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  • · Fachbeitrag · Kfz-Kaskoversicherung

    Wann muss der VR für Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug zahlen?

    von VRiOLG a.D. Hellmut Münstermann, Aachen

    Gerät der von einem Pkw gezogene Wohnanhänger durch unerwartet starke Spurrillen auf der Fahrbahn ins Schleudern und prallt sodann auf den ziehenden Pkw und beschädigt diesen, liegt eine Einwirkung von außen und ein versicherter Unfallschaden vor (BGH 19.12.12, IV ZR 21/11, Abruf-Nr. 130507).

    Sachverhalt

    Der VN verlangt vom VR aus der Vollkaskoversicherung Entschädigung für Schäden an seinem Pkw. Die AKB 2005 sind vereinbart. Nach § 12 Abs. 6 AKB sind in der Vollversicherung versichert /„ a) Schäden durch Unfall, d.h. durch ein unvorhergesehenes, unmittelbar von außen her plötzlich mit mechanischer Gewalt einwirkendes Ereignis; Brems-, Betriebs- und reine Bruchschäden sind keine Unfallschäden. Nicht versichert sind insbesondere gegenseitige Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen.“

     

    Im Juli 2009 kam der Pkw des VN mit angehängtem Wohnwagen auf einer Autobahn aufgrund unerwartet starker Spurrillen ins Schleudern. Dabei kollidierte der Wohnanhänger mit dem Pkw und beschädigte diesen. Der VR berief sich auf einen nicht versicherten Betriebsschaden. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat sie abgewiesen. Die Revision des VN hatte Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Das LG hat die Entschädigung zu Unrecht versagt. Unzutreffend hat es § 12 Abs. 6 a) S. 2 AKB 2005 so ausgelegt, dass ein durch die Fahrbahnbeschaffenheit ausgelöster Schleudervorgang nicht als Einwirkung von außen mit mechanischer Gewalt anzusehen sei.

     

    AGB sind wie revisible Rechtsnormen zu behandeln und können vom Revisionsgericht frei ausgelegt werden, wenn sie über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendet werden. Dies ist hier der Fall. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an.

     

    So hat der BGH (6.3.96, IV ZR 275/95, VersR 96, 622) entschieden, der durchschnittliche VN könne dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 II e AKB a.F. (= § 12 Abs. 6 a) S. 1 AKB 2005) nicht entnehmen, dass Schäden durch Aufprall des Anhängers auf den ihn ziehenden Pkw, die also Schäden durch ein plötzlich von außen einwirkendes Ereignis seien, als nicht versicherte Betriebsschäden anzusehen seien. Betriebsschäden sind solche, die durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entstehen. Gleiches gilt für Schäden, die zwar auf einer Einwirkung mechanischer Gewalt beruhen, aber zum normalen Betrieb des Kfz gehören.

     

    Dies verändert sich durch den in § 12 Abs. 6 a) AKB 2005 hinzugefügten Satz 2 nur insoweit, als gegenseitige Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen als Betriebsschäden anzusehen und daher vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Als Einwirkung von außen wird der durchschnittliche VN hingegen Ursachen ansehen, die weder vom ziehenden noch vom gezogenen Fahrzeug ausgehen. Solche Ursachen können auch in der Fahrbahnbeschaffenheit oder den Witterungsverhältnissen liegen.

     

    Ausgehend davon ist nach dem unstreitigen Sachverhalt eine Einwirkung von außen in den unerwartet starken Spurrillen zu sehen, durch die der Wohnanhänger ins Schleudern geriet. Spurrillen sind Unebenheiten in der Fahrbahn, die die Richtungsstabilität eines Fahrzeugs nachteilig beeinflussen und somit eine äußere, mechanische Einwirkung auf das Fahrzeug darstellen. Da der Anhänger dann gegen den Pkw prallte, wurde dieser durch eine von außen kommende Einwirkung beschädigt.

     

    Praxishinweis

    Lange Zeit war unter der Geltung des § 12 Abs. 1 II e) AKB a.F. umstritten, ob es sich beim Aufprall eines Anhängers auf das Zugfahrzeug um einen versicherten Unfallschaden handelte. Mit dem Argument der „Betriebseinheit“ zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug wurde die für den Unfallbegriff erforderliche „Einwirkung von außen“ überwiegend verneint und ein nicht versicherter Betriebsschaden angenommen.

     

    Mit dem in Bezug genommenen Urteil vom 6.3.96 (IV ZR 275/95, VersR 96, 622) hat der BGH diese Streitfrage geklärt. Auf der Autobahn schleuderte ein Campinganhänger aufgrund der Sogwirkung vorbeifahrender Lkw gegen das Heck des ziehenden Pkw. Der durchschnittliche VN sieht Pkw und Anhänger nicht als eine technische Betriebseinheit an. Es handelt sich um einen Unfallschaden und nicht um einen unversicherten Betriebsschaden.

     

    Später ist in die o.a. Klausel der Satz 2 betr. gegenseitige Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug eingeführt worden. Der Zusatz schließt jedoch den Versicherungsschutz in diesen Fällen nicht total aus, sondern nur beim Fehlen einer Einwirkung von außen. Dies ist der Fall, wenn die Schadenursache vom ziehenden oder gezogenen Fahrzeug ausgeht. Nur dann liegt ein nicht versicherter Betriebsschaden vor. Geht die Schadenursache hingegen weder vom ziehenden noch vom gezogenen Fahrzeug aus, handelt es sich um eine Einwirkung von außen und einen versicherten Unfallschaden.

     

    Im Besprechungsfall hat der BGH die unerwartet starken Spurrillen auf der Fahrbahn als von außen kommende Schadenursache angesehen.

     

    • Als Einwirkung von außen können nach BGH darüber hinaus aber auch Ursachen angesehen werden, die in den Witterungsverhältnissen liegen.

     

    • Kommt der Anhänger eines Pkw durch plötzlich auftretendes Glatteis ins Rutschen und prallt auf das Heck des ziehenden Pkw, dürfte es sich danach um einen versicherten Unfallschaden handeln (a.A. OLG Stuttgart VersR 05, 643).

     

    • Ein Sachverhalt, der ebenfalls schon beobachtet worden ist: Der Anhänger beginnt zunächst hin und her zu schwanken („zu tanzen“), schlägt dann gegen die Leitplanke, stellt sich dadurch quer und prallt gegen das Zugfahrzeug. Solche Fälle enden nicht immer so. Manchmal gelingt es dem Fahrer, den Anhänger wieder „gerade zu ziehen“, sodass ein Schaden vermieden wird. Hier ist das nicht gelungen. Sieht man den Schlag gegen die Leitplanke letztlich als Ursache für den Aufprall auf das Zugfahrzeug an, ist m.E. eine Einwirkung von außen gegeben.

     

    Anders aber, wenn der Anhänger nach einem Überholmanöver beim Wiedereinscheren ohne ersichtlichen Grund ins Schleudern gerät und auf das Zugfahrzeug prallt. Hier liegt keine Einwirkung von außen vor. Die Schadenursache geht vom Fahrzeug aus, sodass kein versicherter Betriebsschaden vorliegt.

     

    Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 48 | ID 37903910