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  • · Fachbeitrag · Stiftungsreform

    Wer bin ich ‒ und wenn ja, wie viele? Das „Wesen der Stiftung“

    von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR und FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung, PricewaterhouseCoopers GmbH WPG, Kassel

    | Das Bundesjustizministerium wird auf der Grundlage des zweiten Berichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Stiftungsrechts erstellen. Die vorgeschlagenen Änderungen werden hier vorgestellt. |

    1. Neufassung von § 80 BGB

    § 80 BGB soll nach dem Willen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ künftig folgende Fassung erhalten:

     

    • § 80 ‒ Wesen und Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung
    • (1) Die Stiftung ist eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete mitgliederlose juristische Person. Die Stiftung ist auf unbestimmte Zeit zu errichten. Abweichend von Satz 2 kann eine Stiftung für einen bestimmten Zeitraum errichtet werden, innerhalb dessen ihr gesamtes Vermögen zur Erfüllung ihres Zwecks zu verbrauchen ist (Verbrauchsstiftung).

     

    • (2) Zur Entstehung der Stiftung sind das Stiftungsgeschäft und die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes erforderlich, in dem die Stiftung ihren Sitz haben soll. Wird die Stiftung erst nach dem Tode des Stifters anerkannt, so gilt sie für Zuwendungen des Stifters als schon vor dessen Tod entstanden.
     

    2. Beschreibung der Rechtsform der Stiftung

    In § 80 BGB-neu soll die Rechtsform der Stiftung umschrieben werden und die Voraussetzungen für die Entstehung der Stiftung geregelt werden. § 80 Abs. 1 BGB-neu regelt die für die Rechtsform Stiftung prägenden Merkmale. Die Vorschrift stellt klar, dass Stiftungen vom Stifter nur befristet werden können, wenn sie als Verbrauchsstiftungen ausgestaltet werden. Die Legaldefinition der Verbrauchsstiftung entspricht der Definition im bisherigen § 80 Abs. 2 S. 2 BGB.

     

    In § 80 Abs. 1 BGB-neu wird die Rechtsform der rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts umschrieben. Die Vorschrift gilt nicht für andere Stiftungsformen, wie die rechtsfähigen Stiftungen des öffentlichen Rechts oder die unselbstständigen Stiftungen. Dies folgt schon aus dem Standort der Vorschrift in dem Untertitel des Bürgerlichen Gesetzbuchs, in dem nur das Organisationsrecht für die rechtsfähige Stiftung des Privatrechts geregelt wird.

     

    Beachten Sie | Die Merkmale, die die Rechtsform der Stiftung prägen, können bisher nur aus der Zusammenschau der §§ 80 ff. BGB und den Vorschriften der Landesstiftungsgesetze erschlossen werden. Das macht die Rechtsform für Stifter und andere Rechtsanwender schwer zugänglich und führt zu sehr unterschiedlichen Auffassungen über rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts und ihr Organisationsrecht.

     

    Die Stiftung als juristische Person des Privatrechts unterscheidet sich von den anderen körperschaftlich organisierten juristischen Personen des Privatrechts wie rechtsfähigen Vereinen, Kapitalgesellschaften und Genossenschaften dadurch, dass sie keine Mitglieder hat. Charakteristisch für die Stiftung sind der Stiftungszweck und das Stiftungsvermögen sowie die Verknüpfung von Zweck und Vermögen.

    3. Zweck und Vermögen der Stiftung

    Der Zweck der Stiftung, den der Stifter im Stiftungsgeschäft festlegen muss, gibt der juristischen Person Stiftung ihren Inhalt. Der Stiftungszweck ist der Leitsatz der Stiftungstätigkeit, mit dem der Stiftung ein festes Ziel gegeben wird, an dem ihre Tätigkeit auszurichten ist. Er kann aus mehreren Teilzwecken bestehen, was z. B. bei Bürgerstiftungen regelmäßig der Fall ist, deren Tätigkeit zahlreiche Bereiche des kommunalen Lebens abdecken soll. Der Stiftungszweck kann nicht gegen den Willen des Stifters geändert werden.

     

    Das Vermögen der Stiftung ist das Mittel zur Erfüllung des Stiftungszwecks. Das Vermögen, mit dem die Stiftung ausgestattet werden soll, muss die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks bei Entstehung der Stiftung gesichert erscheinen lassen. Eine dauernde Zweckerfüllung setzt voraus, dass die Stiftung ihren Zweck mit dem Vermögen über einen längeren, in der Regel unabsehbaren Zeitraum erfüllen kann und die Verknüpfung von Zweck und Vermögen bestehen bleibt, solange der Zweck mit dem Vermögen nachhaltig erfüllt werden kann.

     

    Beachten Sie | Nachhaltig ist eine Zweckerfüllung nur, wenn sie auch wirksam ist, d. h. das Tätigwerden der Stiftung muss sich spürbar, d. h. mit einer gewissen Intensität, auswirken. Zwischen den Merkmalen „dauerhaft“ und „nachhaltig“ bestehen Wechselwirkungen. Die Zweckerfüllung durch eine Stiftung, die über einen sehr langen Zeitraum bestehen soll, wird grundsätzlich wirksamer sein als die Zweckerfüllung durch eine Verbrauchsstiftung, die nur für eine kürzere Dauer besteht. In der Regel gilt, dass eine nachhaltige Zweckerfüllung desto mehr Anstrengungen, insbesondere auch Vermögenseinsatz, erfordert, je kürzer der Zeitraum ist, für den eine Stiftung bestehen soll.

     

    Aus dieser für die Stiftung typischen Verknüpfung von Zweck und Vermögen folgt, dass als Stiftungszweck nur ein solcher Zweck in Betracht kommt, der sich durch Nutzung eines Vermögens erfüllen lässt. Der Zweck einer Stiftung kann sich nicht in der Erhaltung des eigenen Vermögens erschöpfen. Auch wenn für die Erfüllung eines Zwecks die Nutzung eines Vermögens nicht erforderlich ist, wie etwa für die Übernahme der Komplementärstellung in einer Personenhandelsgesellschaft („Stiftung und Co. KG“), kann dieser Zweck nicht in der Rechtsform der Stiftung verfolgt werden.

    4. Ewigkeitsperspektive als Regelfall

    Der gesetzliche Regeltypus der Stiftung ist die auf unbestimmte Zeit errichtete Stiftung, die ihren Zweck durch die Nutzungen des Stiftungsvermögens erfüllt. Dies wird durch § 80 Abs. 1 S. 2 BGB-neu klargestellt, der bestimmt, dass Stiftungen auf unbestimmte Zeit zu errichten sind, d. h. grundsätzlich nicht durch den Stifter befristet werden können. Die auf unbestimmte Zeit errichtete Stiftung kann nur beendet werden, wenn

    • die dauernde und nachhaltige Zweckerfüllung unmöglich geworden ist,
    • die Stiftung das Gemeinwohl gefährdet oder
    • sie dauerhaft ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegt hat.

     

    Beachten Sie | Stiftungen auf Zeit, die ihr Vermögen erhalten sollen, sind auch weiterhin nicht anerkennungsfähig. Dies entspricht der geltenden Praxis der Landesstiftungsbehörden. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass Stiftungen auf unbestimmte Zeit zu errichten sind, besteht nach § 80 Abs. 1 S. 3 BGB-neu wie nach dem bisherigen Recht nur für die Verbrauchsstiftung als Stiftung auf Zeit, die ihr gesamtes Stiftungsvermögen während ihres Bestehens zur Erfüllung des Stiftungszwecks verbrauchen soll.

     

    Wie bislang ist die befristete Errichtung einer Stiftung zulässig, wenn die Stiftung als Verbrauchsstiftung ausgestaltet ist, also als eine Stiftung, die für einen bestimmten Zeitraum errichtet wird, innerhalb dessen sie ihr gesamtes Vermögen zur Erfüllung ihres Zwecks verbrauchen soll. Auch Verbrauchsstiftungen können nur anerkannt werden, wenn sie für eine längere Dauer errichtet werden (mindestens 10 Jahre).

     

    Die Ausstattung einer Verbrauchsstiftung, die nur für eine kurze Zeit besteht, muss gesichert erscheinen lassen, dass der Zweck innerhalb der Zeitdauer der Stiftung nachhaltig erfüllt werden kann. Das setzt während der kurzen Zeitdauer der Stiftung einen erheblich größeren Mitteleinsatz für die Zweckerfüllung voraus als während des gleichen Zeitraums bei einer auf unbestimmte Zeit errichteten Stiftung. Das ist aber bei einer Verbrauchsstiftung in der Regel auch möglich, weil die Stiftung das gewidmete Vermögen für die Zweckerfüllung nicht nur nutzen darf, sondern verbrauchen muss. Eine Verbrauchsstiftung hat nach § 83c Abs. 1 S. 4 BGB-neu kein Grundstockvermögen, sondern nur sonstiges Vermögen.

    5. Voraussetzungen für die Entstehung der Stiftung

    Das Entstehen der Stiftung als Rechtssubjekt setzt neben dem Stiftungsgeschäft die staatliche Anerkennung voraus. Zuständig für die Anerkennung einer Stiftung ist immer eine Landesbehörde. Die Mitwirkung der Kirchen bei der Errichtung und Anerkennung kirchlicher Stiftungen kann auch weiterhin durch Landesrecht geregelt werden. Die landesrechtlichen Regelungen, die bestimmen, dass kirchliche Stiftungen nur mit Zustimmung der Kirchen errichtet werden können, bleiben durch die Neuregelung des Stiftungsrechts im BGB unverändert bestehen.

    Quelle: Ausgabe 10 / 2018 | Seite 200 | ID 45501416