, NVersZ 1999, 567). Gleiches kann anzunehmen sein, wenn der Versicherer nach Geltendmachen von Invalidität von sich aus noch innerhalb der Frist zur ärztlichen Feststellung ein ärztliches Gutachten einholt, ohne den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er unbeschadet dessen selbst für eine fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität zu sorgen habe (OLG Saarbrücken, VersR 1997, 956, 958; OLG Oldenburg, NVersZ 2000, 85 f.; zu alledem Knappmann, in: Prölss/Martin, aaO., Rdnr. 22 f.; Manthey, NVersZ 2001, 55, 57 f.)."

    Nach diesen Grundsätzen hätte es der Beklagten nach Erhalt des Schreibens vom 26. August 2008 (Anlage K 15, Bl. 111 Bd. I d. A.) und den hierzu eingeholten medizinischen Auskünften des Chirurgen W. nach Treu und Glauben oblegen, den Kläger auf die Notwendigkeit der fristgemäßen Einreichung einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung hinzuweisen. Der Kläger hatte den Eintritt einer Invalidität der Beklagten gegenüber schriftlich angezeigt und auch fristgemäß eine ärztliche Stellungnahme hierzu eingereicht. Dieses ärztliche Attest vom 20. August 2008 entsprach zwar nicht den Anforderungen einer Invaliditätsfeststellung nach Ziffer 2.1.1.1 der B.-AUB 1999, für die Beklagte lag jedoch auf der Hand, dass der Kläger offensichtlich rechtsirrig davon ausging, damit alles Erforderliche zur Begründung seiner Ansprüche veranlasst zu haben. Vor dem weiteren Hintergrund, dass aus Sicht der Beklagten nach den von ihr selbst eingeholten Auskünften des Chirurgen W., wonach zwar eine Invalidität auf Grund eines Verhebetraumas nicht wahrscheinlich, aber zumindest möglich erschien, berechtigte Ansprüche des Klägers nicht von vornherein ausgeschlossen waren, hätte sie nach dem Gebot von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB den Rechtsirrtum des Klägers - ohne dass dies mit besonderem Aufwand für sie verbunden gewesen wäre - aufklären und auf die fristgerechte Einreichung einer noch erforderlichen ärztlichen Invaliditätsbescheinigung hinweisen müssen.

    2. Auf einen die Leistungspflicht der Beklagten auslösenden Unfall im Sinne von Ziffer 1.3 B.-AUB 1999 kann sich der Kläger nicht erfolgreich berufen.

    Danach liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Bei einem Verhebetrauma fehlt es hierfür regelmäßig an einem von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis, da das bloße Heben auf Eigenbewegungen des Verletzten beruht (BGH, Urteil vom 23. November 1988, Az.: IVa ZR 38/88, zitiert nach juris, Rdnr. 7, 8). Damit kann der Kläger durch ein bloßes Anheben der Mutter keinen Unfall im Sinne von Ziffer 1.3 B.-AUB 99 erlitten haben.

    Der Kläger hat zwar zuletzt behauptet, er sei durch ein unerwartetes Kopfwegdrehen seiner Mutter - worin eine erforderliche Einwirkung von außen liegen könnte - veranlasst worden, seinen Haltegriff zu ändern, was in der Folge zu der behaupteten dauerhaften Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit geführt haben soll. Diese Schilderung erachtet der Senat auch nach ergänzender mündlicher Anhörung des Klägers angesichts dessen vorangegangenen wechselhaften Vortrages hierzu jedoch für nicht glaubhaft. So hat der Kläger noch in der Klageschrift vom 26. Februar 2009 (Bl. 3 Bd. I d. A.) - ebenso wie in seiner ersten schriftlichen Verlautbarung vom 25. Juli 2008, d. h. fast ein Jahr nach dem fraglichen Vorkommnis am 25. August 2007, gegenüber der Beklagten - dargetan, dass er bei den täglichen Bewegungs- und Lagerungshandlungen seiner stark pflegebedürftigen, bettlägerigen Mutter einen stechenden Schmerz im Rücken verspürt habe. Erstmals in der Replik vom 25. Mai 2009 (Bl. 68, 69 Bd. I d. A.) auf die Klageerwiderung ist von einer Haltungsänderung und einem Nachgreifen die Rede, da die Mutter infolge von Eigenbewegungen abzurutschen drohte, was dann im Schriftsatz vom 24. Juli 2009 (Bl. 94, 95 Bd. I d. A.) weiter ausgeführt worden ist. Für den Senat drängt sich der Eindruck auf, dass es sich bei diesem sukzessiv elaborierten Vortrag über die erstmals behaupteten unerwarteten Eigenbewegungen der Mutter um eine bewusste Anpassung des Klägervortrags an die vorangegangene Klageerwiderung vom 21. April 2009 handelt, mit der die Beklagte das Fehlen eines Unfalls, da nicht von außen auf den Körper des Klägers eingewirkt wurde, moniert hatte (Bl. 40 Bd. I d. A.).

    Dafür, dass der Kläger versucht hat, mit seinem prozessual korrigierten Vortrag eine als unschlüssig erkannte Schilderung nachträglich nachzubessern, spricht des Weiteren, dass sich auch vorprozessual keine Anhaltspunkte für das est im Verlaufe des Verfahrens behauptete Wegdrehen der Mutter und das anschließende Nachfassen gezeigt haben. Vielmehr hat der Kläger in seinen beiden an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 25. Juli (Bl. 18 Bd. I d. A.) und vom 26. August 2008 (Bl. 111 Bd. I d. A.) lediglich berichtet, dass er am 25. August 2007 bei den täglichen Bettungs- und Lagerungsarbeiten einen sehr stark stechenden Schmerz im Rücken verspürt habe. Ein plausibler Grund dafür, weshalb der Kläger gegebenenfalls das Wegdrehen der Mutter und deren drohendes Abgleiten, was dem Geschehen ein besonderes, aus der üblichen Pflegeroutine herausgehobenes Gepräge gegeben hätte, nicht sogleich geschildert haben sollte, ist nicht ersichtlich.

    Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang darauf verweist, es sei Aufgabe der Beklagten gewesen, eine genauere Schilderung des Geschehens von ihm einzufordern, vermag dies schwerlich zu überzeugen. Aus Sicht der Versicherung lagen nämlich, ausgehend von der Schilderung des Klägers, keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Geschehen, neben einem vielleicht unter die Unfallfiktion der Ziffer 1.4 B.-AUB 99 fallenden Verhebetrauma, womöglich auch einen Unfall im Sinne von Ziffer 1.3 hätte darstellen können, der zu weiteren Nachfragen hätte Anlass geben müssen.

    Von einer Vernehmung der als Zeugin benannten Ehefrau des Klägers dazu, dass dieser ihr "noch am Unfalltag erzählte, dass sich die Mutter bei der Umlagerung plötzlich bewegt hatte und er beim Versuch, sie fester zu halten, den schmerzhaften Knacks im Rücken verspürt" habe (Bl. 95 Bd. I d. A.), hat der Senat abgesehen. Selbst wenn man eine solche Aussage der Ehefrau, die bei dem umstrittenen Geschehensablauf nicht selbst dabei war und deshalb nur als mittelbare Zeugin vom Hörensagen zu einem zeitlich weit zurückliegenden Gespräch im August 2007 fungieren könnte, als wahr unterstellte und ihr eine gewisse, bestenfalls schwache Indizwirkung zugunsten des Klägers beimäße, wäre allein dies angesichts der übrigen Gesamtumstände nicht geeignet, die auch dann weiterhin verbleibenden Zweifel an der Richtigkeit des vom Kläger gerade unterschiedlich behaupteten bzw. dargestellten Geschehensablaufs vollends zu beseitigen.

    Ungeachtet dessen bestünden ohnedies auch rechtliche Zweifel, ob selbst unter Zugrundelegung der - nicht glaubhaften - Schilderung des Klägers ein Unfall angenommen werden könnte.

    Für einen Unfall ist nicht allein ausreichend, dass überhaupt ein äußeres Ereignis auf den Verletzten eingewirkt hat. Die beabsichtigte Eigenbewegung muss auch durch die äußere Einwirkung vielmehr dergestalt beeinflusst werden, dass sie im Weiteren einen für den Verletzung nicht mehr von seinem Willen getragenen, unbeherrschbaren Verlauf nimmt, wie es etwa bei einem anschließenden Straucheln der Fall wäre (BGH, Urteil vom 28. Januar 2009, Az.: IV ZR 6/08, zitiert nach juris, Rdnr. 11).

    Ein derartiger Geschehensablauf lässt sich der Schilderung des Klägers hingegen nicht entnehmen, derzufolge eben nicht das unerwartete Kopfwegdrehen seiner Mutter, sondern erst das anschließende Unterfassen unter das Schulterblatt und die Fortsetzung des Hebevorgangs zur Gesundheitsverletzung geführt hat. Dafür, dass dieses Umgreifen und das weitere Anheben unkontrolliert und rein reflexhaft, aber nicht mehr willensgesteuert erfolgt wären, haben sich nach der Schilderung des Klägers keine Anhaltspunkte ergeben. Vielmehr hat er sich gerade bewusst für ein Umgreifen entschieden und dieses in der Folge auch, so wie beabsichtigt, ausgeführt.

    3. Die Voraussetzungen für einen Unfall nach Ziffer 1.4 B.-AUB 99 - als Unfall gilt danach auch, wenn durch eine erhöhte Kraftanstrengung an Gliedmaßen oder Wirbelsäule ein Gelenk verrenkt wird - liegen ebenfalls nicht vor.

    Auszugehen ist zwar noch davon, dass mit dem Anheben der pflegebedürftigen Mutter aus dem Bett eine erhöhte Kraftanstrengung an der Wirbelsäule für den Kläger verbunden gewesen sein muss. Das insoweit glaubhaft geschilderte Anheben der etwa 50 kg schweren Mutter bedeutete für den Kläger, zumal unter Berücksichtigung seines damaligen Alters von bereits 62 Jahren, eine außergewöhnliche und damit erhöhte Belastung, welche - wie beim Heben einer solchen Last üblich - in besonderer Weise auf die Wirbelsäule einwirkte. Dem steht auch nicht entgegen, dass ein solches Anheben bereits seit 5 Jahren zur täglichen vom Kläger durchgeführten Pflegeroutine gehörte. Denn darauf, wie häufig eine erhebliche Kraftentfaltung stattfindet, stellen die Versicherungsbedingungen in Ziffer 1.4 nicht ab.

    Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme steht jedoch nicht fest, dass es auf Grund dieser mit dem Anheben verbundenen erheblichen Kraftanstrengung zu einer in Ziffer 1.4 B.-AUB 99 vorausgesetzten qualifizierten Verletzung an der Wirbelsäule in Form einer Verrenkung des Gelenks gekommen ist.

    Hierzu hat der für diesen Umstand beweisbelastete Kläger behauptet, sein später festgestelltes und als solches auch unstreitiges, mit einer Einengung des Spinalkanals und einem Bedrängen der hervorgehenden Nervenwurzeln einhergehendes Wirbelgleiten zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper sei durch den Hebevorgang hervorgerufen worden und stelle eine Verrenkung der zwischen den Wirbelkörpern und der Bandscheibe liegenden sogenannten Facettengelenke dar. Einer Entscheidung dazu, ob ein solchermaßen hervorgerufenes Wirbelgleiten eine Verrenkung, worunter ein irregulärer, vollständiger oder teilweiser Kontaktverlust gelenkbildender Knochenenden zu verstehen ist, darstellt, bedarf es hier nicht.

    Nach den überzeugenden, vom Senat nachvollzogenen und für richtig erachteten Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. D. (Bl. 98 - 107 und Bl. 145 - 149 Bd. II d. A.) kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass das Wirbelgleiten durch den Hebevorgang vom 25. August 2007 hervorgerufen wurde. Vielmehr spricht alles dafür, dass es sich bei dem Wirbelgleiten um einen allmählichen, bis dahin noch nicht erkannten degenerativen Prozess beim Kläger handelt, der mit den Vorkommnissen am 25. August 2007 in keinem ursächlichen Zusammenhang steht.

    Soweit der Kläger meint, dem Sachverständigen habe keine tragfähige Grundlage für einen solchen Schluss zur Verfügung gestanden, verkennt er, dass dieser sich bei seiner Beurteilung neben der klinischen Untersuchung und den in diesem Zusammenhang gefertigten eigenen Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule auch auf Magnetresonanztomographien vom 01. September 2007 und vom 05. März 2008 sowie im Januar 2009 gefertigte Röntgenaufnahmen stützen konnte. Auch wenn diese Aufnahmen erst nach dem Vorfall vom 25. August 2007 gefertigt wurden, erachtet der Senat es dennoch für plausibel und nicht zweifelhaft, anhand dessen - so wie vom Sachverständigen angenommen - ein degeneratives Wirbelgleiten eindeutig von einem anderen, durch ein bestimmtes einmaliges Ereignis, wie dem Hebevorgang vom 25. August 2007, hervorgerufenen Wirbelgleiten abgrenzen zu können.

    Auch der weitere Einwand des Klägers, dass sich aus der plötzlich am 25. August 2007 einstellenden Schmerzsymptomatik etwas anderes ergeben müsse, überzeugt nicht. Wie sich aus den unmissverständlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. D. ergibt, kann ein degeneratives Wirbelgleiten, wie es beim Kläger bereits vor dem 25. August 2007 bestand, über einen längeren Zeitraum ohne Schmerzen oder sonstige Beschwerden zu zeigen, vorliegen und unerkannt bleiben. Das Auftreten einer später hieran anknüpfenden Schmerzsymptomatik ist gerade nicht von einer erheblichen, wie etwa mit dem Anheben der Mutter verbundenen, Kraftentfaltung abhängig, sondern solche Schmerzen können sich auch bei einfachen, körperlich wenig exponierten Bewegungen einstellen und finden ihre Ursache - wie hier auch - in einer allgemeinen altersbedingten Degeneration, welche insbesondere die Leistungsfähigkeit des muskulären Haltungsapparates beeinträchtigt.

    Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 22. März 2012 beantragt hat, den Sachverständigen zu den dort aufgeführten Fragen (Bl. 169, 170 Bd. II d. A.) erneut anzuhören, bestand hierfür keine Veranlassung.

    Dem Kläger ist bereits im Vorfeld der mündlichen Verhandlung nach Vorliegen des schriftlichen Sachverständigengutachtens vom 12. Juli 2011 mit Verfügung vom 22. August 2011 (Bl. 108 Bd. II d. A.) ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, wovon er, wie sein ergänzender Fragenkatalog aus dem Schriftsatz vom 28. September 2011 (Bl. 118, 119 Bd. II d. A.) zeigt, umfangreich Gebrauch gemacht hat und was dann auch zu der ergänzenden schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen vom 22. Dezember 2011 (Bl. 145 - 149 Bd. II d. A.) geführt hat. Eine mündliche Anhörung des Sachverständigen im Termin wurde hingegen von keiner Partei beantragt.

    Demgemäß hat der Senat dem Kläger am 08. März 2012 (Bl. 149 Bd. II d. A.) antragsgemäß lediglich Schriftsatznachlass gemäß § 139 Abs. 5 ZPO zu den vorangegangenen Hinweisen betreffend die Problematik eines nach Ziffer 1.4 B.-AUB 99 bei erhöhter Kraftanstrengung nur bedingt anzunehmenden Unfalls, nicht jedoch allgemein zum Ergebnis der Beweisaufnahme gewährt, welches mit den Parteien bereits im Termin vom 08. März 2012 ausgiebig erörtert worden ist. Indessen sieht der Senat für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO und den Wiedereintritt in die Beweisaufnahme angesichts der klaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. D. selbst unter Beachtung der im Schriftsatz vom 22. März 2012 seitens des Klägers formulierten Fragen keine Veranlassung. Angesichts dessen, dass den Kläger für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines anspruchsbegründenden Unfalls nach Ziffer 1.4 B.-AUB 99 die volle Beweislast trifft, erweisen sich die im Schriftsatz vom 22. März 2012 seinerseits neu aufgeworfenen Fragen als unerheblich. Denn selbst wenn die dort formulierten Hypothesen zutreffend sein sollten, ließe sich daraus gerade nicht der Rückschluss auf eine allemal nicht als sicher feststehende, aber vom Kläger voll zu beweisende Kausalität zwischen dem Hebevorgang vom 25. August 2007 und dem Wirbelgleiten ableiten. Etwaige Zweifel, die in jedem Fall auch bei einer dem Kläger günstigen Möglichkeit des Geschehensablaufes zurückblieben, gingen zu seinen Lasten, sodass ein Unfall als notwendige Voraussetzung für die begehrte Invaliditätskapitalleistung nicht prozessual festgestellt werden könnte.

    III. Die Kostenentscheidung zulasten des mit seinem Rechtsmittel erfolglos bleibenden Klägers folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

    Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils und die ausgesprochene Schutzanordnung beruhen auf den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711 Satz 1 und 2 ZPO. Trotz Zurückweisung der Berufung bedurfte es entgegen § 708 Nr. 10 Satz 2 ZPO keiner Anordnung, das Urteil des Landgerichts für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da bereits nach der Entscheidung des Landgerichts eine entsprechend Vollstreckungsmöglichkeit für die Beklagte nach § 708 Nr. 11 ZPO bestand und - wenigstens konkludent - tenoriert worden ist.

    Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nicht ersichtlich. Weder hat die von den Besonderheiten des Einzelfalls geprägte Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

    RechtsgebietAUB 99VorschriftenZiff. 2.1.1.1 S. 2 AUB 99