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  • · Fachbeitrag · Widerruf

    Widerrufsbelehrung muss auf herauszugebende gezogene Nutzungen des VR hinweisen

    | Zur ordnungsgemäßen Belehrung im Sinne von § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VVG für den Fall, dass der Versicherungsschutz nicht vor dem Ende der Widerrufsfrist beginnt, gehört neben dem Hinweis auf die Rückgewähr empfangener Leistungen auch der Hinweis auf die herauszugebenden gezogenen Nutzungen. |

    1. Widerrufsfrist beträgt nach Gesetz 14 Tage

    Nach § 8 Abs. 1 VVG kann der VN seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Manche VR gewähren sogar noch eine deutlich längere Widerrufsfrist, oft 30 Tage. Der Widerruf ist in Textform gegenüber dem VR zu erklären und muss keine Begründung enthalten. Die Frist ist gewahrt, wenn der Widerspruch rechtzeitig abgesendet wird.

    2. Frist läuft erst bei ordnungsgemäßer Belehrung

    Oft möchte der VN den Vertrag aber erst lange nach Ablauf dieser Frist widerrufen. Die Gründe hierfür können vielfältig sein. Sie reichen von Vertragsreue bis hin zu finanziellen Engpässen.

     

    In diesen Fällen kann § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VVG dem VN helfen. Danach beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen, wenn der VR den VN nicht ordnungsgemäß über die Rechtsfolgen des Widerrufs belehrt hat.

     

    Nach § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VVG setzt der Beginn der Widerrufsfrist den Zugang einer deutlich gestalteten Belehrung über das Widerrufsrecht und über die Rechtsfolgen des Widerrufs, die dem VN seine Rechte deutlich machen, voraus. Es muss klargestellt werden, in welcher Konstellation welche gegenseitigen Ansprüche bestehen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist dabei die abstrakt-generelle Darstellung des vorzunehmenden Ausgleichs (BGH 12.3.14, IV ZR 295/13, Abruf-Nr. 140888).

    3. Belehrung über Rechtsfolgen des Widerrufs

    Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG ist der VN auch über die Rechtsfolgen eines Widerrufs zu belehren.

     

    Damit dem VN klar ist, in welcher Konstellation welche gegenseitigen Ansprüche bestehen und somit welche wirtschaftlichen Folgen der Widerruf für ihn hat, muss er zumindest über seine wesentlichen Rechte informiert werden. Zu diesen zählt bei einer möglichen Geltung der allgemeinen Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt (§ 357 Abs. 1 S. 1 BGB a. F. i. V. m. §§ 346 ff. BGB),

     

    • dass der VR gemäß § 346 Abs. 1 Fall 1 BGB gezahlte Prämien zurückzahlen muss,
    • dass der VR gegebenenfalls gezogene Nutzungen nach § 346 Abs. 1 Fall 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB herausgeben muss (vgl. BGH 12.4.07, VII ZR 122/06, Abruf-Nr. 071363; OLG Karlsruhe VersR 19, 865; Heinig/Makowsky in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. § 8 Rn. 50).

     

    a) VR muss auf Nutzungsherausgabeanspruch hinweisen

    Der BGH verweist in einer aktuellen Entscheidung noch einmal ausdrücklich darauf, dass zur ordnungsgemäßen Belehrung im Sinne von § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VVG auch der Hinweis auf die herauszugebenden gezogenen Nutzungen gehört (BGH 11.10.23, IV ZR 40/22, Abruf-Nr. 238108).

     

    Diese Ansicht sieht der BGH darin bestätigt, dass zum 11.6.10 ein Hinweis auf diesen Anspruch in die Musterwiderrufsbelehrung nach der Anlage zu § 8 Abs. 5 S. 1 VVG a. F. aufgenommen wurde. Das Muster über die Widerrufsbelehrung kann auch schon für die Zeit davor als rechtlich unbedenkliche Empfehlung des Gesetzgebers Verwendung finden (vgl. BGH 27.3.19, IV ZR 132/18, VersR 19, 604, Rn. 13).

     

    b) Hinweis auf die Rechtsfolgen in § 9 Abs. 1 VVG reicht nicht

    Die Pflicht zur Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs kann sich nicht auf die in § 9 Abs. 1 VVG genannten Rechtsfolgen beschränken. Dort ist nur ein Teil der möglichen Rechtsfolgen geregelt, die unter den dort genannten Voraussetzungen eintreten, während ansonsten die allgemeinen Regeln des BGB gelten. Nur im Rahmen ihres Anwendungsbereichs verdrängen § 9 Abs. 1, § 152 Abs. 2 VVG die im BGB enthaltenen allgemeinen Vorschriften über die Widerrufsfolgen (vgl. BGH 13.9.17, IV ZR 445/14, Abruf-Nr. 196918).

     

    c) Beginn des Versicherungsschutzes vor Ablauf der Widerrufsfrist

    Über die Rechtsfolgen des Widerrufs nach § 346 BGB i. V. m. § 357 BGB a. F. muss auch belehrt werden, wenn aufgrund der Zustimmung des VN zu einem Beginn des Versicherungsschutzes vor Ablauf der Widerrufsfrist bereits feststeht, dass sich die Rechtsfolgen des Widerrufs nach § 9 Abs. 1, § 152 VVG richten.

     

    Zwar kann der fehlende Hinweis auf bestimmte, im Gesetz vorgesehene Rechtsfolgen des Widerrufs unschädlich sein, wenn diese für den konkreten Versicherungsvertrag rechtlich ausgeschlossen sind (vgl. BGH 14.5.14, IV ZA 5/14, VersR 14, 824 Rn. 16). Ein Hinweis auf die geschuldete Herausgabe der gezogenen Nutzungen für den Fall, dass der Versicherungsschutz nicht vor dem Ende der Widerrufsfrist beginnt, ist aber nicht deshalb entbehrlich, weil zum Zeitpunkt der Belehrungserteilung bereits alle Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von § 9 Abs. 1, § 152 VVG vorgelegen haben und deshalb eine Herausgabe von Nutzungen nach §§ 346 ff. BGB nicht mehr hätte geschuldet werden können.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 02 / 2024 | Seite 29 | ID 49811281