09.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242579
Landgericht Bonn: Beschluss vom 13.05.2024 – 6 T 56/24
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Bonn, Beschluss vom 13.05.2024, Az. 6 T 56/24
Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zu 1) A. vom 20.03.2024 wird der Beschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 05.03.2024 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten - an das Amtsgericht zurückverwiesen.
1
Gründe:
2
I.
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Die Gläubigerin zu 1) begehrt die Zwangsversteigerung aus der notariellen Urkunde des Notars K vom 21.06.2022 (UR.-Nr.: 00/0000) nebst Vollstreckungsklausel gemäß § 724 ZPO vom 28.06.2022 und Zustellungsurkunde vom 14.12.2023. Darin bestellte der Schuldner der Gläubigerin zu 1) eine Sicherungsgrundschuld und erklärte, dass dem Gläubiger ohne Nachweis der das Bestehen und die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung begründenden Tatsachen eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilt werden kann.
4
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Beitrittsantrag der Gläubigerin zu 1) mit der Begründung zurückgewiesen, die Geltendmachung der Grundschuld sei nach § 1193 BGB erst sechs Monate nach deren Kündigung zulässig, was vom Vollstreckungsgericht nach § 751 Abs. 1 ZPO zu beachten sei. Gegen diesen ihr am 06.03.2024 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin zu 1) am 20.03.2024 sofortige Beschwerde eingelegt.
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II.
6
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zu 1) vom 20.03.2024 ist zulässig und begründet, so dass der Beschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 05.03.2024 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Beitrittsantrag der Gläubigerin zu 1) zurückzuverweisen ist. Das Amtsgericht hat den Beitrittsantrag der Gläubigerin zu 1) zu Unrecht unter Hinweis auf die fehlende Kündigung der Sicherungsgrundschuld aufgehoben und kann bei seiner erneuten Sachentscheidung den Antrag der Gläubigerin zu 1) nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückweisen (§ 572 Abs. 3 ZPO).
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Zwar ist bei der Vollstreckung aus einer Sicherungsgrundschuld zur Fälligkeit der Grundschuld die Vorschrift des § 1193 BGB zu beachten. Danach muss eine Kündigungsfrist von sechs Monaten eingehalten werden. Der Nachweis der Kündigung der Grundschuld ist durch den Gläubiger zur Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde gemäß § 726 Abs. 1 ZPO zu erbringen.
8
Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Beschluss vom 28.042022 ‒ V ZB 12/20 ‒, juris und BGH, Beschluss vom 07.10.2022 ‒ VII ZB 56/18 -, juris) darf der Grundstückseigentümer bei der Grundschuldbestellung mit Unterwerfungserklärung aber einen Nachweisverzicht hierzu erklären, so dass die vollstreckbare Ausfertigung ‒ wie vorliegend unter dem 28.06.2022 erfolgt - ohne Kündigungsnachweis erteilt werden kann. Soweit streitig ist, ob das Vollstreckungsgericht den Ablauf der Kündigungsfrist des § 1193 Abs. 1 S. 3 BGB zu prüfen hat (vgl. zum Streitstand Prof. Ulrich Keller in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht - Kommentar, § 7 Eintragungen in Abteilung III des Grundbuchs, Rn. 68 m.w.N.), steht dem entgegen, dass die materielle Bedingung durch die Zulässigkeit eines solchen Nachweisverzichts ihren Charakter als Vollstreckungsbedingung verliert (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 07.10.2022 ‒ VII ZB 56/18 -, juris, Rn. 17). Ausschlaggebend ist vielmehr, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, der sich die Kammer anschließt, die materielle Rechtmäßigkeit einer von einem Notar erteilten einfachen Vollstreckungsklausel nach § 724 ZPO vom Vollstreckungsgericht nicht zu überprüfen ist. Denn die vollstreckbare Ausfertigung bindet die Vollstreckungsorgane hinsichtlich Bestand und Vollstreckbarkeit des Titels. Durch die Vollstreckungsorgane wird lediglich geprüft, ob die Vollstreckungsklausel vorhanden und ob sie von dem zuständigen Beamten formgerecht erteilt worden ist. Da aber die Überprüfung der Erteilung einer einfachen Vollstreckungsklausel von einem Notar aufgrund eines notariellen Nachweisverzichts (anstelle einer qualifizierten Vollstreckungsklausel nach Vorlage entsprechender Nachweise) allein die materielle Rechtmäßigkeit der einfachen Vollstreckungsklausel betrifft und selbst eine materiell zu Unrecht erteilte Vollstreckungsklausel keinen schwerwiegenden, der Anordnung der Zwangsversteigerung entgegenstehenden Mangel begründete, kann die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts Siegburg keinen Bestand haben.
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Schließlich berechtigte auch die Vorschrift des § 751 Abs. 1 ZPO, nach der die Zwangsvollstreckung, falls die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages abhängig ist, nur beginnen darf, wenn der Kalendertag abgelaufen ist, das Amtsgericht nicht zu einer Ablehnung des Beitrittsantrags der Gläubigerin. Die Geltendmachung des Anspruchs ist nämlich nur dann von einem bestimmten Kalendertag abhängig, wenn sich der betreffende Tag allein mit dem Kalender ermitteln lässt. Wenn dagegen zur Ermittlung des Tages andere Umstände heranzuziehen sind, ist der Fälligkeitstag ungewiss; es handelt sich dann um einen Fall des § 726 ZPO. Dementsprechend ist der Eintritt der Fälligkeitsvoraussetzungen des § 1193 Abs. 1 BGB keine Bedingung für den Vollstreckungsbeginn i.S.v. § 751 Abs. 1 ZPO (vgl. Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 751 Rn. 2, beck-online).
Tenor:
1
Gründe:
2
I.
3
Die Gläubigerin zu 1) begehrt die Zwangsversteigerung aus der notariellen Urkunde des Notars K vom 21.06.2022 (UR.-Nr.: 00/0000) nebst Vollstreckungsklausel gemäß § 724 ZPO vom 28.06.2022 und Zustellungsurkunde vom 14.12.2023. Darin bestellte der Schuldner der Gläubigerin zu 1) eine Sicherungsgrundschuld und erklärte, dass dem Gläubiger ohne Nachweis der das Bestehen und die Fälligkeit der Zahlungsverpflichtung begründenden Tatsachen eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde erteilt werden kann.
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Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Beitrittsantrag der Gläubigerin zu 1) mit der Begründung zurückgewiesen, die Geltendmachung der Grundschuld sei nach § 1193 BGB erst sechs Monate nach deren Kündigung zulässig, was vom Vollstreckungsgericht nach § 751 Abs. 1 ZPO zu beachten sei. Gegen diesen ihr am 06.03.2024 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin zu 1) am 20.03.2024 sofortige Beschwerde eingelegt.
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II.
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Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zu 1) vom 20.03.2024 ist zulässig und begründet, so dass der Beschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 05.03.2024 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Beitrittsantrag der Gläubigerin zu 1) zurückzuverweisen ist. Das Amtsgericht hat den Beitrittsantrag der Gläubigerin zu 1) zu Unrecht unter Hinweis auf die fehlende Kündigung der Sicherungsgrundschuld aufgehoben und kann bei seiner erneuten Sachentscheidung den Antrag der Gläubigerin zu 1) nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückweisen (§ 572 Abs. 3 ZPO).
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Zwar ist bei der Vollstreckung aus einer Sicherungsgrundschuld zur Fälligkeit der Grundschuld die Vorschrift des § 1193 BGB zu beachten. Danach muss eine Kündigungsfrist von sechs Monaten eingehalten werden. Der Nachweis der Kündigung der Grundschuld ist durch den Gläubiger zur Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der Urkunde gemäß § 726 Abs. 1 ZPO zu erbringen.
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Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Beschluss vom 28.042022 ‒ V ZB 12/20 ‒, juris und BGH, Beschluss vom 07.10.2022 ‒ VII ZB 56/18 -, juris) darf der Grundstückseigentümer bei der Grundschuldbestellung mit Unterwerfungserklärung aber einen Nachweisverzicht hierzu erklären, so dass die vollstreckbare Ausfertigung ‒ wie vorliegend unter dem 28.06.2022 erfolgt - ohne Kündigungsnachweis erteilt werden kann. Soweit streitig ist, ob das Vollstreckungsgericht den Ablauf der Kündigungsfrist des § 1193 Abs. 1 S. 3 BGB zu prüfen hat (vgl. zum Streitstand Prof. Ulrich Keller in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht - Kommentar, § 7 Eintragungen in Abteilung III des Grundbuchs, Rn. 68 m.w.N.), steht dem entgegen, dass die materielle Bedingung durch die Zulässigkeit eines solchen Nachweisverzichts ihren Charakter als Vollstreckungsbedingung verliert (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 07.10.2022 ‒ VII ZB 56/18 -, juris, Rn. 17). Ausschlaggebend ist vielmehr, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, der sich die Kammer anschließt, die materielle Rechtmäßigkeit einer von einem Notar erteilten einfachen Vollstreckungsklausel nach § 724 ZPO vom Vollstreckungsgericht nicht zu überprüfen ist. Denn die vollstreckbare Ausfertigung bindet die Vollstreckungsorgane hinsichtlich Bestand und Vollstreckbarkeit des Titels. Durch die Vollstreckungsorgane wird lediglich geprüft, ob die Vollstreckungsklausel vorhanden und ob sie von dem zuständigen Beamten formgerecht erteilt worden ist. Da aber die Überprüfung der Erteilung einer einfachen Vollstreckungsklausel von einem Notar aufgrund eines notariellen Nachweisverzichts (anstelle einer qualifizierten Vollstreckungsklausel nach Vorlage entsprechender Nachweise) allein die materielle Rechtmäßigkeit der einfachen Vollstreckungsklausel betrifft und selbst eine materiell zu Unrecht erteilte Vollstreckungsklausel keinen schwerwiegenden, der Anordnung der Zwangsversteigerung entgegenstehenden Mangel begründete, kann die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts Siegburg keinen Bestand haben.
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Schließlich berechtigte auch die Vorschrift des § 751 Abs. 1 ZPO, nach der die Zwangsvollstreckung, falls die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Kalendertages abhängig ist, nur beginnen darf, wenn der Kalendertag abgelaufen ist, das Amtsgericht nicht zu einer Ablehnung des Beitrittsantrags der Gläubigerin. Die Geltendmachung des Anspruchs ist nämlich nur dann von einem bestimmten Kalendertag abhängig, wenn sich der betreffende Tag allein mit dem Kalender ermitteln lässt. Wenn dagegen zur Ermittlung des Tages andere Umstände heranzuziehen sind, ist der Fälligkeitstag ungewiss; es handelt sich dann um einen Fall des § 726 ZPO. Dementsprechend ist der Eintritt der Fälligkeitsvoraussetzungen des § 1193 Abs. 1 BGB keine Bedingung für den Vollstreckungsbeginn i.S.v. § 751 Abs. 1 ZPO (vgl. Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 751 Rn. 2, beck-online).
RechtsgebietZwangsversteigerung