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  • 06.08.2009 | Krankentagegeldversicherung

    Arbeitsunfähigkeit trotz möglicher Arbeitsumorganisation?

    von RiLG Dr. Sven Marlow, Berlin

    1. In der Krankentagegeldversicherung ist Maßstab für die Prüfung der Arbeitsunfähigkeit (AU) i.S.v. § 1 Abs. 3 MBKT der bisher ausgeübte Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung. Daher kann der VR den Versicherten nicht darauf verweisen, unter Kapitaleinsatz seine bisherige Tätigkeit unter geänderten Bedingungen weiterzuführen.  
    2. Jede (auch geringfügige) Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit steht einer AU entgegen. Dies begründet aber nicht ohne Weiteres stets ein außerordentliches Kündigungsrecht des VR bei gleichzeitigem Krankentagegeldbezug bzw. -begehren des Versicherten.  
    3. Der Einsatz von Detektiven ohne tatsächliche Anhaltspunkte für eine Berufsausübung ist unzulässig.  
    (BGH 20.5.09, IV ZR 274/06, Abruf-Nr. 092440)

     

    Sachverhalt

    Die VN erlitt bei einem Sturz ein Schulterengpasssyndrom. Sie kann daher keine schweren Lasten mehr anheben oder tragen. Bei ihrer Außendiensttätigkeit musste sie bisher 25 kg schwere Musterkoffer bei sich führen. Ihr Krankentagegeld-VR (MBKT 94) erbrachte zunächst Leistungen, stellte diese dann aber ein. Die VN forderte die Fortzahlung. Im Auftrag des VR wandten sich sodann zwei Detektive als vermeintliche Interessenten an die VN. Bei drei Treffen (im Umfang von 90, 45 und 30 Minuten) präsentierte die VN ihnen ihre Muster. Der VR kündigte daraufhin fristlos.  

     

    Das OLG lehnte Leistungsansprüche der VN ab: Eine nach § 1 Abs. 3 MBKT vorausgesetzte vollständige AU stehe nicht fest. Es sei der VN möglich und zumutbar, die konkrete Trage- und Hebelast etwa durch Verwendung von Trolleys zu verringern. Zudem könne sie sich ein Fahrzeug ohne Ladekante, etwa einen Kombi, anstelle ihres Cabrios mit hoher Ladekante anschaffen. Im Übrigen stünde den Krankentagegeldansprüchen die wirksame außerordentliche Kündigung des VR entgegen.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH folgte dem OLG nicht. Bedingungsgemäßer AU stehe nicht die Möglichkeit des Versicherten entgegen, durch die Umgestaltung seiner bisherigen Tätigkeit seine Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen. Das OLG habe damit eine dem Wesen der Krankentagegeldversicherung fremde Umorganisation der Arbeitsabläufe verlangt. Die Definition der AU in § 1 Abs. 3 MBKT knüpft an die konkrete berufliche Tätigkeit des Versicherten an. Der VR kann daher den Versicherten z.B. nicht auf sog. Vergleichsberufe oder gar sonstige, auf dem Arbeitsmarkt angebotene Erwerbstätigkeiten verweisen, zu denen er noch in der Lage ist. Ob der Versicherte seinem Beruf nicht mehr in der bisherigen Ausgestaltung nachgehen kann, ist durch einen Vergleich der Leistungsfähigkeit, die für die bis zur Erkrankung konkret ausgeübte Tätigkeit erforderlich ist, mit der noch verbliebenen Leistungsfähigkeit festzustellen. Das OLG hat außer Acht gelassen, dass Maßstab für die Prüfung der AU der bisherige Beruf in seiner konkreten Ausprägung ist. Der VN könne hier nicht angelastet werden, dass sie ihr Cabrio nicht durch einen Pkw mit niedrigerer Ladekante und die Musterkoffer nicht durch kleinere Koffer oder Trolleys ersetzt habe.