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  • · Fachbeitrag · Widerspruchsrecht

    Fehlende oder falsche Widerspruchsbelehrung: Widerspruch kann gegen Treu und Glauben verstoßen

    | Der BGH hält auch unter Berücksichtigung der neueren EuGH-Rechtsprechung (u. a. 24.2.22, C-143/20 und C-213/20 = NJW 22, 1513) daran fest, dass die Geltendmachung des Widerspruchsrechts gemäß § 5a Abs. 1 S. 1 VVG (hier in der Fassung vom 21.7.94) auch bei einer fehlenden oder fehlerhaften Widerspruchsbelehrung ausnahmsweise Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechen und damit unzulässig sein kann, wenn besonders gravierende Umstände des Einzelfalls vorliegen, die vom Tatrichter festzustellen sind (BGH 19.7.23, IV ZR 268/21, Abruf-Nr. 236916 ). |

     

    1. Ausschluss des Widerspruchsrechts greift nur ausnahmsweise

    Solche besonders gravierenden Umstände nimmt der BGH nur in wenigen Konstellationen an, etwa bei der Sicherungsabtretung einschließlich der Todesfallleistung in engem Zusammenhang mit dem Abschluss eines Darlehensvertrags (so BGH 27.1.16, IV ZR 130/15, Abruf-Nr. 184942). Allein der einmalige Einsatz der Lebensversicherung als Kreditsicherungsmittel ist jedoch in der Regel nicht als besonders gravierender Umstand zu werten, der dem VN die Geltendmachung seines Anspruchs verwehrt. Der Einsatz der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zur Sicherung der Rechte eines Dritten aus einem Darlehensvertrag lässt keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass der VN in Kenntnis seines Lösungsrechts vom Vertrag an diesem festgehalten und von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hätte. Hingegen kann ein schutzwürdiges Vertrauen des VR auf den Bestand des Versicherungsvertrags etwa bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrags und dessen Einsatz zur Kreditsicherung oder bei einer mehrfachen Abtretung angenommen werden (BGH 15.3.23, IV ZR 40/21, Abruf-Nr. 234603).

     

    2. Lebensversicherung als Sicherheit für ein Baufinanzierungsdarlehen

    Im vorliegenden Fall war die Ausübung des Widerspruchsrechts rechtsmissbräuchlich, weil der VN zeitgleich mit dem Versicherungsantrag alle Rechte aus der Lebensversicherung als Sicherheit für ein Baufinanzierungsdarlehen an die Bank abgetreten und dem VR die Abtretungserklärung übersandt hatte.

     

    MERKE | Allgemein gültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlerhafte Belehrung der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Widerspruchsrechts entgegensteht, können nicht aufgestellt werden. Vielmehr obliegt die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall dem Tatrichter. Auch in Fällen eines fortbestehenden Widerspruchsrechts kann die Bewertung des Tatrichters in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht.

     
    Quelle: Ausgabe 12 / 2023 | Seite 208 | ID 49671644