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  • 27.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234418

    Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 15.12.2022 – 6 W 61/22

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 04. Juli 2022, Az.: 2 T 88/21, wird zurückgewiesen.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
    Gründe

    I.

    Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld vom 17. Juni 2020.

    Mit Vollstreckungsauftrag vom 15. Oktober 2020 beauftragte die Gläubigerin die Gerichtsvollzieherin mit der Abnahme einer Vermögensauskunft nach §§ 802c, 802f ZPO (ohne vorherigen Pfändungsversuch). Dabei kreuzte sie auf dem nach § 1 GVFV zu verwendenden Formular das Modul K3 an mit dem Inhalt: "Pfändung soll nach Abnahme der Vermögensauskunft durchgeführt werden, soweit sich aus dem Vermögensverzeichnis pfändbare Gegenstände ergeben".

    Mit Schreiben vom 4. Dezember 2020 teilte die Gerichtsvollzieherin der Gläubigerin mit, dass die Schuldnerin die Vermögensauskunft antragsgemäß abgegeben habe, aber sich bei der Durchsicht des Vermögensverzeichnisses keine pfändbaren Gegenstände ergeben hätten. Das Schreiben enthielt zudem eine Kostenrechnung unter anderem mit der Position "Nicht erl. Pfändung KV 604, 205" 15 € und einer "Auslagenpauschale nach KV 716" in Höhe von insgesamt 11,80 €.

    Die Gläubigerin legte gegen die Kostenrechnung mit Schreiben vom 15. Februar 2021 Erinnerung gemäß § 766 Abs. 2 ZPO ein mit dem Antrag festzustellen, dass die Gerichtsvollzieherin nicht berechtigt sei, in dieser Vollstreckungssache die Gebühren nach KV 604, 205 für die nicht erledigte Pfändung in Höhe von 15 € zu erheben, und sie anzuweisen, die ungerechtfertigt erhobenen Kosten und die Auslagenpauschale anteilig zu erstatten. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund des Ankreuzens des Moduls K3 sei der Pfändungsauftrag unter einer Bedingung gestellt worden, so dass der Pfändungsauftrag erst in dem Zeitpunkt als gestellt gelte, wenn nach Abgabe der Vermögensauskunft aus dieser pfändbare Gegenstände ersichtlich seien. Diese Bedingung sei nicht eingetreten, der Pfändungsauftrag gelte deshalb als nicht gestellt. Der Gerichtsvollzieherin sei auch kein zusätzlicher Aufwand entstanden, der den Kostenansatz KV 604, 205 rechtfertigen würde, weil die Vermögensauskunft ohnehin von Amts wegen im Hinblick auf § 882c Abs. 1 Nr. 2 ZPO darauf zu überprüfen sei, ob pfändbare Gegenstände vorhanden seien.

    Die Gerichtsvollzieherin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Amtsgericht Perleberg zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat mit Beschluss vom 7. Juli 2021 die Erinnerung zurückgewiesen und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Beschwerde gemäß § 68 Abs. 2 GKG zugelassen.

    Mit Schreiben vom 27. Juli 2021 hat die Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Perleberg vom 7. Juli 2021 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und der Erinnerung vom 15. Februar 2021 zu entsprechen. Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 10. August 2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Neuruppin zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat mit Beschluss vom 4. Juli 2022 den Beschluss des Amtsgerichts Perleberg abgeändert und die Kostenrechnung der Gerichtsvollzieherin vom 4. Dezember 2020 dahin geändert, dass von der Gläubigerin statt 74,11 € nur 56,11 € zu zahlen sind.

    Mit der vom Landgericht zugelassenen weiteren Beschwerde wendet sich die Bezirksrevisorin gegen den angefochtenen Beschluss. Sie ist der Auffassung, im Streitfall sei die Gebühr für eine nicht erledigte Amtshandlung nach KV 604 angefallen, weil es der Gläubiger nicht in der Hand haben dürfe, den Gerichtsvollzieher durch das Aufstellen von Bedingungen zu einer gebührenfreien Tätigkeit zu veranlassen und weil die nach § 882c Abs. 1 Nr. 2 ZPO nötige Prüfung nicht der Prüfung entspreche, ob die Bedingung, unter der der Pfändungsauftrag erteilt sei, eingetreten sei. Das Landgericht hat der weiteren Beschwerde mit Beschluss vom 13. Oktober 2022 nicht abgeholfen.

    II.

    Die weitere Beschwerde, über die nach § 66 Abs. 6 Satz 1 2. Halbs. GKG der Senat in der Besetzung nach § 122 Abs. 1 GVG durch drei Mitglieder zu entscheiden hat, ist nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG iVm § 66 Abs. 4 GKG statthaft und auch ansonsten zulässig. In der Sache selbst hat sie jedoch keinen Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts Neuruppin ist nicht zu beanstanden. Die Gerichtsvollzieherin hat in ihrer Kostenrechnung zu Unrecht eine Gebühr für eine nicht erledigte Amtshandlung nach Nr. 604 KV GvKostG zzgl. anteiliger Auslagenpauschale erhoben.

    1. Ob eine Gebühr für eine nicht bewirkte Pfändung nach Nr. 604, 205 KV GvKostG anfällt, wenn der Gläubiger zusammen mit dem Auftrag auf Abnahme einer Vermögensauskunft einen bedingten Pfändungsauftrag für den Fall erteilt, dass sich aus der Vermögensauskunft des Schuldners das Vorhandensein pfändbarer Gegenstände ergibt, die Bedingung sodann aber nicht eintritt, ist umstritten.

    a) Nach einer Ansicht, der sich das Amtsgericht angeschlossen hat, ist die Frage zu bejahen (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 11. September 2015 - 9 W 95/15; LG Bonn, Beschlüsse vom 5. März 2015 - 4 T 61/15 - und vom 28. August 2017 - 4 T 274/17; LG Göttingen, Beschluss vom 25. Februar 2021 - 5 T 189/19; AG Lichtenberg, Beschluss vom 10. März 2020 - 35 WM 92/20; AG Naumburg, Beschluss vom 29. Januar 2019 - 8 M 2374/18; AG Krefeld, Beschluss vom 11. Dezember 2015 - 113 M 1708/15; AG Bingen, Beschluss vom 24. Februar 2014 - 5 M 315/14). Zur Begründung wird ausgeführt, dass es der Gläubiger nicht in der Hand habe, durch das Aufstellen von Bedingungen den Gerichtsvollzieher zu einer gebührenfreien Tätigkeit zu veranlassen. Der Fall, dass ein Pfändungsauftrag unter der aufschiebenden Bedingung eines bestimmten Prüfergebnisses des Gerichtsvollziehers erteilt werde und die Bedingung sodann nicht eintrete, stehe einer Nichterledigung "aus Rechtsgründen" wirkungsmäßig gleich, da in beiden Fällen die Nichterledigung nicht der Sphäre des Gerichtsvollziehers zuzurechnen sei. Für das Entstehen der Gebühr nach Nr. 604 KV GvKostG sei es nicht maßgeblich, ob im Einzelfall eine inhaltliche Prüfung vorzunehmen sei oder ob diese entfalle, weil der Schuldner gemäß der von ihm abgegebenen Vermögensauskunft nicht über pfändbare Gegenstände verfüge. Dass es zulässig sei, einen Vollstreckungsauftrag unter einer aufschiebenden Bedingung zu erteilen, stehe nicht entgegen. Denn mit der Abgabe des Vermögensverzeichnisses durch den Schuldner beginne das Pfändungsverfahren, weil vom Gerichtsvollzieher die Überprüfung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Pfändung verlangt werde, die erheblich weitergehe, als die ihm ohnehin von Amts wegen obliegende Prüfungspflicht nach § 882c Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Da es dem Gläubiger freistehe, den Vollstreckungsauftrag erst dann zu erteilen, wenn er selbst nach Prüfung der abgegebenen Vermögensauskunft eine Pfändung für erfolgversprechend halte, seien seine Interessen hinreichend gewahrt.

    b) Nach anderer Ansicht (vgl. KG, Beschluss vom 30. November 2021 - 5 W 71/21; OLG Naumburg, Beschlüsse vom 15. Oktober 2020 - 12 W 52/29 und 27. Mai 2019 - 4 W 13/19; OLG Köln, Beschluss vom 8. April 2019 - 17 W 121/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Februar 2018 - I-10 W 10/18; OLG Hamm, Beschlüsse vom 12. März 2018 - I-25 W 370/17 - und 16. März 2018 - 25 W 43/18; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. September 2018 - 11 W 17/18; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27. Oktober 2016 - 8 W 324/16; Schröder-Kay, Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, 14. Aufl. 2019, Anlage (zu § 9) Kostenverzeichnis Nr. 260 (VI.) Rn. 26f.), der das Landgericht gefolgt ist, liegen die Voraussetzungen des Gebührentatbestandes nach Nr. 604 KV GvKostG in der hier vorliegenden Konstellation nicht vor, weil es mangels Bedingungseintritt an einer vorauszusetzenden Beauftragung des Gerichtsvollziehers fehlt. Der Senat schließt sich dieser Ansicht an.

    Nach Vorbemerkung 6 vor Nr. 600-604 KV GvKostG in Verbindung mit Nr. 604 KV GvKostG wird eine Gebühr für eine nicht erledige Amtshandlung unter anderem nach Nr. 205 KV GvKostG - der Bewirkung einer Pfändung nach §§ 808 Abs. 1, 2 Satz 2, §§ 809, 826 oder § 831 ZPO - erhoben, wenn eine Amtshandlung, mit deren Erledigung der Gerichtsvollzieher beauftragt worden ist, aus Rechtsgründen oder infolge von Umstände, die weder in der Person des Gerichtsvollziehers liegen noch von seiner Entschließung abhängig sind, nicht erledigt wird. Vorliegend fehlt es an einer entsprechenden Beauftragung des Gerichtsvollziehers, weil der Auftrag zur Pfändung ausweislich des Eintrags unter Modul K3 des auf dem amtlichen Formular abgegebenen Vollstreckungsauftrags nur für den Fall erteilt worden ist, dass sich aus dem vorrangig abzufordernden Vermögensverzeichnis pfändbare Gegenstände ergeben.

    Das Aufstellen dieser Bedingung war zulässig. Wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 27. Oktober 2016 - I ZB 21/16,juris - ausgeführt hat ist es Ausdruck der Dispositionsfreiheit des Gläubigers, einen Vollstreckungsauftrag unter einer Bedingung zu erteilen. Stellt dieser eine entsprechende aufschiebende Bedingung auf, kommt es zu einem unbedingten Auftrag erst dann, wenn die Bedingung tatsächlich eintritt (vgl. Abschnitt A Nr. 2 Abs. 2 DB-GvKostG). Dies ist ausweislich des Wortlauts des Vollstreckungsauftrags nicht bereits dann der Fall, wenn die Vermögensauskunft abgegeben wird, sondern zusätzlich müssen sich aus dieser Vermögensauskunft grundsätzlich pfändbare bewegliche Gegenstände ergeben. Ist dies nicht der Fall, gilt der Pfändungsauftrag als nicht erteilt (vgl. Schröder-Kay, a.a.O., Rn. 26; OLG Naumburg, Beschluss vom 15. Oktober 2020 - 12 W 52/90 Rn. 14).

    Der Ansicht, dass das Pfändungsverfahren bereits mit Abgabe des Vermögensverzeichnisses beginne, dass also auch bei einem Absehen von einer Pfändung nach Feststellung, dass keine pfändbaren Gegenstände vorhanden sind, gebührenrechtlich von einem Auftragsverhältnis im Hinblick auf die Pfändung auszugehen wäre, ist nicht zu folgen. Dem steht bereits der Wortlaut der Nr. 205 KV GvKostG entgegen, wonach eine Gebühr für die "Bewirkung einer Pfändung" entsteht, während der Gebührentatbestand für die Abgabe der Vermögensauskunft andernorts, nämlich unter Nr. 260 KV GvKostG geregelt ist. Wäre die Prüfung, ob sich aus dem Vermögensverzeichnis pfändbare Gegenstände ergeben, tatsächlich Teil der nach Nr. 205 KV GvKostG abzurechnenden Bewirkung der Pfändung dürfte sie mithin erst stattfinden, wenn sich aus dem Vermögensverzeichnis pfändbare Gegenstände ergeben, es bestünde mithin ein Dilemma. Dies zeigt, dass die Prüfung des Vermögensverzeichnisses auf pfändbare Gegenstände noch nicht Teil der mit dem Gebührentatbestand Nr. 205 KV GvKostG abzurechnenden Amtshandlung sein und entsprechend auch die Gebühr nach Nr. 604 KV GvKostG nicht auslösen kann, wenn im Hinblick auf den Inhalt des Vermögensverzeichnisses weitere Maßnahmen des Gerichtsvollziehers unterbleiben.

    Die Nichterhebung der Gerichtsvollzieherkosten gemäß Nr. 604, 205 KV GvKostG in Fällen, in denen sich aus dem Vermögensverzeichnis keine pfändbaren Gegenstände ergeben, führt für den Gerichtsvollzieher auch nicht zu einem unbilligen Ergebnis. Zum einen entsteht dem Gerichtsvollzieher kein Mehraufwand, der die Zuerkennung der in Rede stehenden Kosten rechtfertigen würde (vgl. OLG Köln, a.a.O. Rn. 15; OLG Naumburg, Beschluss vom 15. Oktober 2020 - 12 W 52/20 Rn. 14). Denn der Gerichtsvollzieher hat die Vermögensauskunft im Hinblick auf § 882 c Abs. 1 Nr. 2 ZPO - für den Gläubiger kostenfrei - daraufhin zu überprüfen, ob pfändbare Gegenstände vorhanden sind, die geeignet sind, zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers zu führen. Dies beinhaltet die Feststellung, ob überhaupt pfändbare Gegenstände vorhanden sind. Der Gerichtsvollzieher hat damit ohnehin eine Prognose anzustellen, deren Aufwand durch die Prüfung, ob die aufschiebende Bedingung des Pfändungsauftrags eingetreten ist, nicht erkennbar vergrößert wird. Der gegenteiligen Behauptung der Beschwerdeführerin ermangelt es an einer Begründung.

    Zum anderen ist auch der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zu folgen, der Gläubiger dürfe es nicht in der Hand haben, den Gerichtsvollzieher durch das Aufstellen von Bedingungen zu einer gebührenfreien Tätigkeit zu veranlassen. Dies übersieht, dass die streitgegenständliche Bedingung als Modul K3 in dem amtlich vorgegebenen Formular für einen Vollstreckungsauftrag an die Gerichtsvollzieherin/den Gerichtsvollzieher - zur Vollstreckung von Geldforderungen - enthalten ist. Es kann dem Gläubiger nicht vorgehalten werden, wenn er Gebrauch von den ihm in einem zwingend zu verwendenden Formular vorgegebenen Möglichkeiten macht.

    Eine vermeintliche Unbilligkeit des Ergebnisses lässt sich auch nicht unter Bezugnahme auf Vorbemerkung 6 zu Nr. 600 - 604 KV GvKostG begründen. Soweit daraus abgeleitet wird, dass sich die Nichterledigung einer Vollstreckungsmaßnahme gebührenmäßig nicht zu Lasten des Gerichtsvollziehers auswirken solle, wenn sie auf Rechtsgründen oder auf tatsächlichen Gründen ohne Bezug zur Person oder Entschließung des Gerichtsvollziehers beruhe, liegt dem ein Zirkelschluss zugrunde (vgl. OLG Köln, a.a.O. Rn. 16; OLG Düsseldorf, a.a.O. Rn. 6). Denn der Gebührentatbestand setzt gerade voraus, dass die Amtshandlung des Gerichtsvollziehers Gegenstand des Auftrages ist, was nur dann der Fall ist, wenn die Bedingung, unter der der Vollstreckungsauftrag steht und dessen Erfüllung in keiner Weise von der Person oder Entschließung des Gerichtsvollziehers abhängig, auch tatsächlich eingetreten ist. Das ist, wie aufgezeigt, nicht der Fall.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG, § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG.

    RechtsgebietVermögensauskunftVorschriften§§ 802c, 802f ZPO