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  • · Fachbeitrag · Privathaftpflichtversicherung


    Fußball: Die Vorsatzfrage beim groben Foulspiel 


    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte


    Auch ein besonders grobes Foul beim Fußballspiel begründet für sich allein noch nicht Vorsatz für die dadurch verursachten Verletzungen beim Gegner (OLG Karlsruhe 27.9.12, 9 U 162/11, Abruf-Nr. 123089).

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe


    Der VN war beim Fußballspiel nach längerem Anlauf, ohne den Ball treffen zu können, in den Gegner hineingegrätscht und hatte diesen dabei verletzt (Wadenbeinbruch, Sprunggelenksverletzung, mehrere Bänderrisse). Er hatte ihm zuvor schon gedroht, ihm bei der nächsten Aktion die Beine zu brechen.Der VR hat Deckung abgelehnt, weil der VN den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt habe. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.


    Der VN hat mit seinem Verhalten nicht nur gegen die Regel 12 des DFB verstoßen. Sein Verhalten, das - dieser Regel entsprechend - mit einem Feldverweis geahndet wurde, liegt auch nicht mehr im Grenzbereich zwischen der im Fußball noch gerechtfertigten Härte und der auch bei sportlichen Kampfspielen unzulässigen Unfairness (vgl. OLG Düsseldorf OLGR 97, 268, 269; OLG Hamm VersR 99, 1115; NJW-RR 05, 1477; OLG Frankfurt a.M. r+s 93, 15; OLG München NJOZ 09, 2268; OLG Stuttgart NJW-RR 00, 1043; a.A. im Einzelfall OLG Hamburg VersR 02, 500). Es ist deshalb sorgfaltswidrig (vgl. BGH NJW 76, 957, 958; 10, 537, 538). Die dadurch verursachten Verletzungen sind weder durch Einwilligung des Zeugen S. noch unter dem Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr oder des sozialadäquaten Verhaltens gerechtfertigt (vgl. BGH, NJW 75, 109).


    Das OLG stimmt dem LG darin zu, dass der angreifende Spieler bei einem derart gefährlichen Einsteigen stets mit einer ernsthaften Verletzung des Gegners rechnen muss. Er darf nicht darauf vertrauen, dass alles gut gehen werde. Allerdings stellt der Senat klar, dass dieser gravierende Regelverstoß für sich genommen jedoch nur den Vorwurf der einfachen oder groben Fahrlässigkeit begründet. Auch die evidente Gefahr erheblicher Verletzungen lässt nicht auf den für § 103 VVG erforderlichen Verletzungs-, sondern allenfalls auf einen rechtlich unerheblichen Gefährdungsvorsatz schließen. 


    • Zum einen geht es nicht um einen gezielten Schlag oder eine ähnliche Tätlichkeit, die sich schon nach ihrem äußeren Bild auf eine Körperverletzung richtet (zu einem solchen Fall OLG Hamm, VersR 85, 1072), sondern um eine „Grätsche“. Die ist im Fußball üblich und durchaus auch erlaubt, solange sie dem Ball und nicht dem Gegner gilt (vgl. nur OLG Stuttgart a.a.O.). 


    • Zum anderen muss auch bei der Prüfung des Vorsatzes berücksichtigt werden, dass Fußball ein ebenso schnelles wie kampfbetontes Spiel ist, dessen Hektik und Eigenart den Spieler oft zwingt, im Bruchteil einer Sekunde Chancen abzuwägen und Risiken einzugehen (vgl. BGH NJW 76, 957, 958).


    Diese Erwägungen schließen die Annahme eines zumindest bedingten Verletzungsvorsatzes aber auch nicht aus. Im schnellen und kampfbetonten Fußballsport reichen allerdings auch diese Indizien für sich genommen noch nicht aus, um den Verletzungsvorsatz zu begründen. Entscheidend ist vielmehr die weitere Feststellung des LG, dass der Kläger dem Zeugen S. kurze Zeit vor dem Foulspiel gedroht hat, ihm bei der nächsten Aktion die Beine zu brechen. Denn diese Drohung lässt jedenfalls in der Zusammenschau mit den besonderen Umständen im äußeren Hergang des Foulspiels auf einen entsprechenden Vorsatz schließen.


    Praxishinweis


    § 103 VVG formuliert nunmehr das, was schon immer rechtens war: Der VN muss, soll der Ausschluss greifen, nicht nur den Versicherungsfall, sondern den Schaden vorsätzlich herbeigeführt haben. Dafür genügt bedingter Vorsatz. Er muss also die Gefährlichkeit seines Tuns erkannt und die eingetretenen (nicht irgendwelche!) Folgen billigend in Kauf genommen haben. 


    Es steht außer Frage, dass der VN bei einer „Blutgrätsche“ weiß, dass es zu Verletzungen des Gegners kommen kann. Problematisch ist oft die Feststellung, dass er auch die konkret eingetretenen Verletzungen billigend in Kauf genommen hat. Dies kann nur aus Indizien geschlossen werden und wird bei sehr schweren oder bei dem konkreten Verhalten nur sehr selten eintretenden Verletzungen oft zu verneinen sein. Das OLG hat, was bemerkenswert ist und für etwaige künftige Fälle im Auge behalten werden sollte, ausgeführt, dass die Schwere des Fouls allein den Verletzungsvorsatz nicht begründen kann. Andere Gerichte werden das sicher anders sehen, weil es sich im konkreten Fall, was das OLG vielleicht ohne Sachverständigen nicht geglaubt hat beurteilen zu können, um geradezu typische Verletzungsfolgen eines derartig bösen Fouls handelt, die in der gerichtlichen Praxis regelmäßig als vom Vorsatz umfasst angesehen werden. Ausnahmen nach Maßgabe des Einzelfalls sind natürlich denkbar, etwa bei Jugendlichen oder bei Taten unter Alkohol. Sehr zweifelhaft und eher zu verneinen wäre Vorsatz auch gewesen, wenn das Foul etwa zu einem (untypischen) Leber- oder Milzriss und in dessen Folge zum Tode geführt hätte. Die für den VN erkennbare Typizität entscheidet deshalb oftmals den Prozess.


    Das OLG hat Vorsatz gleichwohl bejaht, weil der VN dem Geschädigten zuvor schon angedroht hatte, ihm die Beine zu brechen. Ich halte das auch abgesehen davon, dass er ihm nicht die Beine gebrochen hat, außerhalb von direkt auf Verletzung angelegten Handlungen für weniger überzeugend. Derartige Äußerungen sind fast nie ernst gemeint und deshalb beweisrechtlich nahezu wertlos. Auch das ist aber natürlich eine Frage des Einzelfalls. Schon in Anbetracht des vorstehenden Urteils empfiehlt es sich deshalb, stets ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Äußerung nicht um eine Drohung, sondern um eine Unmutsäußerung gehandelt hat. 


    Weiterführender Hinweis


    • Sportunfall: Diese Besonderheiten müssen Sie bei der Haftungsfrage beachten (mit Checklisten): Lücke, VK 10, 29
    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 60 | ID 37997290