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  • · Fachbeitrag · Belehrungs- und Hinweispflicht

    Und wieder: Gesundheitsfragen eines Maklers sind dem VR grundsätzlich nicht zurechenbar

    von RA Nikolaos Penteridis, FA für VersR, MedR und SozR, Bad Lippspringe

    Gesundheitsfragen eines Maklers sind dem VR grundsätzlich nicht zurechenbar (LG Dortmund 2.1.13, 2 O 213/12, Abruf-Nr. 130329).

    Sachverhalt

    Der VN begehrte die Feststellung, dass der private Krankenversicherungsvertrag fortbesteht und durch den Rücktritt des VR nicht beendet worden ist. Beim Vertragsschluss hatte der Makler einen eigens gestalteten Antragsbogen verwendet. Dieser beinhaltete auch Gesundheitsfragen. Der VR wurde lediglich in einer Gesundheitsfrage namentlich benannt. Oberhalb der Gesundheitsfragen befand sich ein Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung. Im Wesentlichen verneinte der VN die Gesundheitsfragen. Die Frage, in der der VR namentlich benannt wird, beantwortete er richtig.

     

    In einer auf einem gesonderten Blatt befindlichen „Ergänzenden Mitteilung zum Antrag für Kranken-, Pflege-, Lebens- und Unfallversicherung“, deren Empfang durch den Kläger zwischen den Parteien streitig ist, heißt es unter „3. Vertragsänderung“ wie folgt: „Kann der VR nicht zurücktreten oder kündigen, weil er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Gefahrumstände, wenn auch zu anderen Bedingungen geschlossen hätte, werden die anderen Bedingungen auf Verlangen des VR Vertragsbestandteil. Haben Sie die Anzeigepflicht fahrlässig verletzt, werden die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil. Wenn Sie die Anzeigepflicht schuldlos verletzt haben, steht dem VR das Recht zur Vertragsänderung nicht zu.“

     

    Später machte der VR geltend, dass der VN die Gesundheitsfragen nicht wahrheitsgemäß beantwortet habe und erklärte den Rücktritt vom Vertrag.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Klage des VN hatte Erfolg. Der VR kann seinen Rücktritt nicht auf § 19 Abs. 2 VVG stützen. Es liegen nämlich bereits keine Fragen des VR i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 VVG vor. Danach muss der VN die ihm bekannten Gefahrumstände angeben, nach denen der VR in Textform gefragt hat. Hier handelte es sich ausschließlich um Fragen des Maklers (der im Gegensatz zum Versicherungsagenten unabhängig vom VR ist). Ein „Zueigenmachen“ der Fragen durch den VR sei zwar grundsätzlich möglich. Dies müsse jedoch für den Antragsteller erkennbar sein. Der VN habe die einzige Frage, die für ihn erkennbar als vom VR gestellt worden sei, nicht falsch beantwortet. Deshalb habe er die Fragen des VR gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 VVG richtig beantwortet.

     

    Selbst wenn man diese Ansicht des Gerichts als unzutreffend unterstellt, kann sich der VR auf alle ihm grundsätzlich zustehenden Gestaltungsrechte (§ 19 Abs. 2 bis 4 VVG; vgl. LG Dortmund r+s 11, 241) nicht berufen, weil der VN nicht zutreffend belehrt wurde (§ 19 Abs. 5 S. 1 VVG).

     

    • Zum einen ist die Belehrung formell unwirksam. Sie erfüllt nicht die Warnfunktion, da sie nicht besonders hervorgehoben ist. Es handelt sich um dieselbe Schriftart und -größe. Zudem ist keine sonstige Hervorhebung vorhanden (vgl. LG Dortmund VK 10, 58).

     

    • Zum anderen ist die Belehrung auch materiell unwirksam. § 19 Abs. 5 S. 1 VVG erfordert nicht nur eine zutreffende, sondern auch unter Berücksichtigung der Warnfunktion des Hinweises eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis des VN eindeutige Belehrung. Der Hinweis muss sämtliche, den VN möglicherweise treffende Folgen enthalten, die ihm bei Ausübung der Rechte durch den VR drohen.

     

    • Diesen Anforderungen wird die gesonderte Belehrung nicht gerecht. Sie enthält für den Fall des Rücktritts den Hinweis, dass kein Versicherungsschutz besteht. Für den Fall der Vertragsanpassung fehlt ein solcher Hinweis jedoch. Die Belehrung über die Rechtsfolgen der Vertragsanpassung beschränkt sich darauf, dass bei einer fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht die anderen Bedingungen rückwirkend Vertragsbestandteil werden. Für den VN ist dadurch nicht deutlich, dass es auch bei einer Vertragsanpassung zu einem rückwirkenden Verlust des Versicherungsschutzes kommen kann, wenn die Vertragsanpassung als rückwirkende Einfügung eines Risikoausschlusses erfolgt. Insbesondere der Umstand, dass bei der Belehrung über die Rechtsfolgen des Rücktritts der ausdrückliche Hinweis auf den Verlust des Versicherungsschutzes erfolgt, vermittelt dem VN den Eindruck, dies könne bei einer Vertragsanpassung nicht geschehen. Der VN wird hinter der Vertragsänderung eher eine Prämienerhöhung vermuten, als die Einfügung eines Risikoausschlusses mit Rückwirkung, welcher zu einem Verlust des Versicherungsschutzes für einen schon eingetretenen Versicherungsfall führen kann (vgl. LG Dortmund, a.a.O.; Tschersich r+s 12, 53, 57).

     

    Praxishinweis

    Das LG hat zu Recht entschieden, dass keine Fragen des VR nach § 19 Abs. 1 S. 1 VVG vorlagen. Nach LG Dortmund r+s 12, 426 und OLG Hamm VersR 11, 469 steht fest, dass der VN gegen seine Anzeigepflicht nur verstoßen kann, wenn der VR Fragen in Textform stellt. Hieran mangelt es jedoch grundsätzlich bei Fragen von Interessenvertretern des VN. Anderenfalls würde dieses die Wiedereinführung der spontanen Anzeigepflicht bedeuten (OLG Hamm a.a.O.). Fragen von Dritten können nur als Fragen des VR angesehen werden, wenn der VR sich diese für den VN erkennbar „zu eigen macht“ (so auch Karczewski, r+s 12, 521). Fraglich ist, wann dieses der Fall ist.

     

    • Eine Erkennbarkeit liegt nach Ansicht des Verfassers in Übereinstimmung mit dem LG Dortmund vor, wenn der VR namentlich im Rahmen der Gesundheitsfragen benannt wird. Die Benennung muss in jeder Frage erfolgen. Zu widersprechen ist dem LG Tübingen (23.11.11, 4 O 124/11), das die Nennung in einer Frage ausreichen lässt, sodass alle Fragen als vom VR gestellt gelten sollen. Der fehlende Hinweis in den anderen Fragen lässt für den VN den Schluss zu, dass diese Fragen für den VN nicht von Relevanz sind (so auch vorliegend LG Dortmund).

     

    • Ein weiteres Zeichen, dass der VR die Fragen sich zu igen macht, ist das deutlich sichtbare Logo des VR.

     

    Offengelassen hat das OLG Hamm a.a.O. die Frage, ob ein nachträgliches Zueigenmachen dergestalt zulässig ist, dass der VR dem VN gegenüber erklärt, dass die Fragen des Maklers als seine eigenen zu gelten haben und der VN dieses bestätigend zur Kenntnis nimmt. Nach Ansicht des Verfassers ist ein derartiges nachträgliches Zueigenmachen regelmäßig nicht zulässig. Denn § 19 Abs. 1 S. 1 VVG spricht davon, dass der VN „bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung“ die Fragen des VR zu beantworten hat. Er hat jedoch bereits seine Vertragserklärung abgegeben. Deshalb reicht ein Bestätigen und Kenntnisnehmen des VN für ein Zueigenmachen nicht aus.

     

    Als einzige zulässige Ausnahme dürfte der Fall anzusehen sein, wenn der VR eine Nachfrage hat und somit seiner Nachfrageobliegenheit nachkommt. Allerdings dürften dann nicht alle Fragen als Fragen des VR gelten, sondern nur diejenigen, auf die sich die Nachfrage bezieht.

     

    Ein m.E. auch unzulässiges nachträgliches Vorgehen, das aber kein Zueigenmachen mehr wäre, sondern eine neue Fragen- und Antragstellung und somit auch Vertragserklärung, wäre darin zu sehen, dass der VR dem VN die Fragen vollständig zur neuerlichen Beantwortung überreicht. Unabhängig davon, dass der VN in diesem Fall bereits eine Vertragserklärung gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 VVG abgegeben hat, dürften den VR hier besondere Pflichten treffen. Sollten sich nämlich Differenzen zu den Antworten ergeben, die der VN dem Makler gegenüber gegeben hat, hat der VR eine Nachfrageobliegenheit.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zu den Anforderungen an eine wirksame Belehrung nach § 19 Abs. 5 S. 1 VVG: LG Dortmund VK 10, 58 mit Anmerkung Marlow
    • Zur Rechtsstellung von Versicherungsmaklern im Verhältnis zum VN: BGH NJW 85, 2595
    • Zur Nachfrageobliegenheit grundlegend: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 19 Rn. 43
    Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 27 | ID 37758700