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  • · Fachbeitrag · Kfz-Kaskoversicherung

    Kasko-VR nennt Preisobergrenzen für Stundenverrechnungssätze: Sind sie verbindlich?

    | Die Einsparbemühungen der VR machen auch vor dem Kaskosegment nicht halt. Wer sich an den VR wendet, bekommt mit ziemlicher Sicherheit Verhaltensmaßregeln auferlegt. Aus diesem Problemkreis stammt die folgende Leserfrage: |

     

    Frage: Immer häufiger kommen Mandanten zu uns, die ein Schreiben des Kasko-VR mitbringen, das Preisobergrenzen setzt. Z. B. heißt es in einem solchen Dokument: „Bis zu welcher Höhe wir Stundenverrechnungssätze und Teileaufschläge akzeptieren, teilen wir Ihnen hiermit gern schriftlich mit: Wenn Sie Ihr Fahrzeug in einer Markenwerkstatt reparieren lassen, zahlen wir einen Stundenverrechnungssatz um 103,50 EUR und akzeptieren einen Aufschlag auf die unverbindliche Preisempfehlung in Höhe von 10 Prozent.“ Ist das für den Mandanten verbindlich, wenn im Kaskovertrag keine Werkstattbindung vereinbart wurde?

     

    Antwort: Wie immer im Kaskoversicherungsrecht kommt es auf den Vertragsinhalt an. Schauen Sie im Vertrag des Mandanten nach, ob dort Preisobergrenzen vereinbart sind. Insbesondere rund um Glasschäden findet man bei manchen Gesellschaften solche Regelungen.

    1. Geschuldet sind die „erforderliche Kosten“

    Wenn da nichts vereinbart ist, hat der VR die Pflicht die, „für die Reparatur erforderlichen Kosten“ zu erstatten. Das steht in der Entscheidung des BGH zu den Stundenverrechnungssätzen bei der fiktiven Abrechnung in Kaskofällen. Dort heißt es zur Wahlfreiheit des VN: „Er wird sich in diesem Verständnis durch den Umstand bestärkt sehen, dass am Markt zunehmend Tarife mit Werkstattbindung angeboten werden, bei denen sich der VN verpflichtet, im Reparaturfall eine vom VR ausgesuchte Werkstatt zu beauftragen, was von diesem mit einem niedrigeren Beitrag honoriert wird. Dies weckt beim VN die Erwartung, sein Fahrzeug gegebenenfalls auch in der teureren markengebundenen Werkstatt reparieren lassen zu dürfen, wenn er einen solchen Tarif gerade nicht gewählt und stattdessen eine höhere Prämie bezahlt hat.“

    2. Weisungsrecht greift nicht

    Auch das Weisungsrecht greift hier nicht; denn der BGH sagt auch: Der VR kann keine Weisungen erteilen, die das Leistungsversprechen aushöhlen (BGH 11.11.15, IV ZR 426/14, Abruf-Nr. 145782).

     

    Wir haben also keinen Zweifel, dass der VR auf diesem Weg keine Preisobergrenze setzen kann. Auf das Detail, dass unklar bleibt, ob er einen Netto- oder Bruttobetrag genannt hat, kommt es also gar nicht mehr an.

    3. Musterformulierung

    In den entsprechenden Fällen können Sie die nachstehende Musterformulierung nutzen.

     

    Musterformulierung / Obergrenzen für Stundenverrechnungssätze

    Sehr geehrte Damen und Herren,

     

    Sie haben für den Kaskoschaden ein Schreiben mit von Ihnen gesetzten Obergrenzen für Stundenverrechnungssätze überreicht. Höhere, so kündigen sie an, werden Sie nicht akzeptieren.

     

    Wir dürfen Sie daran erinnern, dass es sich bei Kaskoschäden um solche Schäden handelt, für die Sie eine vertragliche Zahlungsverpflichtung dem Versicherungsnehmer gegenüber übernommen haben. Das Maß der Dinge ist daher nicht, was Sie „akzeptieren“, sondern was Sie im Versicherungsvertrag vereinbart haben.

     

    Es handelt sich um einen Vertrag ohne Werkstattbindung. Eine Durchsicht hat ergeben, dass darin keine Obergrenzen für Stundenverrechnungssätze vereinbart wurden.

     

    Wenn da aber nichts vereinbart ist, hat der Versicherer die Leistungsverpflichtung, die „für die Reparatur erforderlichen Kosten“ zu erstatten. Die „… erforderliche Kosten“-Klausel verwenden ja auch Sie. Das alles entnehmen Sie bitte der Entscheidung des BGH zu den Stundenverrechnungssätzen bei der fiktiven Abrechnung in Kaskofällen, die in den Fällen konkreter Reparatur insoweit erst recht gilt (BGH 11.11.15, IV ZR 426/14).

     

    Dort heißt es zur Wahlfreiheit des Versicherungsnehmers: „Er wird sich in diesem Verständnis durch den Umstand bestärkt sehen, dass am Markt zunehmend Tarife mit Werkstattbindung angeboten werden, bei denen sich der Versicherungsnehmer verpflichtet, im Reparaturfall eine vom Versicherer ausgesuchte Werkstatt zu beauftragen, was von diesem mit einem niedrigeren Beitrag honoriert wird. Dies weckt beim Versicherungsnehmer die Erwartung, sein Fahrzeug gegebenenfalls auch in der teureren markengebundenen Werkstatt reparieren lassen zu dürfen, wenn er einen solchen Tarif gerade nicht gewählt und stattdessen eine höhere Prämie bezahlt hat.“

     

    Auch das Weisungsrecht hilft Ihnen nicht weiter, denn der BGH sagt auch: Der Versicherer kann keine Weisungen erteilen, die das Leistungsversprechen aushöhlen.

     

    Wörtlich: „Diese Bestimmung lautet: ‚Vor Beginn der Verwertung oder der Reparatur des Fahrzeugs haben Sie unsere Weisung einzuholen, soweit die Umstände dies gestatten, und diese zu befolgen, soweit Ihnen dies zumutbar ist.‘ Damit steht das Weisungsrecht des Versicherers von vornherein unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit der Einzelweisung für den Versicherungsnehmer. Dies schließt es aus, dass Weisungen erteilt werden, die das in A.2.7 AKB 2008 gegebene Leistungsversprechen des Versicherers auf Ersatz der erforderlichen Reparaturkosten einschränken oder sonst den berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers zuwiderlaufen (vgl. hierzu Meinecke in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB A.2.7 Rn. 12; BT-Drucks. 16/3945 S. 80; weitergehend Knappmann in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. AKB 2008 E.3 Rn. 3).“

     

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Rechtsanwalt/Rechtsanwältin

     

    Weiterführender Hinweis

    • Kasko-VR verlangt Zahlungsnachweis über Werkstattbindungsabzug ‒ zu Recht? VK 17, 170
    Quelle: Ausgabe 05 / 2022 | Seite 85 | ID 45604344