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  • · Fachbeitrag · Widerspruchsrecht

    Ewiges Widerspruchsrecht für vor 2008 abgeschlossene Versicherungsverträge?

    von RA Klaus-Jörg Diwo, vereidigter Buchprüfer und FA VersR, Freiburg

    | Die Entscheidung des EuGH zum Widerspruchsrecht für vor 2008 abgeschlossene Versicherungsverträge schlägt hohe Wellen. Der folgende Beitrag erläutert, was hinter der Entscheidung steckt, welche VN betroffen sind, was diese jetzt tun können und welche Perspektiven die ausstehende BGH-Entscheidung für VN bietet. |

    1. Streit um zeitliche Befristung des Widerspruchsrechts

    Im entschiedenen Fall hatte ein VN einen Rentenversicherungsvertrag zum 1.12.98 abgeschlossen. Allerdings erhielt er die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) und die Verbraucherinformation erst zusammen mit dem Versicherungsschein. Beim Vertragsschluss wurde der VN vom VR nicht hinreichend über die ihm nach der seinerzeitigen Regelung des § 5a VVG zustehenden Rechte belehrt.

     

    Erlöschen des Rücktrittsrechts ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie

    § 5a VVG sah vor, dass der VN, wenn er bei Antragstellung nicht ausreichend belehrt wurde, während eines Jahres nach Zahlung der ersten Prämie widersprechen konnte.

     

    Im Streitfall hatte der VN ab 1.12.98 über einen Zeitraum von fünf Jahren jährlich eine Versicherungsprämie zu zahlen, der VR sollte ab 1.12.11 eine Rente zahlen. Der VN kündigte den Vertrag zum 1.9.07. Der VR zahlte ihm den Rückkaufswert des Rentenversicherungsvertrags aus. Dieser war geringer als der Gesamtbetrag der bisher gezahlten Versicherungsprämien zuzüglich Zinsen.

     

    BGH zweifelt an zeitlicher Befristung des Widerspruchsrechts

    Am 31.3.08, also einige Zeit nach Abrechnung des Vertrags, übte der VN sein Widerspruchsrecht aus. Dabei wies er darauf hin, dass ihm bei Vertragsschluss im Jahr 1998 die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation nicht vorlag bzw. erst mit dem Versicherungsschein übergeben wurden. Der VR wurde aufgefordert, sämtliche Prämien nebst Zinsen unter Abzug des bereits ausgezahlten Rückkaufwerts zu bezahlen. Als sich der VR weigerte, ging der Rechtsstreit bis zum BGH. Diesem kamen Zweifel, ob die zeitliche Befristung des Widerspruchsrechts auf ein Jahr mit europäischem Recht vereinbar sei.

     

    EuGH hält Befristung des Widerspruchsrechts für unwirksam

    Der EuGH hat entschieden, dass die Befristung des Widerrufsrechts unwirksam ist und den Fall an den BGH zurückgegeben. Dessen Entscheidung steht noch aus (EuGH 19.12.13, C-209/12, Abruf-Nr. 140078).

    2. Verhaltensempfehlungen bis zur BGH-Entscheidung

    Um bis zur Entscheidung des BGH alle Rechte zu wahren, sollte der Bevollmächtigte des VN bei zwischen Mitte 1994 und Ende 2007 abgeschlossenen Versicherungsverträgen folgendermaßen vorgehen:

     

    • Er sollte rechnerisch prüfen, ob bei einem abgerechneten Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag die Auszahlungssumme geringer war als die Summe der eingezahlten Prämien zuzüglich Zinsen.

     

    • Er sollte prüfen, ob bei Vertragsschluss die AVB und die Verbraucherinformation vorlagen.

     

    • Fehlten die AVB und/oder die Verbraucherinformation bei Vertragsschluss und war der ausgezahlte Betrag geringer als die Summe der eingezahlten Prämien zuzüglich Zinsen, kann der VN unter Hinweis auf das Urteil des EuGH den Widerspruch noch ausüben.

     

    • Weist der VR den jetzt noch eingehenden Widerspruch zurück und verweigert sich einer Neuabrechnung, was sehr wahrscheinlich der Fall sein wird, sollte der VN den Verzicht auf die Einrede der Verjährung oder Verwirkung schriftlich mit dem VR vereinbaren.

     

    • Lässt sich der VR nicht darauf ein, müsste der VN Maßnahmen zur Unterbrechung der Verjährung ergreifen:

     

      • Er kann den Versicherungsombudsmann einschalten, sofern der VR dort Mitglied ist, oder aber
      • den Anspruch gerichtlich geltend machen, was allerdings mit Kosten verbunden ist.

    3. Aussichten für das Verfahren beim BGH

    Es ist keineswegs sicher, dass der BGH zu einem für die VN günstigen Ergebnis kommt. Es besteht die Möglichkeit, dass der BGH in dem noch ausstehenden Verfahren die Auffassung vertreten wird, dass

    • zumindest bei längerer Vertragsdauer das Widerspruchsrecht des VN verwirkt ist oder
    • der VN durch die Erklärung des Widerspruchs sein Recht unzulässig ausübt.

     

    Möglicherweise wird auch die Frage der Verjährung vor dem BGH eine Rolle spielen.

     

    Beachten Sie | Der BGH könnte damit dem Aspekt der Rechtssicherheit den Vorzug geben mit dem Ergebnis, dass die Beschränkung des Widerspruchsrechts auf den Zeitraum für ein Jahr zwar europarechtswidrig ist, aus Gründen der Rechtssicherheit oder des Rechtsfriedens ein Anspruch des VN auf Auszahlung der eingezahlten Prämien zuzüglich einer Verzinsung jedoch nicht besteht.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 52 | ID 42545886