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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Kulturelle Leistungen: In diesen Fällen winkt eine Steuerbefreiung durch amtliche Bescheinigung

    von Ulrich Goetze, Steuerberater, Wunstorf

    | Kulturelle Leistungen eines Vereins sind von der Umsatzsteuer befreit, wenn die Kulturbehörde bescheinigt hat, dass dieser die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllt wie eine Einrichtung des öffentlichen Rechts. Zu dieser Bescheinigung hat es im Laufe der Jahre umfangreiche Rechtsprechung und Anwendungsschreiben der Finanzverwaltung gegeben. Machen Sie sich mit den Einzelheiten vertraut, um für Ihren Verein im konkreten Fall das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. |

    Grundsätzliches zur Bescheinigung für Kultureinrichtungen

    Kulturelle Tätigkeiten von Vereinen unterliegen generell dem ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent. Anderes gilt für die Umsätze der Theater, Orchester, Kammermusikensembles und Chöre, die von Gebietskörperschaften geführt werden. Sie bleiben steuerfrei. Aus Gründen der Gleichbehandlung sind deshalb auch Umsätze gleichartiger Einrichtungen steuerbefreit(§ 4 Nr. 20a Satz 2 UStG).

     

    Voraussetzung für die Befreiung ist eine Bestätigung der zuständigen Landesbehörde (Kultusministerium), dass der Verein die gleichen kulturellen Aufgaben wie die Einrichtungen der Gebietskörperschaften erfüllt. Inhalt der Bescheinigung ist die Eignung der Einrichtung bzw. Vergleichbarkeit mit Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft.

     

    PRAXISHINWEISE |  

    • Die Landesbehörde kann nicht nur vom Verein, sondern auch vom Finanzamt eingeschaltet werden. Damit wäre dem Verein die Möglichkeit verwehrt, durch Nichtvorlage der Bescheinigung auf die Steuerbefreiung zu verzichten und den Vorsteuerabzug zu erreichen.
    • Es ist jedem Träger von kulturellen Einrichtungen anzuraten, einen Antrag auf Bescheinigung zu stellen - auch wenn eine negative Feststellung (= Erhalt des Vorsteuerabzugs) angestrebt wird. Nur so erlangt der Verein Rechtssicherheit.
     

    Die Bescheinigung gilt für den Zeitraum, der in der Bescheinigung angegeben ist. Im Rahmen der Festsetzungsfrist der Umsatzsteuerbescheide ist sie auch rückwirkend anzuwenden.

     

    Die Finanzämter entscheiden in eigener Zuständigkeit, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit vorliegen. Dazu gehört insbesondere, ob es sich um eine dem Theater, Orchester usw. gleichartige Einrichtung handelt. Das ist der Fall, wenn eine abgegrenzte, funktionsfähige Einheit im Sinne einer Zusammenfassung sachlicher und persönlicher Mittel vorhanden ist.

     

    Der Verein muss darüber hinaus selber abgrenzen, ob und inwieweit es sich um Umsätze im Sinne des § 4 Nr. 20 UStG handelt. Andere Umsätze, wie zum Beispiel der Verkauf von Tonträgern, für Autogrammstunden, Autorenhonorare oder gesellige Veranstaltungen fallen nicht unter § 4 Nr. 20 UStG.

    Erfüllung kultureller Aufgaben

    Die Bescheinigung des Kultusministeriums ist ein Grundlagenbescheid nach § 171 Abs. 10 AO. Sie ist für das Finanzamt bindend.

     

    Kriterienkatalog entscheidet über Gewähr der Steuerbefreiung

    Angesichts der uneinheitlichen Verwaltungspraxis zur Frage der „gleichen kulturellen Aufgaben“ hat eine von der Kultusministerkonferenz eingesetzte länderübergreifende Arbeitsgruppe einen Kriterienkatalog erarbeitet, die den Kulturauftrag staatlicher Einrichtungen skizziert. Diesen legen Behörden und Gerichte den Entscheidungen zugrunde, ob der Kulturverein wie die steuerbefreite öffentliche Einrichtung agiert.

     

    Nach dem Kriterienkatalog sind die kulturellen Aufgaben der Einrichtungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft gekennzeichnet durch

    • kulturelle Bildung,
    • das Bewahren des kulturellen Erbes,
    • die Nachwuchsgewinnung und -förderung,
    • die Wahrnehmung experimenteller Kunst trotz wirtschaftlichen Risikos,
    • die Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit und
    • die Wissenschaftlichkeit der Sammlungen.

     

    Kriterienkatalog mittlerweile von der Rechtsprechung anerkannt

    Die Kriterien sind erstmals vom Verwaltungsgericht Leipzig anerkannt worden (VG Leipzig, Urteil vom 22.5.2012, Az. 6 K 287/10): Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat sie als Revisionsinstanz übernommen (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 31.7.2013, Az. 14 A 2542/12; Abruf-Nr. 142270).

    Welche Vereine und Leistungen sind „bescheinigungswert“?

    Der folgenden Übersicht entnehmen Sie, welche Vereine bzw. Leistungen „bescheinigungswert“ - also steuerbefreit - sind.

     

    Bescheinigung für Theater

    Bei Theatern handelt es sich um Einrichtungen, die künstlerische Leistungen in Form von Theateraufführungen präsentieren. Theatervorführungen sind Inszenierungen jeglicher Art - klassisch, modern, ernst oder lustig -, in denen sich Darsteller durch Kommunikationsmittel wie Sprache, Körper oder Musik auf einer Bühne an Zuschauer wenden. Ein eigenes oder gemietetes Theatergebäude braucht nicht vorhanden zu sein. Unter die Befreiungsvorschrift fallen deshalb auch die Theatervorführungen im Fernsehstudio, unabhängig davon, ob die Vorführung live übertragen oder aufgezeichnet wird.

     

    Filmvorführungen, Varietéaufführungen und sonstige Veranstaltungen der Kleinkunst fallen nicht unter die Steuerbefreiung (UStAE Nr. 4.20.1 Abs. 2).

     

    Abzustellen ist auf die Programmgestaltung, die Zielsetzung und den Wirkungsbereich eines Theaters. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung müsse ersichtlich werden, dass es sich bei dem Theater des Vereins um eine hinreichend gewichtige kulturelle Spielstätte in der Region handelt. Hinweise sind das Repertoire, die Häufigkeit der Auftritte, die Zahl der Besucher und das Medienecho, aus denen sich ablesen lässt, dass es sich um ernstzunehmende Aufführungen handelt. Das künstlerische Niveau muss nicht den professionellen Mitwirkenden von Theatern der öffentlichen Träger entsprechen (VG Würzburg, Urteil vom 16.1.2008, Az. W-6 K 07.1265).

     

    Bescheinigung für Orchester und Chöre

    Zu den Orchestern, Kammermusikensembles und Chören gehören alle Musiker- und Gesangsgruppen, die aus zwei oder mehr Mitwirkenden bestehen. Auf die Art der Musik kommt es nicht an; auch Unterhaltungsmusik kann unter die Vorschrift fallen. Letztendlich ist der Begriff des Konzerts als Oberbegriff zu verstehen. Unter Konzerten sind Aufführungen von Musikstücken zu verstehen, bei denen Instrumente und/oder die menschliche Stimme eingesetzt werden (BFH, Urteil vom 26.4.1995, Az. XI R 20/94). Im Übrigen gelten die Abgrenzungskriterien für Theater.

     

    Bescheinigung für Solokünstler

    Die Einordnung von Solokünstlern als Einrichtungen im Sinne von § 4 Nr. 20 UStG ergibt sich nicht aus dem Umsatzsteuergesetz. In der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie heißt es, die Mitgliedstaaten befreien bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten kulturellen Einrichtungen erbracht werden, von der Steuer (Art. 132 Abs. 1 Buchstabe n).

     

    Die Möglichkeit, dass auch Solisten als „Einrichtung“ anerkannt werden, hat erst der EuGH eröffnet. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet es, Gesangssolisten durch Auslegung des Begriffs der „Einrichtungt“ ungleich zu behandeln (EuGH, Urteil vom 3.4.2003, Rs. C-144/00 „Hoffmann3“). Der BFH hat im Anschluss daran entschieden, dass Leistungen von Gesangssolisten, die diese im Rahmen der Konzertveranstaltungen erbringen, gegenüber dem Veranstalter ebenso steuerfrei sind wie die gesamte konzertante Veranstaltung, wenn die Kulturbehörde dem Veranstalter eine Bescheinigung nach§ 4 Nr. 20a Satz 2 UStG erteilt (BFH, Urteil vom 18.2.2010, Az. V R 28/08; Abruf-Nr. 101371). Die Finanzverwaltung hat diese Auffassung im Umsatzsteuer-Anwendungserlass übernommen (UStAE Nr. 4.20.2).

     

    PRAXISHINWEIS | Als Folge der fakultativen Umsatzsteuerbefreiung des Solokünstlers hat die Rechtsprechung die umsatzsteuerliche Behandlung bei den Veranstaltern von kulturellen Leistungen differenziert.

    • Die Erlöse des Konzertveranstalters sind umsatzsteuerbefreit, wenn alle Mitwirkenden des Konzerts eine Freistellungsbescheinigung vorlegen können.
    • Die Einnahmen sind nicht steuerbefreit, wenn zwar das Orchester eine Freistellungsbescheinigung hat, nicht aber der begleitete Solist.
     

     

    Steuerfreiheit von Orchestermitgliedern

    Auch freiberufliche Musiker, die fallweise zur Durchführung von Konzerten, Tourneen und für die Herstellung von Tonträgeraufnahmen verpflichtet werden, können eine Bescheinigung des Kultusministeriums erhalten, dass ihre Tätigkeiten gegenüber dem Orchester als kulturelle Leistungen anerkannt werden. Dies hat zur Folge, dass ihre vom Orchester gezahlten Honorare umsatzsteuerfrei sind (BFH, Urteil vom 18.2.2010, Az. V R 28/08; Abruf-Nr. 101371).

     

    Steuerfreiheit von ausländischen Künstlern

    Soweit ausländische Theater, Orchester oder Solokünstler im Inland an verschiedenen Orten gastieren, genügt für die Steuerbefreiung eine Bescheinigung derjenigen Landesbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich das ausländische Ensemble oder der Solist erstmalig im Inland tätig wird.

     

    Bescheinigung für weitere Personen im Kulturbereich

    Nachdem die Künstler als natürliche Personen die Anerkennung als „kulturelle Einrichtungen“ durchgesetzt hatten, war es nur folgerichtig, dass weitere kulturschaffende Berufsgruppen die Steuerbefreiungen ihrer Tätigkeiten erhielten. Durch eine Ergänzung des § 4 Nr. 20 UStG sind seit dem 1. Juli 2013 auch die Umsätze von Bühnenregisseuren und -choreographen von der Umsatzsteuer befreit, soweit die Leistungen an begünstigte Einrichtungen erbracht wurden und die zuständige Landesbehörde bescheinigt hat, dass deren künstlerische Leistungen diesen Einrichtungen unmittelbar dienen.

     

    PRAXISHINWEIS | Damit ist insoweit eine neue Definition geschaffen worden. Denn die Leistungen der Bühnenregisseure und -choreographen sind nicht generell steuerbefreit, soweit sie eine Bescheinigung haben, sondern nur, wenn der Leistungsempfänger auch eine Bescheinigung des Kultusministeriums hat. Folglich hat die Bescheinigung dieser Berufsgruppen eine andere Wirkung als die eines Solokünstlers. Dessen Bescheinigung ist Grundlage und Voraussetzung für die Steuerbefreiung seiner eigenen Gage und zugleich der Veranstaltungserlöse, sofern alle auftretenden Künstler diese Bescheinigung haben.

     

    Die Finanzverwaltung grenzt den Kreis der im Kulturbereich Tätigen ab. Begünstigt sind folgende Berufe:

     

    • Dirigenten
    • Bühnenregisseure
    • Bühnenchoreographen
    • Diskjockeys, die Musik durch Verfremden und Mischen bestehender Musik darbieten.

     

    Größer ist die Liste der Berufe, die nicht begünstigt sind. Dieses Schicksal teilen:

     

    • Intendanten
    • Leistungen der Regisseure im Bereich von Film, Fernsehen und Hörspiel
    • Bühnen- und Kostümbildner
    • Tontechniker und Beleuchter
    • Maskenbildner
    • Souffleusen
    • Cutter
    • Kameraleute
    • Artisten
    • Zauberer
    • Bauchredner
    • Diskjockeys, die „fertige“ Musik abspielen

     

    Die Finanzverwaltung grenzt die Tätigkeiten recht ungenau dahingehend ab, dass die Leistungen der Tontechniker, Beleuchter, Maskenbildner, Souffleusen, Cutter oder Kameraleute nicht fähig sind, ein Kunstwerk zu transportieren oder sich künstlerisch auszudrücken (OFD Niedersachsen, Verfügung vom 20.8.2013, Az. S 7238-18-St 183; Abruf-Nr. 142271).

     

    PRAXISHINWEIS | Hier dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Denn in der Aufzählung stehen auch Regisseure und Bühnenbildner. Letztere sind aber zwischenzeitlich als begünstigte Tätigkeiten anerkannt. Zudem dürfte jedem bewusst sein, dass beispielsweise Tontechniker, Beleuchter und Maskenbildner eine Aufführung sehr wesentlich mitgestalten und damit eigenständig künstlerisch tätig sind.

     

    Beachten Sie | Unstreitig - richtig - dürfte es sein, die Leistungen der Intendanten von Theater oder Musikfestivals nicht von der Umsatzsteuer frei zu stellen. Denn diese führen keine darstellende Kunst aus, da ihre Tätigkeiten in der Organisation, Finanzen und Personalwirtschaft bestehen.

     

    Nach Auffassung der Finanzverwaltung (OFD Niedersachsen, Verfügung vom 20.8.2013, siehe oben) sind Leistungen der Artisten, Zauberer und Bauchredner mit dem Regelsatz zu versteuern, weil sie mit den Leistungen von Theatern, Orchestern und Chören nicht vergleichbar sind.

     

    PRAXISHINWEIS | Auch das ist unseres Erachtens fehlerhaft. Denn die Leistungen von Artisten, Zauberern und Bauchrednern müssten mit denen von Solokünstlern verglichen werden (siehe oben). Im Einzelfall wäre dann anhand des Charakters des Auftritts dieser Personen zu bewerten, ob es sich um eine begünstigte Tätigkeit handelt.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag „So werden kulturelle Leistungen und Kulturvereine umsatzsteuerlich behandelt“, VB 7/2014, Seite 9
    • Beitrag in Vorbereitung „Die Umsatzbesteuerung im Einzelnen und die Abgrenzung von steuerpflichtigen Umsätzen“, VB 9/2014
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 12 | ID 42843518