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  • 04.06.2009 | Forderungspfändung

    Kurzarbeitergeld: So greifen Sie jetzt zu

    von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

    Die weltweite Finanzkrise führt dazu, dass immer mehr Arbeitgeber Kurzarbeit anmelden müssen und der Schuldner daher Kurzarbeitergeld (KUG) bezieht. Lohnpfändungsgläubiger müssen hierbei aufpassen, sonst führen bereits kleine Unaufmerksamkeiten dazu, dass sich keine pfändbaren Beträge mehr ergeben.  

     

    Eckpunkte des KUG

    Unter Kurzarbeit versteht man eine vorübergehende Verkürzung bis zur vor-übergehenden Einstellung der betrieblichen Arbeitszeit in dem gesamten Betrieb oder in organisatorisch abgrenzbaren Teilen. Sie dient der vorübergehenden wirtschaftlichen Entlastung des Betriebs ohne Arbeitsplatzabbau. Das KUG ist eine Lohnersatzleistung für die Ausfallzeit. Es wird aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert und nur an sozialversicherungspflichtig Beschäftigte von der Bundesagentur für Arbeit (BA) gezahlt.  

     

    Das KUG ist in §§ 169 ff. SGB III geregelt. Seit dem 1.1.09 wird es für 18 Monate gezahlt (beabsichtigt: 24 Monate!). Seine Höhe beträgt bei Arbeitgebern mit mindestens einem Kind 67 Prozent und bei den übrigen Arbeitnehmern  

    60 Prozent der durch Kurzarbeit entstandenen Nettoentgeltdifferenz.  

     

    Praxishinweis: Zur Berechnung zieht die BA das sog. Sollentgelt (= versicherungspflichtiges Bruttoarbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne Arbeitsausfall erzielt hätte) und das Istentgelt (= im Anspruchszeitraum dem Arbeitnehmer tatsächlich erzielte Bruttoentgelt) heran. Das jeweilige Nettoentgelt wird dann über eine Pauschalierung mit Hilfe von Tabellen ermittelt. Vom Netto-Sollentgelt wird dann im nächsten Schritt das Netto-Istentgelt abgezogen und dieses ist die Bezugsgröße für das KUG.  

     

    Sonderform des KUG ist zu beachten

    Für Schuldner, die im Baugewerbe tätig sind, gilt seit 2006 das sog. Saison-KUG. Es wird für die Schlechtwetterperiode - Dezember bis März - gewährt und soll Entlassungen aufgrund witterungsbedingten Auftragsmangels verhindern. Hierbei gelten spezifische Zusatzleistungen (§§ 175 ff. SGB III).  

     

    Pfändung erfasst nicht automatisch den Anspruch auf Kurzarbeitergeld

    Die Besonderheit für Gläubiger, die bereits im Rahmen einer Pfändung auf den Anspruch ihres Schuldners gegen seinen Arbeitgeber zugegriffen haben, besteht u.a. darin, dass sich die Lohnpfändung nicht automatisch auf den Anspruch des KUG erstreckt. Dies kann dazu führen, dass plötzlich keine pfändbaren Beträge mehr an den Gläubiger überwiesen werden.  

     

    Beispiel

    In 2008 hat Gläubiger G. das Arbeitseinkommen des Schuldners S. beim Drittschuldner D. gepfändet. Der monatlich an G. abzuführende pfändbare Betrag beläuft sich auf 360,40 EUR. Seit Mai befindet sich S. in Kurzarbeit, sodass sich für G. keine - oder weniger - pfändbaren Beträge ergeben.  

     

    Praxishinweis: Hat der Gläubiger demnach zunächst nur das Arbeitseinkommen gepfändet, muss zusätzlich erneut ein weiterer PfÜB ergehen, mit dem das KUG gepfändet wird.  

     

    Praxishinweis: Obwohl das KUG durch die BA ausgezahlt wird, erfolgt die Pfändung beim Arbeitgeber als Drittschuldner54 Abs. 2 bis 5 SGB I, § 181 Abs. 2 SGB III). Daher muss der PfÜB dem Arbeitgeber zugestellt werden!  

     

    Musterformulierung: Isolierte Pfändung des Anspruchs auf KUG

    An das AG - Vollstreckungsgericht - ...  

     

    Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses  

     

    Hierdurch zeige ich an, dass ich den Gläubiger ... vertrete. Namens und in Vollmacht desselben beantrage ich, den nachstehenden PfÜB zu erlassen und seine Zustellung - an die Drittschuldner mit der Aufforderung nach § 840 ZPO - zu vermitteln. Drei Abschriften sind entsprechend beigefügt. Die Zahlung der Gerichtsgebühren ist durch ... erfolgt.  

     

    Soweit das Gericht seine Zuständigkeit zum Erlass des Beschlusses nicht für gegeben erachtet, wird gemäß § 828 Abs. 3 ZPO bereits jetzt die unmittelbare Abgabe des Antrages an das örtliche zuständige Vollstreckungsgericht beantragt.  

     

    Der Gläubiger ist - nicht - zum Abzug der Vorsteuer berechtigt.  

     

    Rechtsanwalt  

     

    Pfändungs- und Überweisungsbeschluss  

     

    In der Zwangsvollstreckungssache  

     

    ... (Gläubiger) ./. ... (Schuldner)  

     

    Nach dem ... (genaue Titelbezeichnung) des ... vom ..., Az. ..., dessen vollstreckbare Ausfertigung ich (nebst dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom ..., Az. ...) und dem Zustellungsnachweis beifüge, hat der Gläubiger vom Schuldner zu beanspruchen:  

     

    Hauptforderung entsprechend anliegender Aufstellung  

    ... EUR  

    ... Prozent Zinsen für die Hauptforderung seit dem ...  

    ... EUR  

    vorgerichtliche Mahnkosten  

    ... EUR  

    Kosten des Mahn- und Vollstreckungsbescheids - festgesetzte Kosten -  

    ... EUR  

    ... Prozent Zinsen aus den festgesetzten Kosten seit dem ...  

    ... EUR  

    Kosten früherer Vollstreckungsmaßnahmen  

    ... EUR  

     

    ... EUR  

     

     

    abzüglich der Zahlungen vom ... über  

    ... EUR  

     

    ... EUR  

    0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 RVG-VV  

     

    aus dem Wert der Vollstreckungsforderung von ... EUR  

    ... EUR  

    Auslagenpauschale nach Nr. 7002 RVG-VV  

    ... EUR  

    19 Prozent Umsatzsteuer nach Nr. 7008 RVG-VV  

    ... EUR  

    Gerichtskosten für diesen Beschluss nach Nr. 2111 GKG-KV  

    15,00 EUR  

     

    ... EUR  

     

     

    Wegen dieser Ansprüche und in Höhe dieses Betrags - sowie wegen der Zustellungskosten für diesen Beschluss - werden die angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen Arbeitgeber ... - Drittschuldnerin - auf Zahlung des Kurzarbeitergeldes nach §§ 169 ff. SGB III gepfändet.  

     

    Der Drittschuldnerin wird verboten, an den Schuldner zu zahlen. Dem Schuldner wird geboten, sich jeder Verfügung über die gepfändeten Ansprüche und Rechte einschl. der Gestaltungsrechte, vor allem ihrer Einziehung, zu enthalten. Dem Gläubiger werden die Rechte zur Einziehung überwiesen. Zugleich wird dem Schuldner aufgegeben, dem Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötigen Auskünfte zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden, insbesondere den Bescheid über das Kurzarbeitergeld herauszugeben.  

     

    Rechtspfleger  

     

     

     

    Musterformulierung: Gleichzeitige Pfändung des Anspruchs auf Arbeitsentgeld und KUG

    ... wie zuvor S. 99...  

     

    Wegen dieser Ansprüche und in Höhe dieses Betrags - sowie wegen der Zustellungskosten für diesen Beschluss - wird die angebliche Forderung des Schuldners gegen ... - Drittschuldner -  

     

    • auf Zahlung des gesamten, auch künftigen Arbeitseinkommens, gleich wie es benannt ist, einschließlich des Geldwertes von Sachbezügen;

     

    • auf Zahlung des Kurzarbeitergeldes nach den §§ 169 ff. SGB III;

     

    • auf Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs sowie Kirchensteuerjahresausgleichs für das Kalenderjahr ... und alle fortlaufenden Kalenderjahre sowie auf Auszahlung des als Überzahlung jeweils auszugleichenden Erstattungsbetrags

     

    so lange gepfändet, bis die Gläubigeransprüche vollständig befriedigt sind. Der Drittschuldner darf, soweit die Forderung gepfändet ist, nicht mehr an den Schuldner zahlen. Der Schuldner darf den gepfändeten Teil des Arbeitseinkommens nicht mehr verlangen, ihn auch nicht verpfänden oder abtreten. Soweit die Forderung des Schuldners an den Drittschuldner gepfändet ist, wird sie dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen. Von der Pfändung sind ausgenommen und nicht mitzurechnen:  

     

    • Beträge, die unmittelbar aufgrund steuer- oder sozialrechtlicher Vorschriften zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen des Schuldners abzuführen sind, ferner auf den Auszahlungszeitraum entfallende Beträge, die der Schuldner nach den Vorschriften der Sozialversicherungsgesetze zur Weiterversicherung entrichtet oder an eine Ersatzkasse oder an ein Unternehmen der privaten Krankenversicherung leistet, soweit diese Kassenbeiträge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen;

     

    • Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und andere soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigung, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahren-, Schmutz- und Erschwerniszulagen (alle Bezüge jedoch nur in üblicher Höhe);

     

    • die Hälfte der für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Teile des Arbeitseinkommens;

     

    • Weihnachtsvergütungen bis zur Hälfte des monatlichen Nettoarbeitseinkommens, höchstens aber bis 500 EUR;

     

    • die in § 850a Nr. 2, 5 bis 8 ZPO genannten Bezüge (z.B. Urlaubs- und Treuegelder, Heirats- und Geburtsbeihilfen, Erziehungsgelder, Sterbe- und Gnadenbezüge sowie Blindenzulagen).

     

    Von dem so errechneten Netto-Einkommen ergibt sich der pfändbare Betrag unter Berücksichtigung von Unterhaltspflichten des Schuldners aus der Tabelle zu § 850c ZPO.  

     

    Dem Schuldner wird aufgegeben, an den Gläubiger die Lohnabrechnungen der letzten drei Monate vor der Pfändung sowie die laufenden Lohnabrechnungen seit der Pfändung gemäß § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO herauszugeben (BGH 20.12.06, VII ZB 58/06). Gleiches gilt für die Jahreslohnsteuerbescheinigung, sowie den Bescheid über das Kurzarbeitergeld. Zugleich wird zur Klarstellung angeordnet, dass die Drittschuldnerin die Ansprüche auf Arbeitseinkommen und Kurzarbeitergeld zusammenrechnen muss. Aus dem addierten Betrag ist dann der nach § 850c ZPO sich ergebende pfändbare Betrag an den Gläubiger abzuführen.  

     

    Rechtspfleger  

     

    Keine Zusammenrechnung erforderlich

    Obwohl der Schuldner zwei unterschiedliche Einkunftsarten bezieht, muss der Gläubiger gemäß § 850e ZPO keine Addition dieser Einkünfte beantragen. Die Vorschrift setzt nämlich voraus, dass der Schuldner mehrere Einkünfte von unterschiedlichen Drittschuldnern bezieht.  

     

    Dies ist jedoch beim Kurzarbeitergeld nicht der Fall. Es wird neben dem Einkommen ebenfalls vom Arbeitgeber ausbezahlt. Es handelt sich vielmehr um einheitliches Arbeitseinkommen (LAG Hamm ZVI 07, 81).  

     

    Infolge dessen muss der Arbeitgeber die Leistungen selbstständig addieren und hieraus den pfändbaren Betrag gemäß § 850c ZPO ermitteln.  

     

    Praxishinweis: Dennoch sollte der Gläubiger sicherheitshalber die Addition in seinem PfÜB-Antrag klarstellend beantragen. Ein solcher Antrag ist unschädlich und hat für den Drittschuldner lediglich deklaratorische Bedeutung. Für den Gläubiger hat dies den Vorteil, dass der Drittschuldner sich nach Zustellung des PfÜB nicht darauf berufen kann, er hätte nichts von einer Addition gewusst. Insofern können somit von vornherein Streitigkeiten vermieden werden.  

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2009 | Seite 98 | ID 127473