· Haftungsrecht
Verletzung eines Ersthelfers geschieht „beim Betrieb“ des Unfall-Kraftfahrzeugs

| Verletzt sich ein Ersthelfer nach einem vom einem Kraftfahrzeugführer verursachten Auffahrunfall beim hektischem und ungeschicktem Abstellen und Absteigen von seinem Motorrad, ist dies dem Betrieb des unfallverursachendem Kraftffahrzeugs nach § 7 Abs. 1 StVG zuzurechnen. |
Sachverhalt
Bei einem Verkehrsunfall kamen zwei Pkw von der Straße ab und blieben im Staßengraben liegen. Eine Motorradfahrerin wollte erste Hilfe leisten. Beim Abstellen des Motorrads stürzte dieses auf ihren Fuß. Dabei erlitt sie einen Fersenbein-Trümmerbruch. Das LG hat den Anspruch gegen den Haftpflicht-VR des Unfallversicherers für gerechtfertigt erklärt.
Entscheidungsgründe
In einem Hinweisbeschluss machte das OLG Hamm deutlich, dass es beabsichtigt, die Berufung zurückzuweisen (5.5.25, 7 U 97/23, Abruf-Nr. 250996). Der Sturz der Motorradfahrerin sei „beim Betrieb“ des Beklagtenfahrzeugs erfolgt und unterfällt daher den Risiken dessen Betriebs. Entsprechend besteht der erforderliche Zurechnungszusammenhang.
Übersicht / Beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs |
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Das OLG ist vorliegend davon ausgegangen, dass die Verletzung der Motorradfahrerin dem Betrieb des Beklagtenfahrzeugs und damit letztlich der Beklagtenseite in diesem Sinne zuzurechnen ist. Zunächst hat der Auffahrunfall die entscheidende Ursache für den Entschluss der Motorradfahrerin gesetzt, zum Unfallzeitpunkt im Bereich der Unfallstelle anzuhalten, um dort Hilfe zu leisten. Dass nach einem Verkehrsunfall Passanten oder andere Verkehrsteilnehmer erste Hilfe leisten und es hierbei zu Verletzungen kommt, ist auch kein außergewöhnlicher ‒ inadäquater ‒ Geschehensablauf. Der Umstand, dass die Verletzung nur mittelbare Folge des Unfalls war, lässt vorliegend den Schutzzweckzusammenhang nicht entfallen. Vielmehr hat der Unfallverursacher die Verletzte in die zum Unfall führende Situation gebracht.
Die Berufung wurde daraufhin zurückgenommen.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung macht deutlich: Sofern eine Rettungshandlung von billigenswerten Motiven getragen und darüber hinaus im Hinblick auf den sonst drohenden Schaden vernünftig und angemessen (nicht unverhältnismäßig) erscheint, haftet derjenige, der die Gefährdungslage in sorgfaltswidriger Weise geschaffen hat, für die Nachteile, die der Retter bei seinem Eingreifen erleidet. Das kommt insbesondere bei der Rettung von Insassen aus verunglückten Fahrzeugen in Betracht. Nur wenn die Selbstgefährdung bei einer Rettungsmaßnahme zu groß erscheint und diese daher als unvernünftig anzusehen wäre, kann erwartet werden, dass der Hilfswillige von einem Eingreifen absieht.
Zu berücksichtigen ist allerdings auch ein Mitverschulden des Geschädigten. Vorliegend war der Mitverursachungsbeitrag im Hinblick auf die Betriebsgefahr des Motorrads nach § 17 Abs. 2, Abs. 1 StVG in die Abwägung einzustellen. Das LG hatte diesen auf 30% geschätzt.