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  • 29.03.2022 · IWW-Abrufnummer 228372

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 12.10.2021 – 8 Sa 246/20


    Tenor:
    1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23. Juni 2020, Az. 11 Ca 3651/19, abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 2.744,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2019 zu zahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.


    2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.


    3. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte.


    4. Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien um einen Vergütungsanspruch des Klägers für Juni 2019 und um die Frage, ob dieser Anspruch aufgrund eines im Nachgang vereinbarten Prozessvergleichs ausgeschlossen ist.



    Der Kläger war vom 01.10.2018 bis zum 30.06.2019 bei der Beklagten als LKW-Fahrer zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.940,- EUR beschäftigt.



    Am 17.06.2019 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, wogegen sich der Kläger mit einer vor dem Arbeitsgericht Koblenz, Aktenzeichen 11 Ca 1783/19, erhobenen Kündigungsschutzklage wendete.



    Im Gütetermin des Kündigungsschutzverfahrens schlossen die Parteien den folgenden Vergleich:

    1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, arbeitgeberseitiger Kündigung vom 17.06.2019 mit Ablauf des 30.06.2019 sein Ende gefunden hat.2. Die Beklagte erteilt dem Kläger die noch ausstehenden Lohnabrechnungen und verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2019 ordnungsgemäß abzurechnen.3. Der Beklagte zahlt an den Kläger in entsprechender Anwendung der §§ 9,10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 2.000,00 EUR brutto.4. Der Beklagte erteilt dem Kläger ein qualifiziert wohlwollendes Arbeitszeugnis.5. Damit sind sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und im Zusammenhang mit dessen Beendigung, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund, erledigt.



    Die Beklagte brachte die Abfindung zur Auszahlung, darüberhinausgehende Zahlungen leistete sie nicht, insbesondere zahlte sie keine Vergütung für Juni 2019 aus.



    Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, die Beklagte hätte den Monat Juni 2019 abrechnen und die Nettovergütung an ihn auszahlen müssen. Zwar fehle eine explizite Formulierung hierzu im Vergleich, dies sei jedoch selbstverständlich und von den Parteien nicht anders gedacht gewesen. Mit der Formulierung, das Arbeitsverhältnis sei "abzurechnen", sei auch gemeint, dass das Gehalt auszuzahlen sei. Andernfalls hätte man den Vergleichswortlaut mit "erteilt die noch ausstehenden Lohnabrechnungen" formulieren müssen.



    Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.940,- EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.



    Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

    die Klage abzuweisen.



    Hierzu hat sie in erster Instanz vorgetragen, es sollte nur die Abfindung gezahlt und die Lohnabrechnungen erteilt werden. Darüber hinaus seien keine Ansprüche des Klägers vereinbart worden. Dies komme durch die Erledigungsklausel in Ziffer fünf des Vergleichs zum Ausdruck.



    Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die im Vergleich vorgesehene Abgeltungsklausel regele, dass keine wechselseitigen Ansprüche mehr bestehen, wenn die Verpflichtungen aus dem Vergleich erfüllt sind. Hierzu zähle es aber auch, die Vergütung für Juni 2019 nicht nur abzurechnen, sondern den sich ergebenden Nettoanspruch an den Kläger auch auszukehren. Dies ergebe eine Auslegung des Vergleichs. Mit der Wendung "ordnungsgemäße Abrechnung" sei gemeint, dass neben der Verpflichtung zur Erteilung von Lohnabrechnungen als weitere Verpflichtung die Auszahlung der entsprechenden Beträge stehe. Dies komme durch die Regelung zur Verpflichtung zur Erteilung von Lohnabrechnungen und die Verpflichtung, das Arbeitsverhältnis abzurechnen, zum Ausdruck. Die Parteien haben die Abrechnungserteilung nicht doppelt regeln wollen. Daher stehe die Erledigungsklausel in Ziffer 5 des Vergleichs dem Anspruch nicht entgegen, denn diese sehe ausdrücklich vor, dass nach Erfüllung der im Vergleich geregelten Verpflichtungen, wozu auch die Verpflichtung zur Zahlung der Junivergütung zähle, sämtliche wechselseitigen Forderungen erledigt sein sollen.



    Das Urteil wurde der Beklagten am 28.07.2020 zugestellt. Mit am 27.08.2020 bei dem LAG Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz hat sie hiergegen Berufung eingelegt und diese mit am 25.09.2020 eingegangenem Schriftsatz begründet.



    Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte vorgetragen, mit der Abfindung von 2.000,- EUR sollten die Restlohnansprüche bis 08.06.2019, dem letzten Arbeitstag des Klägers, abgegolten werden. Daher habe man zudem eine Abgeltungsklausel vereinbart. Hiervon seien beide Parteien im Gütetermin ausgegangen. Die durch das Arbeitsgericht vorgenommene Auslegung des Vergleichs sei daher rechtsfehlerhaft. Hätte der Klägervertreter einen Zahlungsanspruch vereinbaren wollen, hätte er dessen Aufnahme in den Vergleich verlangt.



    Das Arbeitsgericht habe in unzulässiger Weise eine ergänzende Vertragsauslegung vorgenommen, obwohl eine planwidrige Regelungslücke im Vergleich nicht zu finden sei.



    Es fehle zudem an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers bezogen auf den streitgegenständlichen Anspruch. Sollte man in dem Vergleich die Grundlage für einen Zahlungsanspruch sehen, so könne der Kläger hieraus vollstrecken.



    Die Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt,

    das am 23.06.2020 verkündete und am 29.07.2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz, Az. 7 Ca 3651/19, aufzuheben und die Klage abzuweisen.



    Der Kläger hat zweitinstanzlich beantragt,

    die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.



    Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt hierzu vor, man habe nicht vereinbart, dass neben der Abfindung keine weiteren Vergütungszahlungen erfolgen sollten. Besprochen gewesen sei, dass der Kläger bis zum 30.06.2019 seinen Lohn erhalten solle, zuzüglich der Abfindung. Der Abfindungsbetrag sei sprachlich und textlich von den Lohnansprüchen klar abgegrenzt. Eine Vermengung sei nicht beabsichtigt gewesen.



    Zweitinstanzlich wurde aufgrund des Beweisbeschlusses vom 16.03.2021 Beweis erhoben über die Begleitumstände des Vergleichsschlusses in der Güteverhandlung vom 09.07.2019 durch - schriftliche- Vernehmung des Vorsitzenden Richters sowie der Parteivertreter, die in diesem Gütetermin zugegen waren.



    Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe



    I. Die nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist zulässig.



    II. In der Sache hat das Rechtsmittel nur in geringem Umfang Erfolg,



    1. Der Klageantrag ist entgegen der Ansicht der Beklagten zulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers fehlt nicht deswegen, weil ihm bereits ein vollstreckbarer Titel vorliegen würde. Haben es die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich unterlassen, klarzustellen, was sie inhaltlich unter einer "ordnungsgemäßen" Abrechnung verstehen, ist der Vergleich als Vollstreckungstitel im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht hinreichend bestimmt gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Februar 2011 - 3 Ta 252/10).



    Eine konkrete Zahlungsverpflichtung enthält der Vergleich nicht. Die Beklagte konnte den streitgegenständlichen Anspruch nicht bereits aufgrund des vereinbarten Vergleichs vollstrecken.



    2. Die Klage wist auch weitestgehend begründet. Das angegriffene Urteil war nur in geringem Umfang abzuändern, soweit nämlich aufgrund des zweitinstanzlichen Parteivortrags anzunehmen war, dass dem Kläger für den Monat Juni 2019 kein Anspruch auf das volle Bruttomonatsgehalt zustand, sondern aufgrund von zwei Fehltagen ohne Vergütungsansprüche ein um 2/30 gekürzter, anteiliger Anspruch. Der Anspruch des Klägers auf Vergütung für den Monat Juni 2019 ist jedoch, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, nicht durch den Prozessvergleich vom 09.07.2019 ausgeschlossen. Ein (anteiliger) Vergütungsanspruch für Juni 2019 ist entstanden.



    a. Der Anspruch des Klägers ergibt sich für den Zeitraum 01.06.2019 bis einschließlich 09.06.2019 aus § 611a BGB. Der Kläger hat bis zu diesem Zeitpunkt die geschuldeten Arbeitsleistungen erbracht, so dass ein Vergütungsanspruch entstanden ist. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Am 10.06 und am 11.06.2019 erbrachte der Kläger keine Arbeitsleistungen, ohne dass ein dennoch bestehender Vergütungsgrund für diese Tage vorgetragen wäre. Für diese beiden Tage ist keine Vergütung geschuldet. Ab dem 12.06.2019 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt, was er - in zweiter Instanz- durch Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachgewiesen hat. Für den Zeitraum ab dem 12.06.2019 begründet sich der Vergütungsanspruch somit mit § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG.



    b. Der Höhe nach ergibt sich ein Anspruch in Höhe von 2.744,- EUR brutto für 28 Tage des Monats Juni 2019 (2.940,- EUR/ 30 x 28). Die anteilige Vergütung ist auf der Grundlage eines Tagessatzes von einem Dreißigstel des Monatsentgelts zu berechnen (BAG, Urteil vom 16. Mai 2012 - 5 AZR 251/11-, Rn. 22, zitiert nach juris, ebenso im Folgenden).



    3. Dieser Anspruch ist nicht aufgrund der im Vergleich vom 09.07.2019 vereinbarten Abgeltungsklausel -Ziffer fünf des Vergleichs- ausgeschlossen.



    a. Zwar ist es zutreffend, dass die Parteien mit Ausgleichsklauseln in gerichtlichen Vergleichen in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend umfassend bereinigen und alle Ansprüche erledigen wollen (BAG, Urteil vom 27. Mai 2015 - 5 AZR 137/14 - Rn. 21; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Oktober 2020 - 5 Sa 204/19 -, Rn. 27). Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, bezieht sich diese Erledigungsklausel nur auf solche Ansprüche, die nicht zugleich Gegenstand der Regelungen des Vergleichs sind. Es wäre fernliegend, im Vergleich Verpflichtungen zu regeln und diese sogleich durch eine Abgeltungsklausel wieder aufzuheben. Diese rechtliche Wertung steht auch nicht im Streit, sondern vielmehr, ob in Ziffer 2 eine Vergütungsregelung enthalten ist, oder ob dies nicht der Fall ist, so dass die Abgeltungsklausel dann tatsächlich der Geltendmachung des Zahlungsanspruchs für Juni 2019 entgegenstünde.



    b. Ziffer 2 des Vergleichs enthält die Verpflichtung der Beklagten, für Juni 2019 nicht nur eine Lohnabrechnung zu erteilen, sondern auch den - im Vergleich nicht näher definierten- geschuldeten Bruttobetrag zu zahlen.



    Zwar schreibt die Regelung eine Zahlungsverpflichtung nicht ausdrücklich vor. Die Verpflichtung, das zu zahlen, was geschuldet ist, ergibt sich jedoch aus einer Auslegung der Klausel.



    aa. Die Erklärungen der Vertragspartner sind aus der Sicht des Erklärungsempfängers gemäß § 157 BGB so auszulegen, wie er sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen durfte und musste. Dabei sind alle den Parteien erkennbaren Begleitumstände, die für den Erklärungsinhalt von Bedeutung sein können, zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 11. Oktober 2006 - 5 AZR 755/05 - Rn. 24, LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. Februar 2018 - 2 Sa 302/17 -, Rn. 45).



    bb. Verpflichtet sich der Arbeitgeber in einem Vergleich, das Arbeitsverhältnis "ordnungsgemäß abzurechnen", wird hierdurch zwar regelmäßig kein Vergütungsanspruch selbständig begründet, sondern die Abrechnung soll dann die aus anderen Rechtsgrundlagen herrührenden Ansprüche betreffen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.November 2013 - 5 Sa 330/13). Eine bloße Abrechnungsverpflichtung stellt die Bestätigung der ohnehin bestehenden Rechtslage dar (BAG, Urteil vom 18.03.2009 - 5 AZR 192/08) und schafft keinen von den gesetzlichen Vorgaben unabhängigen Schuldgrund, gleichzeitig beschränkt sie einen bestehenden Zahlungsanspruch jedoch auch nicht darauf, dass dieser nur abzurechnen und nicht auszukehren sei. Der Wortsinn des Begriffs "Abrechnung" umfasst dabei nicht nur das Erstellen des Abrechnungspapiers, sondern auch die Begleichung der sich aus der Berechnung ergebenden Ansprüche. Eine vergleichsweise eingegangene Verpflichtung zur "Abrechnung" kann daher, je nach den Einzelfallumständen, als Zahlungspflicht auszulegen sein (BAG, Urteil vom 19. Mai 2004 - 5 AZR 434/03, LAG Hamm, Urteil vom 26. Januar 2017 - 18 Sa 564/16 -, Rn. 43).



    cc. Vorliegend ist der Vergleichstext in Ziffer 2, wie es auch das Arbeitsgericht ausgeführt hat, so zu verstehen, dass er nicht nur die bloße Abrechnung der entstandenen Lohnansprüche für Juni 2019 meint, sondern auch deren Auszahlung.



    Aufgrund der sprachlichen Fassung von Ziffer 2 des Vergleichs ist erkennbar, dass die Parteien nicht nur eine reine Abrechnungsverpflichtung, sondern eine reguläre finanzielle Abwicklung des Arbeitsverhältnisses bis zum 30.06.2019 regeln wollten, bei der die entstandenen Zahlungsansprüche für Juni 2019 nicht zum Erlöschen kommen sollten.



    Ziffer 2 des Vergleichs besagt, dass die Beklagte die noch ausstehenden Lohnabrechnungen erteilt und sich zudem verpflichtet, das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2019 ordnungsgemäß abzurechnen. Der zweite Halbsatz ergäbe keinen Sinn, wenn nur die Erteilung einer Abrechnung für Juni 2019 gemeint wäre, da sich diese Verpflichtung bereits aus dem ersten Halbsatz ergibt. Im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses war auch die Juniabrechnung schon "ausstehend".



    Auch nach Auffassung der Beklagten stand bei Vergleichsschluss noch ein Vergütungsanspruch für Juni 2019 offen. Sie hatte ihn anteilig abgerechnet und noch nicht ausgezahlt.



    Hätten die Parteien diesen fallen lassen bzw. der Kläger auf ihn verzichten wollen, hätte es einer Regelung hierzu bedurft. Mit der Abfindung konnte dieser Vergütungsanspruch nicht erledigt werden. Eine Abfindung kompensiert den Verlust des sozialen Besitzstands. Sie ist bezüglich der Sozialversicherungsbeiträge im Vergleich zur Entgeltzahlung privilegiert und kann diese nicht ersetzen. Auch sprachlich ist sie im Vergleichstext eindeutig von den Abrechnungsansprüchen getrennt.



    dd. Eine andere Auslegung des Vergleichsinhalts ergibt sich auch nicht aus den Begleitumständen. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass in der mündlichen Verhandlung von den Parteien vereinbart worden sei, dass außer der Abfindung keine Vergütungsansprüche mehr bestünden. Hierüber hat die Kammer Beweis erhoben. Die Zeugenaussagen lassen jedoch nicht auf eine dahingehende Vereinbarung oder auf ein dahingehendes Verständnis des Vergleichs für beide Vertragspartner schließen.



    Der Beklagten ist es nicht gelungen, eine solche Vereinbarung zu beweisen.



    Die Aussage des den Vorsitz der Verhandlung führenden Richters hat eine solche Vereinbarung nicht bestätigt. Dieser konnte sich nicht mehr an die Verhandlungssituation erinnern.



    Auch der als Zeuge vernommene Rechtsanwalt, der den Kläger im Termin vom 09.07.2010 vertreten hat, hat eine solche Vereinbarung nicht nur nicht bestätigt, sondern sogar als gänzlich unwahrscheinlich erscheinen lassen. Er hat seiner Zeugenaussage den Terminsbericht beigefügt, den er im Anschluss an die Sitzung für seinen Mandanten angefertigt hat. Hieraus ergibt sich die Erklärung gegenüber dem Mandanten, dass sowohl eine Abfindung als auch eine Vergütung bis 30.06.2019 zu Gunsten des Klägers erfolgen sollten, wenn der Vergleich Bestand hat und nicht widerrufen wird. Dies zeigt, dass der Klägervertreter und der Kläger jedenfalls nicht von dem Verzicht auf die Vergütungsansprüche neben der Abfindung ausgegangen sind.



    Anders lautet die Aussage des Zeugen E. Dieser ist, wie er bekundet hat, davon ausgegangen, dass mit einer einmaligen Zahlung von 2.000,- EUR tatsächlich alle Ansprüche erledigt seien, also auch die Vergütungsansprüche. Angesichts der klaren Deklarierung der Zahlung in Höhe von 2.000,- EUR als Abfindung und der Bezugnahme auf die §§ 9 und 10 KSchG konnte der Beklagtenvertreter jedoch nicht -jedenfalls nicht für die Klägerseite erkennbar- davon ausgehen, dass die Abfindung die noch geschuldeten Vergütungsansprüche umfassen sollte. Dies gilt auch angesichts dessen, dass der Beklagtenvertreter nicht Rechtsanwalt, sondern vermutlich juristischer Laie war. Eine Abfindung ist aber auch nach allgemeinem Sprachgebrauch als Ausgleich für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen und kann nicht Vergütungsansprüche einschließen. Die getroffene Regelung entspricht der möglicherweise einseitig bestehenden Vorstellung über die Aufgabe der Vergütungsansprüche. Eine andere Vereinbarung konnte die Beklagte nicht beweisen.



    Daher ist auch unter Berücksichtigung der Begleitumstände nicht anzunehmen, dass die Parteien Vergütungsansprüche des Klägers für Juni 2019 einvernehmlich nicht mehr verfolgen bzw. auszahlen wollten. Die Auslegung, die das Arbeitsgericht vorgenommen hat, ist nicht zu beanstanden.



    Der oben aufgeschlüsselten Höhe nach besteht somit ein Zahlungsanspruch des Klägers, der nicht durch den Vergleich ausgeschlossen ist.



    In der geringen abweichenden Höhe war das Urteil abzuändern, im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen. Auf die Kostenlast wirkt sich dies nicht aus, da der Anteil der Abweichung geringfügig ist, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.

    Verkündet am 12.10.2021

    Vorschriften§ 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 517, 519 ZPO, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 611a BGB, § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG, § 157 BGB, §§ 9, 10 KSchG, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO