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  • 07.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121402

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 04.01.2012 – I-20 U 124/11

    1. Erfüllt der Tresor des Versicherungsnehmers nicht die Voraussetzungen eines Wertschutzbehältnisses gemäß § 15 Nr. 1 b der AVB (entspricht § 13 Nr. 1 b VHB 2008), dann gelten die vereinbarten Entschädigungsgrenzen auch dann, wenn das im Tresor aufbewahrte Geld nicht durch Aufbrechen des Tresors, sondern mittels Raubes (Bedrohung des Versicherungsnehmers, der den Tresorschlüssel aushändigt) erfolgt.

    2. § 15 Nr. 1 und 2 AVB (= § 13 Nr. 1 und 2 VHB 2008) sind weder überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB noch benachteiligen sie den Versicherungsnehmer in unangemessener Weise im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB.


    I-20 U 124/11

    In dem Rechtsstreit

    gegen

    Tenor:
    Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

    Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen ab Erhalt dieses Beschlusses.

    Gründe
    Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung.

    I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Hausratversicherung in Anspruch. Nachdem ein Täter über ein Fenster in die Wohnung des Klägers eingedrungen war, nötigte er dessen Ehefrau durch eine Bedrohung mit einem Messer zur Herausgabe des Schlüssels für den Tresor. Mit der Behauptung, dass der Täter das im Tresor aufbewahrte Bargeld von 100.000 EUR entwendet habe, hat der Kläger die Beklagte, die vorgerichtlich 1.000 EUR gezahlt hat, auf Zahlung von 20 % der Versicherungssumme in Anspruch genommen. Er hat geltend gemacht, dass der Tresor in einem Schrank eingebaut und mit Schrauben mit der Wand verbunden gewesen sei. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass es auch bei Aufbewahrung des Geldes in einem Tresor mit höherer Sicherheitsstufe zu demselben Schadensfall gekommen wäre. Seine Ehefrau hätte sich aufgrund der Bedrohungssituation in jedem Fall dazu entschieden, dem Täter das aufbewahrte Geld herauszugeben.

    Das Landgericht Essen hat die Klage abgewiesen, weil der Entschädigungsanspruch des Klägers durch § 15 Ziffer 2 lit. b) aa) der AVB (vergleichbar § 13 Nr. 2 b VHB 2008) wirksam auf 1.000,00 € begrenzt und dieser Betrag durch die Beklagte bereits geleistet worden sei.

    II. Die seitens der Berufung des Klägers vorgebrachten Angriffe greifen nicht, was sich aus Folgendem ergibt:

    1. Zwar weist der Berufungskläger zutreffend darauf hin, dass bei einem Raub - anders als bei einem Einbruch - die Aufbewahrung des Bargeldes in einem in § 15 Ziffer 1 lit. b) AVB (vergleichbar § 13 Ziffer 1 b VHB 2008) genannten Wertschutzbehältnis keine größere Sicherheit geboten hätte, da es das Wesen des Raubes ist, dass der Täter durch die Bedrohung die Zugriffsmöglichkeit auf den Inhalt eines Tresors erhält. Daraus resultiert aber - anders als der Kläger meint - nicht, dass die in § 15 Ziffer 2 lit b) genannte Beschränkung für den Versicherungsfall "Raub" nicht gilt. Die Entschädigungsgrenze des § 15 Ziffer 2 lit. b) differenziert nämlich schon ihrem Wortlaut nach nicht zwischen dem Versicherungsfall des Einbruchsdiebstahls und demjenigen des Raubes. Die Regelung bestimmt vielmehr unabhängig von dem konkreten Versicherungsfall die Grenzen der Einstandspflicht des Versicherers und verknüpft diese mit der Art der Aufbewahrung von Bargeld und anderen Wertgegenständen. Insofern kann daraus gerade nicht abgeleitet werden, dass im Falle der Beraubung höhere Wertgrenzen als im Falle eines Diebstahls gelten.

    2. Anders als der Kläger meint sind § 15 Ziffer 1 und 2 AVB für den Versicherungsnehmer auch weder überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB noch wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BGB unwirksam.

    2.1. Eine Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen § 305 c Abs. 1 BGB läge nur dann vor, wenn eine deutliche Abweichung zwischen den Erwartungen eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers einerseits und der betreffenden Klausel andererseits bestünde. Die berechtigten Erwartungen des Versicherungsnehmers werden dabei von allgemeinen Umständen, wie etwa dem Grad der Abweichung von dispositiven Normen bzw. den Umständen des Vertragsschlusses, bestimmt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21.11.1991, IX ZR 60/91; Saarländisches OLG, Urteil vom 07.07.2010, 5 U 613/09).

    Daran gemessen handelt es sich bei den Regelungen in § 15 Ziffer 1 lit. b und § 15 Ziffer 2 lit. b) nicht um überraschende Klauseln. Ein gewöhnlicher Versicherungsnehmer wird nämlich durchaus damit rechnen, dass der Versicherer einer Hausratversicherung nicht ohne weiteres für Bargeldbeträge in Höhe der vollen Versicherungssumme einstehen wird (siehe dazu das Urteil des Saarländischen OLG vom 07.07.2010, 5 U 6139, juris Tz: 29; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage 2010, § 29 VHB 2000 Rn. 9 mit weiteren Nachweisen).

    2.2. Die vorgenannten Klauseln sind auch nicht wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, denn sie benachteiligen den Versicherungsnehmer nicht in unangemessener Weise. Angesichts der bei der Hausratversicherung in der Regel überschaubaren Prämienhöhe (hier 93,81 € jährlich für Hausrat-, Glas- und Haftpflichtversicherung, siehe die Kopie des Versicherungsantrags vom 14.04.2008, Bl. 6 ff.) stellt die Vereinbarung von Entschädigungsgrenzen für Wertsachen in Abhängigkeit von ihrer konkreten Aufbewahrung gerade keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer muss deshalb mit einer Entschädigungsgrenze rechnen (so bereits OLG Celle, Urteil vom 23.09.2010, 8 U 47/10, juris Tz. 34 m.w.N.; Saarländisches OLG, Urteil vom 07.07.2010, aaO., Tz. 31).

    3. Anders als der Berufungskläger meint (Seite 5 der Berufungsbegründung, Bl. 143), musste die Beklagte auch nicht darauf hinwirken, dass das Wertschutzbehältnis des Klägers durch die V GmbH anerkannt werden musste. Eine solche Verpflichtung ergibt sich weder aus den Bedingungen noch aus dem Gesamtzusammenhang. Die Regelung in § 15 Nr. 1 lit. b) aa) ist nämlich aus sich heraus verständlich und die Beklagte ist deshalb nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände zu einer Aufklärung oder einem Hinweis verpflichtet.

    4. Anders als der Kläger meint handelt es sich bei dem von ihm so bezeichneten Wertschrank auch nicht um ein Wertschutzbehältnis im Sinne von § 15 Nr. 1 lit. b) cc) der Bedingungen. Von dieser Klausel erfasst sind nämlich lediglich "in die Wand oder im Fußboden bündig eingelassene Wertbehältnisse, Wertschränke oder Wertschutzschränke." Hier aber handelt es sich - wie in der Klageschrift auf Seite 4 (Bl. 4 der Akte) ausgeführt und auf den als Anlage 4 überreichten Lichtbildern (siehe Bl. 15 - 20 der Akte) zu sehen - um einen Möbeltresor, der gerade nicht bündig in Fußboden oder Wand eingelassen ist.

    Es bleibt daher festzuhalten, dass ein über die bisherige Zahlung hinausgehender Anspruch des Klägers angesichts der wirksam vereinbarten Entschädigungsgrenze nicht besteht.

    III. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen.

    Auf die Herabsetzung der Gerichtskosten im Falle einer Berufungsrücknahme

    (Nr. 1422 der Anlage 1 zum GKG) wird hingewiesen.