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  • · Fachbeitrag · Kfz-Haftpflichtversicherung

    Diese Grundsätze gelten beim Vorwurf einer Unfallmanipulation

    | Bei bestimmten Fallgestaltungen weigern sich Haftpflicht-VR oft, den Schaden zu regulieren. Sie berufen sich auf eine Leistungsfreiheit wegen einer Unfallmanipulation. Der Beitrag zeigt, was in derartigen Fällen zu beachten ist. |

     

    Es gilt der Grundsatz, dass ein von den Beteiligten unter Einschluss des Geschädigten vorsätzlich herbeigeführtes gestelltes bzw. manipuliertes Unfallgeschehen keine Ersatzpflicht des vermeintlichen Schädigers und seines Haftpflicht-VR auslöst (BGH BGHZ 71, 339).

     

    Checkliste / Grundsätze zur Unfallmanipulation

    Hinsichtlich einer Unfallmanipulation gelten die folgenden Grundsätze:

     

    • Der VR ist für das Vorliegen eines gestellten, manipulierten Unfalls beweispflichtig.

     

    • Der Nachweis eines gestellten bzw. manipulierten Unfalls kann im Wege eines Indizienbeweises geführt werden. Die Führung des Indizienbeweises setzt die Überzeugung des Tatrichters von der Wahrheit dieser Behauptung voraus. Dafür ist aber keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.

     

    • Der Indizienbeweis erfordert eine Berücksichtigung sämtlicher sich aus dem gesamten Streitstoff ergebenden Umstände, deren indizieller Wert für oder gegen die Stützung der Behauptungen der Parteien erkennbar ist. Dass einzelne Indizien auch eine andere plausible Erklärung finden mögen, steht im Rahmen dieser Gesamtwürdigung der Beweisführung im Wege eines Indizienbeweises nicht entgegen.

     

    • Dabei darf aber keine schlichte Addition einzelner Indizien erfolgen. Es kommt auch nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äußeren Erscheinungsform immer gleiche Beweisanzeichen festgestellt werden müssen. Entscheidend ist die Werthaltigkeit der Beweisanzeichen in der Gesamtschau, nicht die isolierte Würdigung der einzelnen Umstände.

     

    • Zur Führung eines Indizienbeweises können Indiztatsachen nur dann herangezogen werden, wenn sie unstreitig oder bewiesen sind.

     

    • Bei Anträgen zum Beweis von Indizien darf und muss das Gericht vor der Beweiserhebung prüfen, ob es durch die vorgetragenen Indizien ‒ ihre Richtigkeit unterstellt ‒ von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugt wird. Unmittelbar zum Hauptbeweis des Gegenteils angebotene Beweismittel müssen generell berücksichtigt werden. Ein entsprechender Beweisantritt darf nicht aufgrund der Würdigung von Indiztatsachen übergangen werden.
     

    Checkliste / Indizien für eine Unfallmanipulation

    Typische für die Annahme eines gestellten Unfalls sprechende Indizien sind:

     

    • Nicht nachvollziehbares Fahrverhalten beim Unfall.
    • Keine plausible Erklärung der Anwesenheit am Unfallort.
    • Abrechnung auf Gutachten- oder Totalschadenbasis.
    • Leichte Wiederherstellbarkeit der Fahrtüchtigkeit, insbesondere Streifschaden.
    • Geschädigtenfahrzeug als hochpreisiger Fahrzeugtyp.
    • Wertminderung durch hohe Laufleistung oder Vorschäden am Geschädigtenfahrzeug bzw. Fahrzeug aus sonstigen Gründen schwer verkäuflich.
    • Geringes finanzielles Interesse am Schädigerfahrzeug.
    • Kurze Zulassungszeit der beteiligten Fahrzeuge.
    • Unmittelbar nach dem Unfall erfolgender Weiterverkauf bzw. Stilllegung.
    • Beschädigung eines stehenden Fahrzeugs.
    • Geringes Verletzungsrisiko, insbesondere bei geringer Kollisionsgeschwindigkeit.
    • Keine Benennung neutraler Zeugen.
    • Polizei wird nicht hinzugezogen oder ihr wird vermeintlich klare Haftungslage präsentiert.
    • Vorherige Bekanntschaft der unfallbeteiligten Parteien.
    • Bezug der Beteiligten zur Kfz-Branche.
    • Wiederholte Unfallbeteiligung der Parteien.
    • Keine Rechtsverteidigung bzw. unbeteiligtes Verhalten des Schädigers.
    • Vage und detailarme Angaben der Unfallbeteiligten.
    • Kläger bei Unfallgeschehen nicht anwesend.
    • Diskrepanz zwischen Einkommensverhältnissen des Geschädigten und der Fahrzeugklasse des beschädigten Fahrzeugs.
    • Vermögenslosigkeit des Schädigers.
    • Widersprüchlicher oder widerlegter Sachvortrag des Geschädigten, insbesondere Verschweigen von Vorschäden oder widerlegte oder nach Gutachteneinholung angepasste Angaben zum Unfallgeschehen.
    • Früheres betrügerisches Verhalten der Beteiligten.
     

    Checkliste / Indizien gegen eine Unfallmanipulation

    Typische gegen die Annahme eines gestellten Unfalls sprechende Indizien sind:

     

    • Schadensabrechnung auf der Grundlage tatsächlich entstandener Reparaturkosten bei fachgerechter Reparaturausführung.
    • Konsistente und glaubwürdige Angaben der Parteien und Zeugen.
    • Erhebung von Einwendungen des Schädigers gegen seine Haftung.
    • Entstehung eines erheblichen und auch im Fall eines nicht gestellten Unfalls nicht durch eine Vollkaskoversicherung gedeckten Sachschadens auf Schädigerseite.
    • Plausibilität und Nachvollziehbarkeit des Unfallgeschehens, insbesondere auf der Grundlage der Feststellungen eines eingeholten Unfallrekonstruktionsgutachtens.
    • Benennung neutraler Zeugen.
    • Vorliegen einer konkreten erheblichen Verletzungsgefahr beim Unfall.
    • Uhrzeit und Örtlichkeit des Geschehens.
    • Einnehmen einer aktiven Prozessrolle des Unfallverursachers.
     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2022 | Seite 28 | ID 47437486