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  • · Fachbeitrag · Gerichtsvollziehervollstreckung

    Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners durch Gerichtsvollzieher

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    Der Gerichtsvollzieher muss durch zumutbare Maßnahmen den Aufenthaltsort des Schuldners ermitteln, sofern dessen Wohnsitz in einem Mehrparteienhaus gemeldet ist und sich vor Ort kein entsprechender Name an Briefkasten oder Klingelschild befindet (AG Bremen 11.6.14, 243 M 430663/14, Abruf-Nr. 142119).

     

    Sachverhalt

    Ein typischer Praxisfall: Der Gläubiger beauftragt den Gerichtsvollzieher mit der Sachpfändung und benennt die ladungsfähige Anschrift des Schuldners. Der Gerichtsvollzieher versucht dem Schuldner die Zwangsvollstreckung zu einem bestimmten Zeitpunkt anzukündigen. Dieses Schreiben kann dort jedoch nicht zugestellt werden. Daraufhin ersucht der Gerichtsvollzieher die Zentrale Meldebehörde um Auskunft hinsichtlich des aktuellen Aufenthaltsorts des Schuldners. Diese erteilt ihm die Information, dass der Schuldner unter der vom Gläubiger bezeichneten Anschrift - als alleiniger Wohnsitz - weiterhin gemeldet ist. Daraufhin unterbleiben weitere Maßnahmen zur Ausführung des Vollstreckungsauftrags. Vielmehr wird regelmäßig durch den Gerichtsvollzieher mitgeteilt, dass der Schuldner vor Ort nicht zu ermitteln sei; weder an der Klingelleiste, noch an den Briefkästen habe sich ein Namensschild befunden. Hausbewohner seien nicht angetroffen worden. Einem vor Ort anwesenden Postzusteller sei der Schuldner nicht bekannt gewesen.

     

    Das AG sah in dieser Tätigkeit des Gerichtsvollziehers ein Fehlverhalten und ordnete an, dass dieser die Zwangsvollstreckung mit der Begründung des unbekannten Aufenthalts des Schuldners nicht ohne Weiteres einstellen darf. Gerade bei einem Mehrfamilienhaus trifft den Gerichtsvollzieher vielmehr die Pflicht zur Erkundung, ob der unter der Anschrift offiziell gemeldete Schuldner in dem Haus tatsächlich wohnhaft ist. Er muss insbesondere durch Befragung des Vermieters oder Hauswirts ermitteln, ob der Schuldner verzogen ist oder das Mietverhältnis andauert; gegebenenfalls sind Nachbarn zu befragen (AG Tettnang DGVZ 10, 19; AG Hannover DGVZ 77, 26).

     

    MERKE | Zwar wird vertreten, dass der Vollstreckungsauftrag mit der Feststellung, dass der Schuldner unbekannt verzogen sei, durchgeführt wäre (AG Leipzig DGVZ 04, 46). Eine derartige Feststellung hat der Gerichtsvollzieher jedoch nicht zweifelsfrei getroffen. Denn es wurde gerade nicht positiv ermittelt, dass unter der weiterhin aktuellen Schuldneranschrift ein neuer Mieter lebte.

     

    Das AG stellt deutlich klar:

    • Zwar kann vom Gerichtsvollzieher angesichts des hohen Arbeitsaufwands nicht verlangt werden, detektivisch tätig zu werden. Offenkundigen Anhaltspunkten und mühelos feststellbaren Äußerlichkeiten ist aber nachzugehen.

     

    • Wegen § 755 ZPO besteht seit dem 1.1.13 eine erweiterte Verpflichtung zur Aufenthaltsermittlung. Zwar formuliert die Vorschrift Rechte des Gerichtsvollziehers („darf“). Hiermit korrespondieren jedoch auch entsprechende Pflichten i.S. einer pflichtgemäßen Ermessensausübung. Wenn der Gerichtsvollzieher ermächtigt bzw. verpflichtet sein kann, die aktuelle Schuldneranschrift über bestimmte Behörden ermitteln zu lassen, ist er erst recht berechtigt bzw. verpflichtet, die offiziell gültige Meldeadresse selbst zu überprüfen.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung bringt die bestehende Problematik auf den Punkt, da andernfalls das Risiko besteht, dass sich jeder Schuldner denkbar einfach der Zwangsvollstreckung entziehen könnte: Er müsste lediglich seinen Namen von Klingelschild und Briefkasten entfernen oder durch einen Aliasnamen (Müller, Meyer, Schulze) ersetzen. Im Gegensatz zum Gerichtsvollzieher verfügt der Gläubiger darüber hinaus auch über keine staatliche Autorität. Dritte sind daher dem Gläubiger und dem Gerichtsvollzieher nicht auskunftspflichtig. Daher kann es nicht Aufgabe des - oft auswärtigen - Gläubigers sein, die Meldeanschrift zu überprüfen. Außerdem ist dem Gerichtsvollzieher meist die Person des jeweiligen Hauseigentümers/Vermieters bekannt.

     

    Hinzu kommt: Angesichts des offensichtlichen Mietnotstands erscheint es unwahrscheinlich, dass Schuldnerwohnungen leer stehen. Möglicherweise wird ein etwaiger Nachmieter Kenntnisse vom Verbleib des Schuldners haben, sollte dieser tatsächlich verzogen sein. In diesem Fall dürfte der Vermieter wegen des Kautionsrückzahlungsanspruchs des Schuldners (mit neuer Absenderadresse) kontaktiert worden sein oder demnächst kontaktiert werden. Dem ist dann durch den Gerichtsvollzieher nachzugehen.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 131 | ID 42768767