· Fachbeitrag · Vollstreckungskosten
Festsetzbarkeit von Urkundsbeschaffungskosten
| Verstirbt ein Schuldner, haften nicht nur der Nachlass, sondern auch die Erben mit ihrem Eigenvermögen (§§ 1922, 1967 BGB). Damit erfährt die Forderungsbeitreibung neue Durchsetzungsmöglichkeiten. Voraussetzung für die Durchsetzung gegen die Erben ist i. d. R. der Nachweis ihrer Erbenstellung durch einen Erbschein, den der Gläubiger anstelle des (Erben-)Schuldners nach § 792 ZPO beantragen kann. Es stellt sich dabei u. a. die Frage, welche Kosten hierbei auf den Gläubiger zukommen können und ob diese gegenüber dem Schuldner nach § 788 ZPO erstattungsfähig sind. |
1. Anfallende Kosten
In Nachlasssachen gilt das FamFG, die Gebühren richten sich somit nach Teil 3 RVG VV. Grundsätzlich entsteht eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV, die sich unter bestimmten Voraussetzungen nach Nr. 3101 Nr. 3 VV RVG auf 0,8 ermäßigt: Dies ist der Fall, wenn „lediglich“ ein Erbscheinsantrag ohne Begründung gestellt und nur die Entscheidung entgegengenommen wird.
MERKE | Aus der Formulierung „lediglich ein Antrag“ ist ersichtlich, dass eine Ermäßigung der Verfahrensgebühr auf 0,8 nicht greift, wenn der Antrag begründet wird, nachträglich ‒ etwa auf Nachfrage des Nachlassgerichts oder auf Einwendungen der Gegenseite (z. B. anderer Miterben, Pflichtteilsberechtigte) ‒ Begründungen oder weitere Ausführungen erforderlich werden oder nachträglich noch Unterlagen (z. B. Abstammungsurkunden) beizubringen sind. In diesen Fällen entsteht also stets eine 1,3-Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 RVG VV. |
Nimmt der Anwalt zusätzlich an einem Termin teil, fällt zusätzlich eine 1,2-Terminsgebühr an (Nr. 3104 VV RVG).
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Fallkonstellation | Verfahrensgebühr | Terminsgebühr | Voraussetzung/Besonderheiten |
Nur Antrag, d. h., keine Begründung, keine weitere Ausführung | 0,8 (Nr. 3101 Nr. 3 RVG VV) | ‒ | „Lediglich“ Antrag und Entgegennahme der Entscheidung |
Antragstellung mit Begründung d. h. nachträgliche Ausführungen/Einreichung von Unterlagen | 1,3 (Nr. 3100 RVG VV) | ‒ | Begründung oder weitere Tätigkeit über Antrag hinaus |
Antragstellung und Wahrnehmung eines Gerichtstermins | 1,3 (Nr. 3100 RVG VV) | 1,2 (Nr. 3104 RVG VV) | Teilnahme am Gerichtstermin, unabhängig von Antragbegründung |
Streitiges Verfahren (Einwendungen durch Beteiligte) | 1,3 (Nr. 3100 RVG VV) | 1,2 bei Terminwahrnehmung | Streitige Führung, z. B. widersprechende Miterben |
Beim Antrag auf Erteilung eines Erbscheins fallen folgende Gerichtskosten an:
- 1,0-Verfahrensgebühr (Nr. 12210 GNotKG) nach dem Geschäftswert, d. h., dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 40 Abs. 1 GNotKG). Nachlassverbindlichkeiten werden also abgezogen (Netto-Nachlass).
- 1,0 Gebühr für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (Nr. 23300 GNotKG).
2. Erstattungsfähigkeit
Obwohl die aufgewendeten Kosten für die Beschaffung von Urkunden (Erbschein) zur Durchführung der Zwangsvollstreckung aus einem zugrunde liegenden Titel gebührenrechtlich nicht zur Zwangsvollstreckung nach Nr. 3309 RVG VV zählen, sind diese dennoch durch den (Erblasser-)Schuldner dem Gläubiger nach § 788 Abs. 1 ZPO zu erstatten (AnwK-RVG/Schneider/Volpert, 9. Aufl., VV 3309 Rn. 50; Zöller/Stöber, ZPO, 35. Aufl., § 788 Rn. 13.11).
Musterformulierung / Antrag auf Festsetzung von Erbscheinskosten (§ 788 Abs. 2 ZPO) |
An das Amtsgericht ‒ Vollstreckungsgericht ‒
Gläubiger ./. Schuldner
Namens und in Vollmacht des Gläubigers wird beantragt, die dem Gläubiger entstandenen Kosten für die Beschaffung eines Erbscheins gemäß § 792 ZPO in Höhe von … EUR nebst Auslagen als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 2 ZPO festzusetzen.
Begründung Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus … (genaue Titelbezeichnung; Anlage 1). Da der Erblasser als Titelschuldner … (genaue Bezeichnung) verstorben ist, war ein Erbschein erforderlich, um die Erbenstellung des Schuldners als Rechtsnachfolger des Erblassers nachzuweisen und die Zwangsvollstreckung fortzuführen (§ 792 ZPO; Anlage 2).
Zur Beschaffung des Erbscheins sind dem Gläubiger folgende Kosten entstanden:
Gerichtskosten des Nachlassgerichts: … EUR (Anlage 1) Notarkosten (Beglaubigung, Urkunden): … EUR (Anlage 2) Anwaltskosten für die Antragstellung: … EUR (Anlage 3) … EUR
Diese Kosten waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich, da ohne Erbschein die Zwangsvollstreckung gegen die Erben nicht betrieben werden konnte. Die Kosten zählen zu den erstattungsfähigen Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788 Abs. 1, 2 ZPO; Zöller/Stöber, ZPO, 35. Aufl., § 788 Rn. 13.11).
Rechtsanwalt
Anlagen 1. Kopie Vollstreckungstitel 2. Kopie Erbschein 3. Gerichtskostenrechnung / Kostenbescheid des Nachlassgerichts 4. Notarkostenrechnung (falls angefallen) 5. Anwaltskostenrechnung |