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  • 07.07.2009 | Unfallversicherung

    Unfallbegriff bei nicht mehr gezielter und beherrschbarer Eigenbewegung

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    Zum Unfallbegriff bei anfänglich willensgesteuerter, dann aber in ihrem weiteren Verlauf nicht mehr gezielter und beherrschbarer Eigenbewegung des VN (BGH 28.1.09, IV ZR 6/08, Abruf-Nr. 092069).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der VN, der beim VR eine Unfallversicherung unter Geltung der AUB 99 unterhielt, schleppte einen 40 kg schweren Sack. Als er einem entgegenkommenden Handwerker ausweichen wollte, trat er mit einem Fuß über den Rand des Plattenwegs auf die etwa 50 cm tiefer gelegene Grünfläche und kam zu Fall. Beim Versuch, den Sack festzuhalten, führte er eine Drehbewegung aus und verspürte noch vor dem Aufprall auf den Erdboden einen heftigen Schmerz im unteren Beckenbereich. Nach stationärer Behandlung wurde er wegen eines Bandscheibenvorfalls operiert. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien dadurch nicht behoben.  

     

    Der VN macht gegenüber dem VR bedingungsgemäße (Voll-)Invalidität geltend. Dieser lehnte jegliche Versicherungsleistung ab, weil Bandscheibenschäden vom Versicherungsschutz grundsätzlich ausgeschlossen und nur bei überwiegender Verursachung durch den Unfall erstattungspflichtig seien. Dies sei nicht der Fall, zudem liege kein Unfallereignis vor.  

     

    Die Klage hatte in den Tatsacheninstanzen Erfolg. Der BGH hat das Urteil des OLG aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen. Zwar liege ein Unfall vor, weil der zum Schaden führende Hergang nicht in vollem Umfang willensgesteuert gewesen sei. Das OLG habe aber in Anbetracht eines wenig überzeugenden und teilweise unvollständigen Sachverständigengutachtens und fehlender eigener Sachkunde nicht die überwiegende Verursachung des Vorfalls durch den Unfall feststellen dürfen. Schon gar nicht habe es den dem widersprechenden Beweisantrag des VR übergehen dürfen. Auch die mit 80 Prozent angenommene Höhe der Invalidität habe es nicht ohne Einholung von Sachkunde festsetzen dürfen. Die Gliedertaxe sei als Vergleichsmaßstab ungeeignet. Letztlich hätte das OLG nach § 156 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beschließen müssen, nachdem der VR durch die Angaben eines eingeschalteten Detektivs glaubhaft gemacht hatte, dass die Angaben des VN zu seinem Gesundheitszustand wissentlich unrichtig gewesen seien. Hierin liege der Wiederaufnahmegrund des § 580 Nr. 4 ZPO.