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  • 07.07.2011 | Unfallversicherung

    Checkliste: Tod durch Ertrinken

    von RA Nikolaos Penteridis, FA Versicherungs-, Sozial- und
    Medizinrecht, Bad Lippspringe

    Das OLG Nürnberg (19.5.11, 8 U 1906/10 - vorstehende Entscheidung) hat entschieden, dass Ertrinken stets als bedingungsgemäßer Unfall i.S.d. AUB anzusehen ist. Mögliche innere Ursachen können nach der Entscheidung nur im Rahmen der Ausschlüsse Berücksichtigung finden. Die Checkliste fasst die wichtigsten Praxisprobleme für den Fall des Todes durch Ertrinken zusammen.  

     

    Checkliste: Tod durch Ertrinken

    Unfall im Sinne der AUB  

    Tod durch Ertrinken ist ein bedingungsgemäßer Unfall i.S.d. AUB. Denn der Tod durch Ertrinken ist stets ein plötzlich von außen auf den Körper des Versicherten wirkendes Ereignis (st. Rspr., z.B. BGH MDR 77, 921; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 28. Auflage 2010, § 178 Rn. 7). Beim Ertrinken dringt Wasser in die Atemwege ein (Heine, Zum Beweiswert des histologischen und analytischen Nachweises des erweiterten Disse’schen Raums bei Ertrunkenen unter Berücksichtigung des Wassergehalts der Leber, Berlin, (med.) Diss. 2011), sodass das äußere Ereignis i.S.d. AUB das Eindringen von Wasser in den Kehlkopf ist (vgl. Knappmann, a.a.O.). Die Ursache ist dabei nicht von Bedeutung, sie ist lediglich bei möglichen Ausschlüssen zu berücksichtigen (BGH a.a.O.; OLG Stuttgart VK 07, 33).  

     

    Typisches und atypisches Ertrinken  

    Das typische Ertrinken ist dadurch gekennzeichnet, dass es dem Ertrinkenden gelingt, zwischendurch an die Wasseroberfläche zu gelangen. Dabei kann er Luft einatmen. Verbunden ist damit ein Überlebenskampf gegen das Untersinken. Im Gegensatz dazu fehlt beim atypischen Ertrinken das zwischenzeitliche „Luftschnappen“. Die Folge ist eine ständige, ununterbrochene Wassereinatmung. Beim atypischen Ertrinken sind äußere Umstände ursächlich (z.B. Fesselung, Schiffsuntergang). Zur Gruppe des atypischen Ertrinkens zählt auch der sog. Badetod. Dieser liegt vor, wenn innere Ursachen der Grund dafür sind, dass der Ertrinkende nicht auftaucht, z.B. aufgrund eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls (vgl. Heine, a.a.O.).  

     

    Beweislastverteilung  

    Nicht bewiesen werden muss die Ursache des Unfalls. Der VN muss nur das Vorliegen eines Unfalltods nachweisen, für das Vorliegen besonderer Versicherungsausschlüsse trägt der VR die Beweislast (BGH a.a.O.).  

     

    Prozessrisiken  

    Zu beachten ist beim prozessualen Vortrag, dass Grimm abweichend von der Rechtsprechung und soweit ersichtlich der übrigen Literatur der Ansicht ist, dass der Badetod kein Unfallereignis i.S.d. AUB darstelle. Hier sei die Kausalkette nicht durch ein außerhalb des Körpers stehendes Ereignis in Gang gesetzt worden (Grimm, AUB, 4. Aufl. 2006, AUB 99, § 1 Rn. 34). Zu berücksichtigen ist hierbei auch, dass das OLG Nürnberg (19.5.11, 8 U 1906/10, Seite 110 in diesem Heft) die Revision zugelassen hat. Der BGH habe seit der erwähnten Entscheidung bislang nicht entschieden, ob die oben erwähnten Grundsätze auch für das atypische Ertrinken gelten (das OLG meint wohl genauer den Badetod und damit zusammenhängend, ob der Badetod als Unfall i.S.d. AUB anzusehen ist). Je nachdem, wie entschieden wird, wird die Beweislastverteilung vorgegeben: Wird der Badetod im Gegensatz zur bisherigen h.M. nicht als Unfall i.S.d. AUB angesehen, muss der VN voll beweisen, dass keine innere Ursache die Kausalkette in Gang gesetzt hat, was die prozessuale Situation des VN entsprechend verschlechtert.  

     

    M.E. gibt es jedoch keinen Raum, den sog. Badetod nicht als Unfall i.S.d. AUB anzusehen. Insofern kann Grimm nicht zugestimmt werden. Denn der BGH hat in der erwähnten Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, dass Ertrinken stets ein Unfall ist und hat dabei keine Einschränkung vorgenommen. Auch die Auslegung der AUB kann kein anderes Ergebnis rechtfertigen. Versicherungsbedingungen sind aus Sicht eines durchschnittlichen, juristisch nicht vorgebildeten VN einer Unfallversicherung bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs auszulegen (st. Rspr., u.a. BGH VersR 93, 957), wobei zudem die Verständnismöglichkeiten und Interessen des Versicherten beachtet werden (BGH VersR 03, 720). Unter Zugrundelegung dieser Auslegungsweise ist zu beachten, dass für den VN auch beim Badetod ein äußeres Ereignis vorliegt. Denn das Wasser, welches eingeatmet wird, kommt von außen, genauso wie bei allen anderen Ertrinkungstoden, die grundsätzlich versichert sind. Die Frage, ob eine innere oder äußere Ursache die Kausalkette in Gang setzt, kann nur im Rahmen der Ausschlüsse Berücksichtigung finden. Für das Vorliegen von Ausschlüssen ist der VR beweisbelastet.  

     

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2011 | Seite 112 | ID 146609