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  • · Fachbeitrag · Stiftung & Recht

    Haftung des Vorstands für Spekulationsgeschäfte

    von RA Berthold Theuffel-Werhahn, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung, PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

    | Wieder einmal gilt es von einer Gerichtsentscheidung zu berichten, bei der ein Stiftungsorgan wegen pflichtwidriger Anlage des Stiftungsvermögens von der Stiftung auf Zahlung von Schadenersatz in Anspruch genommen und - wenngleich nicht in vollem Umfang - auch verurteilt wurde (OLG Oldenburg 8.11.13, 6 U 50/13, Abruf-Nr. 140288 ). |

    1. Sachverhalt

    Das Stiftungsvermögen einer rechtsfähigen kirchlichen Stiftung bürgerlichen Rechts hatte sich von 2001 bis 2008 um rund 6,28 Mio. EUR auf etwa 2,55 Mio. EUR reduziert. Der Beklagte (Theologe und Pfarrer) war bis zum Zeitpunkt seiner Abberufung in 2008 alleiniger, vom Stiftungskuratorium bestellter Vorstand und gesetzlicher Vertreter der Stiftung. Nach der Stiftungssatzung ist das oberste Organ der Stiftung das Kuratorium, das die Geschäftsführung des Vorstands überwacht und diesem gegebenenfalls Weisungen erteilt. Das Kuratorium beschloss insbesondere über Angelegenheiten grundsätzlicher Bedeutung. Nach der Stiftungssatzung gehörte zu den Aufgaben des Stiftungsvorstands auch die Verwaltung des Stiftungsvermögens, wobei das Kuratorium dem Vorstand allgemeine Richtlinien erteilen konnte und sich die Zustimmung zu Rechtsgeschäften von besonderer Bedeutung vorbehielt.

     

    Auf ihren Antrag hatte die Stiftungsaufsicht die Stiftung in 1994 von der Pflicht zur mündelsicheren Anlage des Stiftungskapitals dahingehend befreit, dass das Stiftungskapital mit einem Anteil bis zu einem Drittel in nicht mündelsicheren Papieren angelegt werden darf. In 2001 schloss der Stiftungsvorstand einen Vollmachtsdepotvertrag, wonach der Aktienanteil bis zu 80 % (des gesamten Depotvolumens) betragen durfte. Für die Geschäftsjahre 2001 bis 2004 wurde dem Vorstand Entlastung erteilt, für die Folgejahre erfolgte keine Entlastung, weil sie weder beantragt noch erteilt wurde. Im September 2008 wurde der Stiftungsvorstand abberufen und das Anstellungsverhältnis gekündigt. Mit der Klage begehrte die Stiftung von ihrem früheren Stiftungsvorstand u.a. Schadenersatz, weil dieser durch pflichtwidrige Vermögensverwaltung in Form von An- und Verkäufen von Wertpapieren in den Jahren 2006 bis 2008 für einen Verlust des Stiftungsvermögens von 226.853,18 EUR verantwortlich gewesen sein soll.

    2. Schuldhafte Pflichtverletzung durch zu riskante Anlagen

    Nach § 6 Abs. 1 S. 1, § 20 Abs. 2 S. 2 und § 16 Nds. StiftungsG ist das Stiftungsvermögen in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten. Die Mitglieder der Stiftungsorgane sind zur ordnungsgemäßen Verwaltung der Stiftung verpflichtet. Organmitglieder, die ihre Pflichten schuldhaft verletzten, sind der Stiftung zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

     

    2.1 Pflichten des Stiftungsvorstands

    Der Stiftungsvorstand hat bei den Vermögensinteressen der Stiftung eine treuhänderische Funktion, deren Bindungskraft besonders beim Fehlen eines Kontrollorgans beträchtlich höher ist als bei normalen Anstellungsverträgen. Nach dem hier geschlossenen Anstellungsvertrag musste der Stiftungsvorstand im Rahmen der Geschäftsführung „für die wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Belange in bester Weise sorgen“. Bei seinen Entscheidungen hat sich der Vorstand allein vom Wohl der Stiftung leiten zu lassen. Wird der Vorstand - wie hier - nur durch eine Person repräsentiert, verfügt diese im Rahmen von Stiftungszweck und Satzung über einen ungewöhnlichen, beträchtlichen Handlungsspielraum.

     

    Ausgehend vom Grundsatz der Erhaltung des Stiftungsvermögens darf Kapital weder verschenkt noch verbraucht und auch nicht verringert werden. Eine Schadenersatzpflicht kann sich aus einer risikoreichen Anlage des Stiftungsvermögens in Aktien ergeben. Dabei haften Organmitglieder bei schuldhaften Pflichtverletzungen mit ihrem gesamten Privatvermögen. Wegen des Grundsatzes der Vermögenserhaltung obliegt es dem Vorstand grundsätzlich, das Kapital der Stiftung mündelsicher anzulegen.

     

    PRAXISHINWEIS | Dies trifft entgegen der Auffassung des OLG Oldenburg jedoch nur zu, wenn, wie in dem vom Gericht zu entscheidenden Sachverhalt, die Stiftungssatzung dies vorschreibt (was stiftungszivilrechtlich zulässig ist, aber kaum sinnvoll wäre,Theuffel-Werhahn/Siebert, ZStV 13, 1). Effektiv führt die Anlage ausschließlich oder überwiegend in mündelsichere Wertpapiere bei der heutigen Kapitalmarktsituation wegen des Kaufkraftschwunds zu einem Realkapitalverlust, was seinerseits eine (teilweise) Vernichtung des Stiftungsvermögens bedeutet und Anlass böte, über die Haftung eines derart risiko-aversen Stiftungsvorstands nachzudenken (Theuffel-Werhahn, SB 12, 228).

     

    2.2 Vermögenserhaltung kontra Vermögensvermehrung

    Aus dem Sachverhalt folgert das Gericht, dass es offensichtlich auch im Interesse des Kuratoriums gelegen hat, das Vermögen mit hohen Gewinnaussichten anzulegen. Wenn Kuratorium und Vorstand in dem damaligen Zeitraum (2000/2001) interessiert gewesen sind, möglichst hohe Zinsen zu erhalten, ist damit zugleich ein erhebliches Risiko verbunden, weil man hohe Erträge in den Jahren 2001 und folgende nur bei riskanten Geschäften hat erzielen können. Ein Indiz für diese Erkenntnis ist auch der Kuratoriumsbeschluss über die Erlaubnis einer nicht mündelsicheren Anlage von Stiftungskapital. Daraus ergibt sich, dass man bereit gewesen ist, durchaus ein Risiko bei Anlagegeschäften einzugehen, was dem Grundsatz der Vermögenserhaltung grundsätzlich widerspräche.

     

    Das Gericht entschied, dass wenn das Kuratorium eine Geldanlage - jedenfalls überwiegend - ohne Risiko gewollt habe, es dem Stiftungsvorstand klare Anweisungen hätte geben müssen bzw. für entsprechende Vorschriften in der Satzung hätte sorgen müssen. Auch das Kuratorium, das über die Geldanlagen informiert gewesen sei - so das Gericht - habe nach der Prämisse „Vermögensmehrung statt Vermögenserhaltung“ verfahren wollen, um Gewinne für den laufenden Geschäftsbetrieb einsetzen zu können, insbesondere zur Finanzierung der erheblichen Ausgaben der Stiftung im Rahmen des Geschäftsbetriebes, etwa die erheblichen Lohnkosten. Nach der Erkenntnis des Gerichts sollten gerade die Gewinne aus den Wertpapiergeschäften den Stiftungszweck Bibliotheks- und Forschungsbetrieb auf Dauer finanzieren, was ohne beträchtliche Erträge nicht möglich gewesen wäre.

     

    2.3 Vermögenserhaltungsgebot des § 6 Abs. 1 Nds. StiftungsG

    Damit ist allerdings unabhängig von einer Fortgeltung einer Begrenzung von 33,3 % einer nicht mündelsicheren Anlage von Stiftungskapital noch nicht entschieden, ob der Stiftungsvorstand die abgeschlossenen Anlagegeschäfte in der konkreten Form abschließen durfte. Immerhin galt für ihn das Vermögenserhaltungsgebot gemäß § 6 Abs. 1 Nds. StiftungsG. In Ausübung seiner treuhänderischen Funktion oblag dem Stiftungsvorstand die eigenverantwortliche Entscheidung, in welcher Form er unabhängig von dem geäußerten Willen des Kuratoriums einen nicht unerheblichen Teil des Stiftungsvermögens anlegen wollte. Ihn trifft dabei eine hohe Sorgfaltspflicht, zumal er als Pfarrer und Theologe kaum über ausreichende betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Kompetenzen verfügt. Deshalb hätte er die Sorgfaltspflicht notfalls unter Hinzuziehung eines Fachmannes erfüllen müssen.

    PRAXISHINWEIS | Das Gericht hält ein professionelles Wertpapiermanagement und eine vorherige Abstimmung der Anlagen mit Kuratorium und Stiftungsaufsichtsbehörde für empfehlenswert. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen.

     

    Im Interesse der Stiftung, aber auch zur Haftungsvermeidung bzw. -reduzierung, empfiehlt sich der Erlass von Anlagerichtlinien unter fachmännischer Beratung und deren vorherige Abstimmung mit der Stiftungsbehörde (Theuffel-Werhahn/Siebert, ZStV 13, 1, 6). Dass auch Anlagerichtlinien den Eintritt von Vermögensverlusten nicht verhindern können, bedarf keiner näheren Erläuterung. Zur Haftung des Vorstands für das Stiftungsvermögen auch Sobotta/von Cube, DB 09, 2082.

     

    Der Grundsatz der Vermögenserhaltung zieht dem Vorstand enge Grenzen bei der Entscheidung, Stiftungskapital auf dem freien Markt anzulegen. Selbst wenn ihm eine nicht mündelsichere Anlage des Stiftungskapitals erlaubt gewesen ist, hätte er sich bei seiner Entscheidung nicht (allein) von dem Bestreben möglichst hoher Erträge leiten lassen dürfen.

    PRAXISHINWEIS | Risikoträchtige Vermögensanlagen sind - auch wenn Verluste eintreten - grundsätzlich nicht verboten (es sei denn, die Stiftungssatzung sieht dies ausdrücklich vor). Es kommt auf die Abwägung der Chancen und Risiken, die fachmännische Beratung bei der Anlage, Risikostreuung, die Einholung weiterer Angebote und Meinungen sowie die Dokumentation dieser Faktoren an.

    2.4 Verantwortung der beratenden Banken

    Der Stiftungsvorstand kann sich auch nicht darauf zurückziehen - so das OLG - die Banken hätten die Käufe getätigt und auch später die Geldanlagen vorgenommen. Bei einer derart hohen Summe muss er sich in Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Stiftung stets erkundigen, wie sich die Geldanlagen entwickelten, notfalls muss er als Vorstand einschreiten.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei solchen Sachverhalten stellt sich stets auch die Frage, ob die Bank oder der Vermögensverwalter die Stiftung de lege artis beraten hat oder nicht. Bei einer schuldhaften und pflichtwidrigen Falschberatung oder unterlassener Aufklärung über Risiken kommen Regressansprüche in Betracht. Bestehen derartige fällige und durchsetzbare Regressansprüche und lassen sich diese - vorbehaltlich eines stets vorhandenen Prognoserisikos - darlegen und beweisen, sind die Stiftungsorgane gegebenenfalls verpflichtet, diese auch geltend zu machen. Anderenfalls machen sich die Stiftungsorgane wegen der Nichtgeltendmachung gegenüber der Stiftung regresspflichtig.

     

    2.5 Verletzung von Informationspflichten und weitere Untätigkeit

    Nach der Satzung hatte sich das Kuratorium die Zustimmung zu Rechtsgeschäften von besonderer Bedeutung vorbehalten. Dem Stiftungsvorstand hätte klar sein müssen, dass es sich bei der Vermögensanlage eines erheblichen Teils des Stiftungskapitals um ein solch besonderes Geschäft handelt, sodass man von ihm - auch zwecks Wahrung seiner eigenen Rechtsposition und Belange - hätte erwarten dürfen und müssen, dass er das Kuratorium vorab informierte und dessen Zustimmung abwartet.

     

    Auch in der Folgezeit hätte er als alleiniger verantwortlicher Vorstand nicht untätig bleiben und das durchaus bestehende Risiko weiterer Verluste einfach hinnehmen dürfen. Von dem Vorhandensein eines entsprechenden Problembewusstseins zeugt der Inhalt eines Protokolls aus 2003. Danach hat der Vorstand erklärt „die Stiftung sei durch die Verhältnisse am internationalen Kapitalmarkt in eine sehr schwierige Vermögenslage geraten“. Die Einbuße betrage 2,4 Mio. EUR. In der Sitzung habe ein Kuratoriumsmitglied geäußert, „vorrangiges Ziel muss jetzt sein, das Kapital zu erhalten“. Der Stiftungsvorstand hätte aus den erlittenen Verlusten für sich die notwendigen Lehren ziehen und das Gespräch mit den Banken suchen müssen, wie man weiteren Verlusten vorbeugen kann und welche Maßnahmen konkret ergriffen werden müssen, etwa Verkauf oder Umschichtung. Insbesondere hätte er durch sein passives Verhalten den Banken nicht ermöglichen dürfen, weiterhin risikoreiche Geldanlagegeschäfte vorzunehmen.

     

    Solange er keine klaren Weisungen durch das Kuratorium erhalten hat, hätte er selbstständig und eigenverantwortlich zum Wohle der Stiftung einschreiten müssen. Seine Aufgabe als Vorstand wäre es gewesen, das noch vorhandene Stiftungskapital zu erhalten und nicht einer weiteren Schmälerung preiszugeben, mögen auch vom Kuratorium eine konkrete Umschichtung nicht angemahnt worden sein und das Kuratorium eine Lösungsmöglichkeit oder eine konkrete Vorgehensweise noch nicht entwickelt haben. Das Untätigbleiben des Stiftungsvorstands sowie sein Festhalten an den riskanten Anlagegeschäften stellten eine schuldhafte Pflichtverletzung dar. Die Anlagestrategie und -entscheidungen des Stiftungsvorstands haben schließlich auch zu einem Vermögensschaden bei der Stiftung von 226.853,18 EUR geführt.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zum Mitverschulden des Kuratoriums siehe den Folgebeitrag in SB 3/2014
    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 31 | ID 42499877