· Fachbeitrag · Immobiliarvollstreckung
Zwangsräumung nach Zuschlagsbeschluss vs. Besitzrecht eines Dritten
| Der Gläubiger ist im Besitz eines Zuschlagsbeschlusses. Der Schuldner wohnt auf dem Grundstück. Ebenfalls dort ansässig ist der Vater des Schuldners, der dort einen Firmensitz mit Verkaufsräumen hat. Dem Gläubiger ist nicht bekannt, ob der Vater dort aufgrund eines Mietverhältnisses mit dem Schuldner wohnt oder ob ihm die Nutzung unentgeltlich überlassen wurde. Wie kann er nun gegen beide vollstrecken? Ist eine Klauselerweiterung auf den Vater möglich? Oder muss er das nicht bekannte Nutzungsverhältnis kündigen, auf Räumung klagen und kann erst dann gegen den Vater vollstrecken? Was würde in diesem Fall mit der Vollstreckung ggü. dem Eigentümer geschehen? Der folgende Beitrag hat die Antworten. |
1. Vollstreckung aus Zuschlagsbeschluss
Mit dem Zuschlagsbeschluss (§ 90 ZVG) geht unmittelbar der Räumungs- und Herausgabeanspruch auf den Ersteher über (§ 93 Abs. 1 S. 1 ZVG). Der Beschluss ist vollstreckbar gegen den Schuldner (Alteigentümer) und alle Personen, die von dessen Besitzrecht ihr Nutzungsrecht ableiten. Es braucht daher keines gesonderten Räumungstitels, solange die Nutzung vom Schuldner abgeleitet ist (§ 93 Abs. 1 ZVG). Folge: Die Vollstreckung erfolgt durch den Gerichtsvollzieher (GV) auf Antrag auf Räumung gemäß § 885 ZPO.
2. Problem: Dritte Person auf dem Grundstück
Vorliegend ist eine Person betroffen, die nicht Schuldner ist. Dabei ist zu klären:
- Ist der Vater Besitzer? Das ist anzunehmen, wenn er dort ‒ wie geschildert ‒ Gewerberäume mit eigenem Firmensitz betreibt.
- Leitet er den Besitz vom Schuldner ab?
- Das ist der Fall, wenn er z. B. Mieter, Untermieter oder bloß zur Nutzung berechtigt ist.
- Das ist nicht der Fall, wenn ein eigenes Besitzrecht unabhängig vom Schuldner besteht (z. B. eigener Mietvertrag mit Vorbesitzer oder Duldung durch Ersteher).
3. Kann gegen Dritten vollstreckt werden?
Das hängt davon ab, ob er den Besitz vom Schuldner ableitet:
- Alternative 1: Besitzrecht wird vom Schuldner abgeleitet (z. B. Miete, Leihe). In diesem Fall kann sofort, also ohne separaten Räumungstitel, durch den GV mit dem Zuschlagsbeschluss geräumt werden. Eine Klauselerweiterung auf den Dritten ist allerdings nur möglich, wenn der Gläubiger nachweisen kann, dass der Dritte zum Zeitpunkt des Zuschlagsbeschlusses Mitbesitzer oder Besitzer war. Dies kann z. B. durch Eintragungen im Verkehrswertgutachten oder Meldebescheinigungen erfolgen. Der Nachweis muss gegenüber dem Vollstreckungsgericht geführt werden. Ohne diesen Nachweis ist eine Klauselerweiterung nicht möglich.
- Alternative 2: Besitzrecht wird nicht vom Schuldner abgeleitet. Hier benötigt der Gläubiger einen separaten Räumungstitel. Er muss Räumungsklage gegen den Dritten erheben. Der Zuschlagsbeschluss reicht nicht, da der GV den Besitzrechtsschutz des Dritten wahren muss (vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 ZVG).
Beachten Sie | Wird der Miet- bzw. Pachtvertrag vor Zuschlagserteilung abgeschlossen, der Besitz an der Miet-, Pachtsache aber erst danach erlangt, kann der Besitzer (Vater) sich nicht auf § 93 Abs. 1 S. 2 ZVG berufen. Vor diesem Hintergrund stellt der BGH (VE 25, 82) nämlich klar, dass der Besitzer, gegen den aus dem Zuschlagsbeschluss die Zwangsvollstreckung auf Räumung und Herausgabe betrieben wird und der dann ein durch den Zuschlag nicht erloschenes Recht geltend macht, dem Vollstreckungsgericht zumindest Anhaltspunkte darlegen muss, die sein Besitzrecht zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung nahelegen. Kann dies nicht erfolgen, kann der Gläubiger beantragen, dass die Vollstreckungsklausel aus dem Zuschlagsbeschluss gegen den Dritten erteilt wird und der GV daraufhin räumen kann.
4. Handlungsempfehlungen für Gläubiger
Bereits im Vorfeld sollten Sie untersuchen, ob der Dritte ein Besitzrecht behaupten kann. Im Zweifel sollte das Gericht ggf. anwesende Dritte hierzu im Versteigerungstermin befragen. Dazu kann die 30-minütige Bietstunde genutzt werden. Mögliche Mietzahlungen, Mietverträge und sonstige Besitznachweise des Dritten sollten Sie ebenfalls prüfen und dokumentieren.
Ist das Nutzungsverhältnis (Miete, Untermiete, unentgeltliche Überlassung) unklar, kann gegen den Dritten nicht einfach vollstreckt werden. In diesem Fall muss das Nutzungsverhältnis ‒ etwa durch Kündigung ‒ beendet und anschließend eine separate Räumungsklage erhoben werden. Erst mit einem Räumungsurteil gegen den Dritten kann auch gegen ihn vollstreckt werden.
Im o. g. Fall (Besitz unklar) kann der Gläubiger bei der Räumung zunächst mitbeantragen, dass auch gegen den Vater geräumt wird. Wenn der GV auf den Besitzschutz hinweist oder der Vater aktiv widerspricht, muss der Gläubiger eine Räumungsklage gegen den Vater erheben (Antrag auf Herausgabe nach § 985 BGB, wenn er kein Besitzrecht nachweist). Parallel kann über das Vollstreckungsgericht ggf. eine Klauselerweiterung beantragt werden, wenn der Gläubiger den Besitz ableitbar machen kann. Insofern ist die o. g. BGH-Entscheidung (VE 25, 82) zugunsten des Gläubigers zu beachten.
Checkliste / So übersehen Sie nichts | |
Dritte (Vater) nutzt Grundstück mit | Besitzverhältnis prüfen |
Besitz vom Schuldner abgeleitet | Vollstreckung gegen Dritten aus Zuschlagsbeschluss möglich |
Besitz unklar | Klauselerweiterung beantragen (ggf. eidesstattliche Versicherung nötig) |
Besitz nicht vom Schuldner abgeleitet | Räumungsklage gegen Vater; ggf. Klauselerteilung gegen Dritten, wenn Besitz erst nach Zuschlag erlangt wurde (BGH VE 25, 82) |
Schuldner selbst | Direkt Räumung aus Zuschlagbeschluss |