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  • 01.09.2025 · IWW-Abrufnummer 249949

    Oberlandesgericht Hamburg: Beschluss vom 29.07.2025 – 7 WF 69/23

    Zu den Anforderungen an einen vollstreckungsfähigen Titel gem. § 888 ZPO in einem protokollierten Vergleich im Rahmen der Auskunftsstufe einer Folgesache in einem laufenden Scheidungsverfahren:

    1. Wird im Rahmen eines protokollierten Vergleiches hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung des Ehegatten auf den Auskunftsantrag des Stufenantrages, mit dem die Folgesache nachehelicher Unterhalt eingeleitet worden ist, Bezug genommen, ohne dass der die Folgesache einleitende Schriftsatz zusätzlich als Anlage zu Protokoll genommen wird, liegt mangels hinreichender Bestimmtheit kein vollstreckungsfähiger Titel vor, da die Auskunftsverpflichtung nicht allein anhand des Titels, sondern nur nach Rückgriff auf die Gerichtsakten bestimmt werden kann.

    2. Enthält ein zur Erledigung der Auskunftsstufe eines Stufenantrages, mit dem die Folgesache Güterrecht eingeleitet worden ist, protokollierter Vergleich hinsichtlich der Belegvorlageverpflichtung des Ehegatten lediglich die Verpflichtung, nach Auskunftserteilung diese durch Vorlage stichtagsbezogener Belege nachzuweisen, fehlt es an einem vollstreckungsfähigen Inhalt, da die einzelnen Belege, die der Ehegatte vorzulegen hat, nicht konkret bezeichnet sind.


    Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 29.07.2025, Az. 7 WF 69/23

    Tenor:

    1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese - Familiengericht - vom 4.10.2023, Az. 552 F 94/18, abgeändert und der Antrag der Antragsgegnerin auf Verhängung eines Zwangsgeldes abgewiesen.

    2. Die erstinstanzlichen Kosten sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

    3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 500 € festgesetzt.

    Gründe
    I.

    Die Beteiligten streiten im Rahmen des Scheidungsverfahrens sowohl in der Folgesache Güterrecht als auch in der Folgesache nachehelicher Unterhalt um die Verhängung eines Zwangsgeldes gemäß § 888 ZPO.

    Die Antragsgegnerin hat die beiden Folgesachen jeweils mit einem Stufenantrag anhängig gemacht. Im Rahmen der mündlichen Anhörung am 11.1.2022 schlossen die Beteiligten zur Erledigung der Auskunftsstufen in beiden Folgeverfahren folgende Vereinbarung:

    1. Beide Beteiligten verpflichten sich, in der Folgesache nachehelicher Unterhalt Auskunft zu erteilen entsprechend Ziffer I des Auskunftsantrags im Schriftsatz vom 16.3.2020 unter der Maßgabe, dass unter Ziffer 1 Auskunft erteilt wird bis einschließlich Dezember 2021, in den Ziffern 2 bis 7 Auskunft erteilt wird bis einschließlich 2020 und in Ziffer 8 zum Stand des Vermögens zum 31. Dezember 2020.

    2. Beide Beteiligten verpflichten sich, in der Folgesache Zugewinnausgleich Auskunft zu erteilen über den gesamten Vermögensbestand zum Stichtag für das Anfangsvermögen am 1. Oktober 1999 sowie zum Stichtag für das Endvermögen am 13. Dezember 2018 durch Vorlage vollständiger, systematisch geordneter Verzeichnisse unter Angaben sämtlicher Aktiva und Passiva sowie sämtlicher wertbildender Faktoren zu den einzelnen Vermögenspositionen; zur Auskunft gehören auch etwaige Zurechnungen zum Anfangsvermögen. Die Auskunft ist durch Vorlage stichtagsbezogener Belege nachzuweisen.

    Das Protokoll der mündlichen Anhörung wurde der Antragsgegnerin am 11.2.2022 und dem Antragsteller am 14.2.2022 zugestellt. Dem Protokoll sind keine weiteren Anlagen beigefügt worden.

    In der Folgezeit wurden Auskünfte zunächst lediglich durch die Antragsgegnerin erteilt.

    Mit Antrag vom 5.10.2022 hat die Antragsgegnerin beantragt, gegen den Antragsteller Ordnungsgelder festzusetzen.

    Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 6.1.2023 wurde für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 und 2 des protokollierten Vergleichs vom 11.1.2022 die Verhängung eines Ordnungsgeldes oder Ordnungshaft angedroht.

    Während des laufenden Vollstreckungsverfahrens hat der Antragsteller diverse Auskünfte erteilt. Die Antragsgegnerin hielt gleichwohl an ihrem Antrag auf Verhängung eines Ordnungsgeldes fest. Sie vertrat die Ansicht, dass der Antragsteller weiterhin nicht die geschuldeten Auskünfte erteilt habe.

    Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 4.10.2023 wurde gegen den Antragsteller zur Erzwingung der ihm durch die gerichtliche protokollierte Vereinbarung vom 11.1.2022 auferlegte Auskunftsverpflichtung in beiden Folgesachen ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 € festgesetzt.

    Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 5.10.2023 zugestellt.

    Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde vom 19.10.2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag.

    Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Blankenese vom 20.11.2023 wurde der sofortigen Beschwerde des Antragstellers nicht abgeholfen.

    II.

    Die gemäß §§ 793, 567 ZPO, 120 Abs. 1 FamFG zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsstellers ist begründet.

    1. Zu Recht hat das Familiengericht den Antrag der Antragsgegnerin auf Verhängung von Ordnungsmitteln als Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft gemäß § 888 ZPO ausgelegt.

    2. Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Zwangsmittels gemäß § 888 ZPO sind jedoch nicht gegeben, da weder in der Folgesache Güterrecht noch in der Folgesache nachehelicher Unterhalt ein vollstreckungsfähiger Titel gem. § 888 ZPO vorliegt.

    a) Ein Vollstreckungstitel ist hinreichend bestimmt und zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn er den Anspruch des Gläubigers ausweist und Inhalt und Umfang seiner Leistungspflicht bezeichnet. Das Vollstreckungsorgan muss in der Lage sein, allein mit dem Titel ohne Verwertung der Gerichtsakten oder anderer Urkunden die Vollstreckung durchzuführen (BGH ZEV 2013, 332 [BGH 27.02.2013 - IV ZR 42/11] Rn. 17; BGH NJW-RR 2014, 1210 [BGH 13.03.2014 - I ZB 60/13] Rn. 10). Der Zeitraum, auf den sich eine Auskunfts- und Rechnungslegungsverpflichtung bezieht, muss sich dabei - ggf. mittels Auslegung der tatbestandlichen Feststellungen und Entscheidungsgründe des Titels - klar feststellen lassen (BGH BeckRS 2023, 15484 Rn. 17). Die vorzulegenden Belege sind so bestimmt zu benennen, dass sie im Falle der Zwangsvollstreckung vom Gerichtsvollzieher allein anhand des Titels aus den Unterlagen des Auskunftspflichtigen ausgesondert und dem Berechtigten übergeben werden können. Dazu ist es nicht nur erforderlich, dass im Titel die Art der vorzulegenden Belege bezeichnet ist, sondern auch der Zeitraum, auf den sich die Vorlageverpflichtung erstreckt (BGH NJW-RR 2021, 451 [BGH 10.02.2021 - XII ZB 376/20] Rn. 15; BGH JW-RR 2019, 961 Rn. 14; vgl. auch BGH ZEV 2024, 757 [BGH 18.04.2024 - III ZB 72/23]).

    b) Nach diesen Maßstäben ist der protokollierte Vergleich vom 11. Januar 2022 sowohl in Bezug auf Ziffer 1 als auch in Bezug auf die Belegvorlageverpflichtung gem. Ziffer 2 unbestimmt und daher nicht vollstreckungsfähig.

    Im Einzelnen:

    aa) In der Folgesache nachehelicher Unterhalt ist die Auskunfts- und Belegvorlageverpflichtung des Antragstellers nicht hinreichend bestimmt, da weder die Auskunftsverpflichtung noch die Belegvorlageverpflichtung allein anhand des Titels bestimmt werden kann. Ein Zwangsmittel kann daher nicht darauf gestützt werden, dass der Antragsteller seinen Auskunfts- und Belegvorlageverpflichtungen zum Teil nicht nachgekommen ist.

    Der Titel in Form des Vergleichs vom 11.1.2022 zu Ziffer 1 nimmt Bezug auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 16.3.2020, mit dem diese den Stufenantrag zur Folgesache nachehelicher Unterhalt eingereicht hat. Dieser Schriftsatz wurde jedoch nicht als Anlage zum Protokoll vom 11. Januar 2022 genommen, sodass Inhalt und Umfang der Leistungsverpflichtung des Antragstellers von einem Vollstreckungsorgan allein anhand des Titels gerade nicht festgestellt werden können. Ein Vollstreckungsorgan müsste zusätzlich auf die Gerichtsakten zurückgreifen, um Kenntnis von Inhalt und Umfang der Leistungsverpflichtung zu erlangen. Der Titel ist daher zur Zwangsvollstreckung nicht geeignet.

    bb) In der Folgesache Güterrecht ist die Belegvorlageverpflichtung des Antragstellers ebenfalls nicht hinreichend bestimmt. Soweit der Titel in Form des Vergleichs vom 11.01.2022 zu Ziffer 2 neben der Auskunftsverpflichtung eine Belegvorlageverpflichtung des Antragstellers dahingehend beinhaltet, dass die Auskunft durch Vorlage stichtagsbezogener Belege nachzuweisen ist, fehlt es in Bezug auf die Belegvorlageverpflichtung an einem vollstreckungsfähigen Inhalt. Ein Zwangsmittel kann daher nicht darauf gestützt werden, dass der Antragsteller seiner Belegvorlageverpflichtung zum Teil nicht nachgekommen ist.

    Belege, die ein Auskunftspflichtiger vorlegen soll, müssen in dem Titel bezeichnet und daher jedenfalls in den Entscheidungsgründen konkretisiert werden (BGH NJW-RR 2020, 1137 = FamRZ 2020, 1572 Rn. 11 und BGH NJW-RR 2019, 961 = FamRZ 2019, 1442 Rn. 14 mwN). Die vorzulegenden Belege sind im Entscheidungsausspruch so bestimmt zu benennen, dass sie im Falle einer Zwangsvollstreckung vom Gerichtsvollzieher aus den Unterlagen des Auskunftspflichtigen ausgesondert und dem Berechtigten übergeben werden können (BGH NJW-RR 2020, 1137 = FamRZ 2020, 1572 Rn. 11). Hierzu ist es nicht nur erforderlich, dass in dem Titel die Art der vorzulegenden Belege bezeichnet ist, sondern auch der Zeitraum, auf den sich die Vorlageverpflichtung erstreckt. Diese Unterlagen und die maßgeblichen Zeiträume sind daher im Beschlusstenor konkret zu bezeichnen oder müssen sich jedenfalls unter Heranziehung der Entscheidungsgründe in einem möglichen Vollstreckungsverfahren von dem Vollstreckungsorgan im Wege der Auslegung feststellen lassen (vgl. BGH NJW-RR 2019, 961 [BGH 03.07.2019 - XII ZB 116/19] mwN; vgl. insgesamt auch BGH NJW-RR 2021, 451 [BGH 10.02.2021 - XII ZB 376/20] Rn. 15).

    Da vorliegend der Titel lediglich pauschal eine Belegvorlageverpflichtung beinhaltet, ohne jedoch die einzelnen Belege, die der Antragsteller vorlegen soll, konkret zu bezeichnen, fehlt es nach vorgenannten obergerichtlichen Maßstäben an einer hinreichenden Bestimmtheit des Titels.

    Die genaue Bezeichnung der vorzulegenden Belege und Unterlagen ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil diese möglicherweise für die Beteiligten in Anbetracht der mündlichen Verhandlung oder des bisherigen Vortrages erkennbar gewesen wären, denn entscheidend ist, wie ausgeführt, ob ein Vollstreckungsorgan im Rahmen einer Zwangsvollstreckung aufgrund des Titels erkennen kann, auf welche Unterlagen sich die Vorlageverpflichtung erstreckt. Dies ist vorliegend nicht der Fall (vergleiche BGH NJW-RR 2021, 451 [BGH 10.02.2021 - XII ZB 376/20] Rn. 15).

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 120 Abs. 1 FamFG, 891 S. 3, § 91 Abs. 1 ZPO analog.

    Die Festsetzung des Verfahrenswertes des Beschwerdeverfahrens beruht auf §§ 40 Abs. 1, 42 FamFG.

    RechtsgebietFamilienrechtVorschriften§ 888 ZPO